Seit nun 50 Jahren pendelt die Stadtbahn zwischen Sillenbuch und Heumaden. Für die Leute vor Ort war der Bau der neuen Trasse ein wahrer Meilenstein. So mancher erinnert sich noch gut.

Sillenbuch - Genau 50 Jahre ist es her, dass zusammenwuchs, was zusammengehört. Am 11. April 1967 wurde die Verlängerung der Straßenbahnlinie von Sillenbuch hinüber nach Heumaden eröffnet. Bis dahin war an der Schemppstraße Schluss gewesen – wer genau hinschaut, kann an der Form des heutigen P+R-Parkplatzes erkennen, wie die Wendeschleife verlief, erklärt Gerhard Reißer. Der Heumadener kann sich noch vage dran erinnern, wie er als junger Bursche zuvor immer von der Plattform gesprungen war, um den Bus nach Heumaden zu erwischen. Als dann aber ab 1967 das Bähnle rüberfuhr, waren solche Manöver nicht mehr nötig gewesen.

 

Brunhilde Hald weiß mit ihren 80 Jahren noch gut, wie das damals war, als der Fünfer plötzlich knapp vor der Haustür Halt machte. „Das war beste Sahne“, sagt sie und lächelt ihren Mann Franz an. Ihn, einen Fellbacher, hatte die gebürtige Heumadenerin schon 1957 kennengelernt. Er muss lachen. „Ich bin abends immer übers Feld nach Sillenbuch gerannt, um die Bahn zu bekommen, denn die letzte fuhr vom Schlossplatz aus um 0.20 Uhr nach Fellbach.“ 1959 wurde geheiratet und die erste gemeinsame Wohnung an der Mannspergerstraße bezogen.

Der Weg zur Arbeit nach Ostheim beziehungsweise Vaihingen – „umständlich“, erinnert sich Brunhilde Hald. Bus, Bahn, immer wieder umsteigen. „Ein Auto haben damals nicht viele gehabt. Es gab Leute, die sind täglich zum Daimler zu Fuß gegangen“, sagt der heute 81-jährige Franz Hald. Auch er und seine Frau bekamen ihr erstes Auto, einen DKW Junior, erst Anfang der 1960er.

Von 1959 an rumpelten die GT4-Wagen auf den Schienen entlang

Per Bahn ist Sillenbuch schon seit bald 90 Jahren angebunden. Am 5. April 1930 wurde die Fertigstellung der Strecke gefeiert – oberirdisch wohlgemerkt. Die Wendeschleife an der Schemppstraße kam erst 1955 dazu. „Davor war die Endhaltestelle bei der Gastwirtschaft Wilhelmshöhe“, berichtet Brunhilde Hald. Sie und ihr Mann fuhren viel mit der Bahn. Ab 1959 rumpelten die Gelenktriebwagen 4, kurz GT 4, der SSB durch Stuttgart. Bis Ende 2007 waren die Bahnen mit den vier Achsen mit maximal 60 Kilometern pro Stunde im Einsatz. Die Konkurrenz aus dem eigenen Haus fuhr in Form der Stadtbahn ab 1985. Das Netz wurde sukzessive ausgebaut und von der klassischen Straßenbahn auf die neuere mit U-Bahn-Charakter umgestellt.

An die alten Wagen haben die Halds noch lebhafte Erinnerungen. Dass der Schaffner damals noch im Wagen kassierte und an einem Lederriemen zog, wenn er dem Fahrer signalisieren wollte, dass es weitergehen konnte. Wie früher, als es die Wendeschleifen noch nicht gab, der Fahrer die Oberleitungen aushängen, einmal um den Wagen herumgehen und sie dann wieder auf der anderen Seite einhängen musste, damit es zurückging. „Das war damals spektakulär, meine Schulkameraden erzählen heute noch davon“, sagt Brunhilde Hald.

Ein Fest für den 15er in Stuttgart-Heumaden

Die Verlängerung Sillenbuch-Heumaden ging 1967 offenbar sang- und klanglos in Betrieb. Im SSB-Archiv findet sich laut dem Sprecher Hans-Joachim Knupfer nichts über einen Festakt. Umso doller wurde gefeiert, als 1999 die moderne Stadtbahnlinie U7 bis Heumaden eröffnet wurde. Im Zuge dessen wurde die Wendeschleife zur dreigleisigen Anlage, wie man sie heute kennt, umgebaut. Zum Abschied der damaligen 15er-Bahn gab der Bürgerverein Heumaden ein Fest. Dieter Reuker, der heutige Vorsitzende, muss immer noch lachen, wenn daran denkt. „Die SSB hatte uns mitgeteilt, dass wir mit 200 bis 300 Leuten rechnen sollten. Tatsächlich kamen etwa 2500. Das war ganz brutal.“ Er habe in Windeseile im Umkreis von 20 Kilometern jeden Metzger- und Bäckerladen leergekauft, um genug Speisen heranzuschaffen. „Wir haben es durchgezogen, alle waren begeistert.“ Dazu habe die SSB-Kapelle aufgespielt.

Nur ein Jahr später wurde nochmals groß gefeiert – anlässlich der Eröffnung der Linien U7 und U8 bis Nellingen. Ein Ziel, das die SSB bereits 1929 im Auge gehabt hatte, wie Hans-Joachim Knupfer erklärt. Denn schon damals hatte die SSB die Konzession bis nach Ostfildern erworben. Seinerzeit war der Anschluss ans Netz der Straßenbahn Esslingen-Nellingen-Denkendorf einer SSB-Tochterfirma aber am Geldmangel während der Wirtschaftskrise gescheitert. Mitte der 50er wurde die Konzession erneuert, der Bau konnte laut Hans-Joachim Knupfer jedoch auch damals nicht in Angriff genommen werden – wegen der massiv steigenden Materialpreise und Löhne während der Wirtschaftswunder-Zeit und „weil die Stadt Stuttgart es der SSB untersagt, ihre Fahrpreise so zu erhöhen, dass diese mit der Ausgabensteigerung Schritt halten könnten“, erklärt er.

Die Halds fahren bis heute gern Bahn. „Es geht schneller als mit dem Auto, und das Parken ist teurer“, sagt Brunhilde Hald. Die Waggons heute seien zwar schick und flott unterwegs, aber „für mich ein bisschen seelenlos“, findet sie. Am liebsten fahren die Senioren mit der Linie 15. Die nimmt noch die alte Route über die neue Weinsteige, den Osten und das Bubenbad. So wie früher. Brunhilde Hald lächelt. „Wenn es möglich ist, fahren wir immer so. Die Aussichten gefallen mir unheimlich.