Bis sich Magda Pulm mit ihrer Leidenschaft, der Kunst, beschäftigte, musste erst etwas passieren. Heute zeigen ihre Bilder meist Kreise, hinter denen verborgene Bedeutungen stecken. Noch bis Sonntag, 8. Oktober, sind im Clara-Zetkin-Haus ihre Werke zu sehen.

Sillenbuch - Was Magda Pulm umtreibt, das macht sie zu Kunst. Über Dinge, die sie bedrücken, schreibt sie Gedichte. Wenn sie sich einsam fühlt, gestaltet sie Postkarten. Politische Bilder zeigen Flüchtlinge, verschleierte Frauen oder Bettler. Und viele Kreise und Kugeln hat sie gemalt, die Sonne, Mond und Gestirne symbolisieren. „Das hat bestimmt damit zu tun, dass ich alt werde“, sagt die 82-Jährige aus Sillenbuch. „Ich bin katholisch erzogen, da hat man eine andere Beziehung“, sagt sie und beendet den Satz mit einem Fingerzeig nach oben. Kunst, das kann sie. Gehämmerte Metallobjekte, Ikonen, Bilder, gestaltet mit Aquarellfarben, Acryl oder Öl, Porträts, Steinskulpturen, Holzkrippen, Zeichnungen, Märchen. Magda Pulms Wohnung ist wie ein kleines Museum, und wenn sie über das redet, was sie gern macht, dann kommen die Wörter wie ein Wasserfall.

 

Geht es ums Präsentieren, stapelt sie jedoch tief. „Schreiben Sie bloß keinen großen Artikel“, mahnt sie mehrfach und lächelt etwas gequält. Sich fotografieren zu lassen, fällt ihr schwer. Der Grund für die Zurückhaltung ist wohl in ihrer Vergangenheit zu suchen. „Als ältestes von zwölf Kindern durfte ich nicht lernen, weil ich dringend gebraucht wurde“, erzählt sie. Mit noch nicht einmal 14 Jahren musste sie die Schule verlassen und der Mutter zur Hand gehen, obwohl ihr Wissensdurst groß war. Und später, als verheiratete Frau mit fünf Kindern und einem beruflich stark eingespannten Mann, stand ebenfalls die Familie im Vordergrund.

In den 80ern erkrankte Magda Pulm schwer

Als Magda Pulm in den 80ern schwer erkrankte und – wie sie es selbst sagt – dem Tod gerade noch von der Schippe hopfte, krempelte sie ihr Leben um und widmete sich endlich ihrer großen Leidenschaft, der Kunst. Sie besuchte Kurse bei Künstlern oder an der Volkshochschule. Dass sie, das talentierte Mädchen aus der Sillenbucher Kolping-Siedlung, dennoch bis heute mit ihrem Werdegang und möglicherweise verpassten Chancen hadert, daraus macht sie keinen Hehl. Ihr Herz trägt Magda Pulm auf der Zunge.

Die Kunst ist in all den Jahren zum Ventil geworden. „Ich verarbeite furchtbar viel“, sagt sie immer wieder. Viele dieser Prozesse sind offensichtlich, andere weniger. Unter zwei Gemälden mit Kreismotiven, die aktuell im Clara-Zetkin-Haus gezeigt werden, sind zwei Röntgenbilder versteckt. „Ein wunderbares Papier“, sagt sie. „Wenn Sie es gegen das Licht halten, sehen Sie meine Bandscheibe.“ Auf einem Kreis in Gold verweilt ihr Blick etwas länger. Das sei das erste und bislang einzige große Bild seit dem Tod ihres Mannes, erklärt sie und nippt schweigend an ihrem Getränk, bis ihr Blick zu den Kunstwerken an der Wand gegenüber geht. Diese strotzen vor Farbe und Energie. An einem klebt in der Ecke ein roter Punkt. Verkauft. „Da war eine ganz junge Frau bei der Vernissage. Die ist gleich auf das Bild zugegangen“, sagt Magda Pulm und klingt beinahe überrascht. Aber dann zeigt sie doch ein Lächeln. Ein zufriedenes.

Die Ausstellung:

Die Schau mit dem Titel „Unergründliches All“ ist noch bis Sonntag, 8. Oktober, zu den Öffnungszeiten im Clara-Zetkin-Haus an der Gorch-Fock-Straße 26 zu sehen. Eine Schülerin Magda Pulms, Irmela Staiger, hat auch einige Bilder beigesteuert.