Fanfaren, Jauchzer und Trommelwirbel, es ist so weit: Am Dienstagabend wird das 20. Internationale Trickfilmfestival eröffnet. Inzwischen bietet der Wettbewerb Animovie auch etliche starke Langfilme.

Stuttgart - Fanfaren, Jauchzer und Trommelwirbel, es ist so weit: am Dienstag um 20 Uhr wird das 20. Internationale Trickfilmfestival eröffnet. Und zwar, wie es gute Tradition ist, mit der ersten Rolle des Internationalen Wettbewerbs, mit einer Kollektion von Kurzfilmen also.

 

Den künstlerischen Kurzfilmen hat dieses Festival von Anfang an einen besonderen Platz eingeräumt. Darum ist ihm ein ewiges und extremes Nischendasein prophezeit worden. Wer Massen ziehen wolle, brauche Langfilme, hieß es. Die Pessimisten hatten bekanntlich Unrecht.

Als aber 2006 klar wurde, dass nun ein Langfilmwettbewerb gleichberechtigt neben die Kurzfilmreihen treten sollte, sorgte das auch wieder für Einwände. Die US-Studios würden ihre lukrative Ware nicht fürs Festival freigeben, mahnten Kritiker, hochwertige Langfilme mit erwachsenen Ansprüchen würden außerhalb von Hollywood sowieso nur wenige produziert. Man werde letztlich japanische Werke spielen müssen, die in einem nach Mangas und Animes verrückten Land zwar am Fließband, aber eben oft ohne viel Originalität entstünden.

„Wolf Children“ ist, schaut man auf ein Standbild, ein ganz gewöhnlicher Anime. Aber seine Geschichte findet eine außergewöhnliche Balance zwischen Fantastik und Realismus. Eine junge Frau verliebt sich in einen freundlichen Werwolf und bekommt zwei Kinder von ihm. Nach dem Tod des Vaters muss sie das energische Mädchen und den kränkelnden Jungen alleinen aufziehen.

Manchmal bewegen sich die Figuren steif und staksig

Weil die Kinder sich in jedem Moment des Überschwangs in Tiere verwandeln könnten, zieht die Familie aufs Land, um die Gefahr der Entdeckung zu verkleinern. Mamoru Hosoda schildert die Probleme einer Mutter, die nicht anecken und doch für ihre Kinder Freiräume schaffen möchte, die gut sozialisierte Wesen in die Welt entlassen, ihre Kinder aber auch nicht verbiegen will.

Dass die Figuren in Animes sich oft etwas steif und staksig bewegen, schien westlichen Augen lange ein Effekt von Einsparungen bei der Animation. Aber weil japanische Erwachsene Comicleser sind, denken sie Filme nicht von der Realität, sondern vom Manga her. Die reduzierte Animation erdet die Figuren in ihrem Manga-Ursprung. In „Wolf Children“ bewegen sich die Statistenfiguren im Hintergrund meist elegant, flüssig, realistisch, es scheint sich um am Computer übermalte Realfilmbilder zu handeln. Die Hauptfiguren aber bewegen sich gemessener, ritualisierter – was sie positiv hervorheben, nicht herabstufen soll.

Als Ursprung der Bilder von „Pinocchio“ (Freitag, 14.30 Uhr) könnte man Kinderbuchillustrationen vermuten. Aber kein Langfilm bei Animovie hat es so schwer wie Enzo D’Alos Klassikerverfilmung, tritt die doch gegen ein Kernwerk der Animationsfilmgeschichte an, gegen Walt Disneys Variante von „Pinocchio“. Von der will sich D’Alo mit vorsätzlichen kleinen Stilbrüchen absetzen, mit einer sich beinahe in Spott auflösenden Leichtigkeit der Figurenentwürfe.

Mischung aus Realfilm und Animation

Aber wer das Design nicht auf Anhieb liebt, dem wird der Film Bild um Bild viel schwächer erscheinen als Disneys abgründige Variante. Dazu trägt eine seltsame inhaltliche Bereinigung der Vorlage bei. Pinocchios Hader am eigenen Holzpuppendasein spielt keine Rolle, die Menschwerdung ist schlicht ein zusätzliches Geschenk, die Themen Ungehorsam und Enttäuschung werden zurückgenommen, die gute Fee als moralische Instanz bekommt eine Nebenrolle. Auch geht es nicht mehr um die Frage von Lüge, Wahrheit und Lügensanktion. Dies will eine pädagogisch sanfte Pinocchio-Variante sein, die aber trotzdem noch von der grimmigen Verwandlung der Schulschwänzer in Esel erzählt. So recht zusammenpassen will das nicht.

Verschiedene Stile und Tonarten vereint dagegen mit nie geziert wirkender Eleganz die französisch-belgische Produktion „Approved for Adoption“ (morgen, 20 Uhr). In einer Mischung aus Realfilm und Animation erzählt Jung Henin zusammen mit dem Koregisseur Laurent Boileau vom Schicksal eines koreanischen Adoptivkinds in Belgien. Auf der Realfilmebene und im Heute reist Jung erstmal nach Korea, dessen Sprache er vergessen hat, das er aber immer noch als Heimat empfindet: auch, weil das einst von der Polizei von der Straße gelesene Kind die unbekannte leibliche Mutter noch Jahrzehnte später als seine wahre Mutter sieht.

Ja, es geht um subtile Entfremdung, ums nur teilweise Hineinwachsen ins europäische Leben und die neue Familie. Echte Heimfilmerbilder mischen sich mit den gezeichneten Erinnerungen, wobei die Figuren einen seltsame Mischung aus 3-D-Computeranimation und 2-D-Zeichentrick darstellen. Sie wirken, als könnten sie nie mehr voll und plastisch heraustreten aus dem Gefängnis verfälschender Erinnerung, als seien sie aber auch alles andere als flache, statische Bilder ohne Eigensinn. „Approved for Adoption“, im Original „Couleur de Peau“, ist die souveräne Absage an all jene, die von Animationslangfilmen nur Stromlinienförmiges und Gefälliges erwarten. Auch Animovie dürfte dieses Jahr wohl einen spannenden Wettbewerb bieten.

Wie sich das Haus der Wirtschaft auf die FMX vorbereitet, sehen Sie in dem Video, das uns der Veranstalter zur Verfügung gestellt hat.