Bis zu 50 Prozent aller Waren könnten in der Innenstadt mit dem Lastenrad statt mit dem Auto angeliefert werden. Ein von der Stadt beauftragtes Pilotprojekt startet in wenigen Wochen.

Stuttgart - Den Autoverkehr in der Stadt zu verringern und damit die Luftqualität zu verbessern, das ist seit Langem ein politisches Ziel. Schwer zu erreichen ist es meist da, wo das individuelle Recht auf die permanente Nutzung des Heiligen Blechs beschnitten wird. Anders sieht es aus, wenn man Auspuffgase so ersetzen kann, dass am Ende alle zufrieden sind, weil es günstiger und schneller ist. Und wenn dann auch noch weniger Dreck in die Luft geblasen wird, umso besser.

 

Erreichbar ist das zum Beispiel im innerstädtischen Lieferverkehr, wo auch in Stuttgart in Zukunft mehr und mehr Lastenräder eingesetzt werden. Tendenz stark zunehmend, was auch daran liegt, dass es immer mehr alltagstaugliche E-Bike-Systeme gibt und der elektrische Rückenwind bei Stuttgarts wadenfeindlicher Topografie bei schweren Lasten sehr wichtig ist.

Schon seit Jahren beschäftigt man sich in der Stadt mit dem Thema E-Mobilität in der City-Logistik. Die aktuelle Situation ist unbefriedigend, da viele große und kleine Lieferwagen oft die Innenstadt blockieren und sich in Fußgängerzonen auch oft nicht an die zeitlichen Beschränkungen halten. Auf Initiative der Industrie- und Handelskammer hat das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) eine Studie über Möglichkeiten der Innenstadtlogistik erstellt, in der am Beispiel des Einsatzes von Lastenrädern die Möglichkeiten einer umweltfreundlichen Paketzustellung aufgezeigt werden.

In ein paar Wochen ist Projektstart

Diese Studie hat auch bei auch der Stadt Anklang gefunden, die jetzt bei Fraunhofer IAO ein Pilotprojekt beauftragt hat. Unter dem Namen Log SPAEZE soll getestet werden, wie man vor allem auf den letzten Kilometern der Zustellung am besten vom Auto auf ein Lastenrad kommt. „Die Stadt tritt mit dem Pilotprojekt sozusagen in die Fußstapfen der IHK“, sagt Wolfgang Forderer, der im Stab von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) die Abteilung Mobilität leitet. Steffen Raiber, der bei Fraunhofer IAO für das Pilotprojekt zuständig ist, kontaktiert bereits die großen Paketdienste und sondiert die Möglichkeiten über eine testweise Zusammenarbeit. In ein paar Wochen soll es auch schon losgehen.

Raiber hat aber bereits in seiner ersten Studie darauf hingewiesen, dass der Umstieg vom Auto auf das Lastenrad „ohne eine entsprechende Unterstützung von öffentlichen Planungsträgern nicht realisierbar ist“, wie es in der Studie heißt. Konkret bedeutet das, der Umstieg kann nur gelingen, wenn es im Innenstadtbereich sogenannte Zwischenladeflächen gibt, an denen Pakete gesammelt werden können und der Umstieg vom Auto auf das Rad stattfindet. Kurzum – man braucht Platz und auch eine optische Lösung, die stadtplanerisch mehr sein muss als ein irgendwo deponierter Umladecontainer. Eine Überlegung ist, solche Verteilstationen in Parkhäusern zu integrieren.

Pizzas, Bücher und die Polizei

Trotz aller Dinge, die noch bedacht werden müssen, könnte sich eine veränderte City-Logistik lohnen. „Bis zu 50 Prozent der Waren könnten im Innenstadtbereich statt mit dem Lkw mit Lastenrädern angeliefert werden“, glaubt Walter Vogt, der Leiter der Projektgruppe „Pedelecs, Innovative Fahrradtechnik“ im Stuttgarter Radforum.

Idee und Konzepte gibt es in der Stadt mehr und mehr. Konkret ist zum Beispiel schon Foodora aktiv, ein bundesweit tätiger Lieferservice für frische Restaurantessen, das nach Eigenwerbung eine halbe Stunde nach der Online-Bestellung angeliefert wird. Foodora hat in Stuttgart sechs Lasten-Pedelecs im Einsatz.

Im Sommer fahren Rikscha-Taxis durch die Stadt, die Polizei hat eine E-Bike-Staffel, und die Buchhandlung Osiander lässt auf Wunsch im Internet bestellte Bücher am Folgetag per Radkurier kostenfrei zustellen. Die Fahrer des Kurierdienstes „Die Radler“ treten allerdings noch ohne elektrische Hilfe in die Pedale. Bei bis zu 250 Kilo Last wird das freilich schwer. Und in dem Bereich ist Velocarrier aktiv. Im März wird in Stuttgart im Rahmen einer Pressekonferenz verkündet werden, dass das Tübinger Radtransport-Unternehmen von Anfang April an groß in Stuttgart einsteigen will. Raimund Rassillier, einer der Gründer und Geschäftsführer des noch jungen Unternehmens, bestätigt gegenüber der Stuttgarter Zeitung, dass man mit zwölf großen Lastenrädern und vier Verteilpunkten im Frühjahr in Stuttgart starten will. Die Zentrale wird in der Schwabstraße sein. „Wir wollen fast alle Arten von City-Transporten mit unseren E-Lastenbikes abdecken“, sagt Rassillier.

Auch die Stadt hat Lastenräder

Das Unternehmen ist außer in Tübingen noch in drei anderen Städten aktiv und fährt Pakete zum Beispiel von Apotheken, Zahnlabors, Anwälten, Blumenhändlern und jeder Art von Einzelhandel durch die Stadt. Bis zu einer halben Tonne kann so ein spezielles E-Velo laden – das wäre mit reiner Muskelkraft nur sehr schwer zu bewegen. Besonders weil die Firma innerhalb der Stadt die Lieferung am gleichen Tag anbietet.

Und auch die Stadt testet für sich schon Lastenräder mit elektrischem Rückenwind. Im Garten- und Friedhofsamt sind bereits drei der Lastenräder in Betrieb.