Braucht Stuttgart noch eine weitere Partnerstadt? Wenn ja, wo? Und welchen Nutzen haben die bereits bestehenden Beziehungen? OB Fritz Kuhn plant vor seiner Lodz-Reise eine Bestandsaufnahme in puncto Auslandsbeziehungen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Stuttgart ist stolz auf seine vielfältigen Beziehungen ins nahe und ferne Ausland – doch nach dem Willen des Gemeinderats soll nun auf den Prüfstand, ob eine teilweise neue Ausrichtung nicht sinnvoll ist. Und auch der Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) will innehalten und die bisherigen Schwerpunkte neu bewerten. Der Zeitpunkt dafür ist günstig. Denn Kuhn will einen anderen Stil pflegen als sein Vorgänger Wolfgang Schuster, der sich zwar leidenschaftlich für die internationalen Beziehungen eingesetzt hat, aber oftmals als „One-man-show“ durch die Welt gejettet war. Und sowieso verlässt der Chef der Abteilung für Außenbeziehungen seinen Posten: Alexander Kreher wird Wirtschaftsbürgermeister in Reutlingen.

 

Bisher basiert die Arbeit der kleinen Mannschaft um Alexander Kreher und Frédéric Stephan auf drei Säulen. Da sind die zehn Partnerstädte zwischen St. Louis und Mumbai – in dieser Woche fliegt eine städtische Delegation zur Feier der 25-jährigen Partnerschaft nach Lodz. Da ist die Europaarbeit, die darauf zielt, gute Kontakte zur Europäischen Union in Brüssel und Straßburg zu knüpfen. So will Stuttgart frühzeitig über Pläne informiert sein, die die Kommunen betreffen; und so will Stuttgart schlicht an die Fleischtöpfe der EU. Zuletzt sind da Entwicklungsprojekte mit Ländern in Südamerika oder Nordafrika. Schon zum Jahresbeginn, nach dem Abgang Schusters, hatten Grüne, CDU und SPD in getrennten Anträgen die Stadtverwaltung aufgefordert, über Verbesserungen nachzudenken – die Antwort der Stadt steht aber immer noch aus.

SPD fürchtet sich vor der Routine

Handlungsbedarf sehen die Fraktionen auf einigen Feldern. Roswitha Blind, die SPD-Fraktionsvorsitzende, möchte vor allem neue Möglichkeiten entwickeln, um die Außenbeziehungen noch lebendiger zu gestalten und um noch mehr Bürger einzubeziehen. Zwar ist es schon heute das Konzept der Stadt, selbst nur Impulsgeber zu sein, damit Schulen, Vereine und Kultureinrichtungen verschiedener Länder zusammenkommen; aber das reicht der SPD nicht aus. Sie fürchtet sich vor Routine.

Daneben regen die Genossen an, doch noch einmal zu prüfen, ob nicht eine weitere Partnerschaft, zum Beispiel mit einer Stadt in der Türkei, aufgenommen werden könnte. Angesichts des kleinen Stabes mit sechs Mitarbeitern ist man im Rathaus allerdings bereits an der Grenze der Belastbarkeit angekommen. Zudem erfordern manche bestehenden Partnerstädte derzeit sehr viel Aufwand: Nach den Unruhen in Ägypten laufen die Kontakte mit der Partnerstadt Kairo nur noch schleppend.

Grüne wollen Europaarbeit stärken

Die Grünen wollen vor allem die zweite Säule, die Europaarbeit, stärken. In München sei zum Beispiel ein eigener Unterausschuss des Gemeinderates gegründet worden, um politisch besser auf die ständigen neuen Anforderungen der EU reagieren zu können, sagt Stadträtin Niombo Lomba. Daneben müsse in den Städtepartnerschaften die Zivilgesellschaft gestärkt werden: Bürgerschaftlich getragene Initiativen sollten mehr gemeinsame Projekte machen, so Niombo Lomba.

Alexander Kotz, der Chef der CDU-Ratsfraktion, sieht eher die wirtschaftlichen Aspekte der Partnerschaft vernachlässigt. Gerade kleinere Unternehmen könnten von den Außenbeziehungen Stuttgarts stärker profitieren, so Kotz. Daneben könnte er sich eine Partnerschaft mit einer Stadt in Südamerika oder China vorstellen: „So könnte man den Veränderungen, die die Welt in den letzten Jahrzehnten erlebt hat, Rechnung tragen.“ Die bisher letzte Partnerstadt ist Samara in Russland; die Beziehungen wurden 1992 aufgenommen.

CDU hat Verständnis für Kuhns Bescheidenheit

OB Fritz Kuhn hat sich jetzt erstmals zu seiner Außenpolitik geäußert – in den ersten Monaten seiner Amtszeit hatte er andere Prioritäten gesetzt, wofür sogar sein politischer Widerpart Alexander Kotz Verständnis hat. Kuhn möchte zunächst eine Bestandsaufnahme vornehmen und für alle Partnerstädte die Frage stellen, welchen Nutzen die Beziehung für beide Städte habe: „Man muss wissen, wohin man will.“ Wenn klar sei, dass eine Beziehung eher wirtschaftlich oder kulturell ausgerichtet sei, könne man dort in die Tiefe gehen.

Einer elften Partnerschaft ist Kuhn nicht völlig abgeneigt, sie hat für ihn aber nicht Priorität. Wenn, dann käme für ihn eine Stadt aus China, der Türkei, aus Israel oder Schwarzafrika in Frage. Weltreisender wie sein Vorgänger will Kuhn nicht werden: „Ein OB muss schauen, dass er in der Stadt ist“, sagt Fritz Kuhn ganz klar. So sind neun Monate vergangen, bis der OB jetzt erstmals auf Auslandsreise geht: Am Donnerstag führt er die Delegation nach Lodz an.