Eine Sommerterrasse mit Blick auf ein beschauliches Vorfeld, viel Gras und weidende Schafe – das war einmal. Auf dem Flughafen brummt heute Massenbetrieb. Was er mit den Fildern anstellte, dokumentieren unsere Luftbilder.

Stuttgart / Echtedingen - Ein bisschen was geht immer, beim Abknapsen von Filderboden zum Bauen. Manchmal ging auch viel. Allein schon die stark auf den Flughafen zugeschnittenen Luftbilder einst und heute belegen eine nachhaltige Veränderung. Nicht zu reden von anderen Flächenfressern wie Straßen oder Messe.

 

Fast heimelig scheint es 1955 am Flughafen zu sein. Das Abfertigungsgebäude aus den 30er Jahren hat etwas Familiäres. Eine geschwungene, niedrige Terrasse verlockt 650 000 Besucher pro Jahr zum Kiebitzen am Rand des Vorfelds. Zwischen diesem und der Piste gibt es noch viel Gras. Geld wie Heu wirft der Flughafen damals noch nicht ab, aber Heu reichlich. 2000 Zentner jährlich. Und auf dem Gelände grasen oft Schafe. Die Flugzeughalle, die ihre im Krieg zerstörten Vorgängerinnen ersetzte, wird als höchste in Deutschland gerühmt. Das Weiß des 400 Meter langen Neubauteils der Piste, die seit 1951 genau 1800 Meter misst, hebt sich vom Grau des alten Belags ab, sagt der Filderstädter Stadtarchivar Nikolaus Back beim Blick auf das alte Bild. Und er kennt sich aus. Er hat viele Fakten und Entwicklungen aufgeschrieben.

Der Landverbrauch? Aus der Vogelperspektive wirkt er 1955 noch unschuldig. Aber es gibt ihn, den Landhunger, und er hat auch schon die Südseite der Piste erfasst. Dorthin sind die US-Besatzer 1953 hinübergezogen. Die Beseitigung aller Schäden durch Krieg und Besatzung dauert noch an, doch auf den Fildern geht schon der Stern eines neuen Arbeitgebers auf. Zehn Jahre nach Kriegsende bieten 46 Arbeitgeber insgesamt 550 Arbeitsplätze an. Acht Fluggesellschaften transportieren 80 000 Passagiere pro Jahr.

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62 Jahre später sind es 11 000 Arbeitsplätze bei mehr als 300 Unternehmen und Dienststellen. An Spitzentagen zählt man rund 430 Starts und Landungen – schätzungsweise gut das Zehnfache von 1955 – sowie 10,6 Millionen Passagiere im Jahr. Womit der Manfred-Rommel-Flughafen, wie der Sprecher Johannes Schumm nicht ohne Stolz sagt, zu den großen Arbeitsstätten im Land zählt. Hinter den Autowerken.

Der Flughafen ist Wertschöpfung für die Menschen, aber dafür hat diese auf den Fildern auch einen Preis. Nicht nur das Vorfeld ist größer geworden. Der Landhunger hat noch mehr Spuren hinterlassen. Schon für die Startbahnverlängerung 1951 haben Stuttgarts OB Arnulf Klett und Mitstreiter den Bernhäuser Bauern Boden abgerungen. Aber kaum ausgebaut, ist die Piste wieder zu kurz, kündigt die US-Airline PanAm doch den Einsatz von Düsenmaschinen im Herbst 1958 an. Die Länge von nur 1800 Metern lässt befürchten, dass Passagierzahl und/oder Fracht begrenzt werden müssten. Klett zieht wieder den Kampfanzug an. Der Flughafen Stuttgart werde immer mittelgroß bleiben, beruhigt er die Anrainer. Am 21. April 1961, in dem Jahr, in dem PanAm tatsächlich Jets schickt, wird die 2550 Meter lange Piste eröffnet. Jetzt sei es aber genug mit der Landnahme, sagt Ministerpräsident Hans Filbinger.

Die Planung 1966: drei Pisten

Es wird nicht das letzte Wort sein. 1966, als jedermann und alles auf Wachstum programmiert ist, kommt der Vorschlag eines Generalausbauplans auf den Tisch. Drei Pisten und eine Flughafenfläche von 890 statt 264 Hektar drohen den Fildern. Stuttgart werde nie ein Flughafen für interkontinentale Flüge, verspricht Klett jetzt. Doch diese Nummer erzeugt Protest. Im Oktober 1967 sprießt aus der fruchtbaren Landschaft die Schutzgemeinschaft Filder, die bis heute nicht totzukriegen ist. Kurzfristig spukt das Gespenst eines „Flughafens Stuttgart II“ bei Mönsheim, Ihinger Hof, Walddorfhäslach oder Merklingen durch die politische Landschaft. Unter Lothar Späth entscheidet sich die Landesregierung im Dezember 1979 dann aber für die Verlängerung der Startbahn um 1380 Meter.

Das Genehmigungsverfahren beschwört rund 40 000 Einsprüche herauf, mehr als bis dahin jedes andere Vorhaben in der Republik. Klagen gegen die Genehmigung werden am 19. Juni 1989 vom Verwaltungsgerichtshof abgewiesen. Ein Streit, der ein Vierteljahrhundert währte, kommt zu den Akten. Am 8. Juli 1991 starten die Bagger. Um Platz zu schaffen für die künftig 3345 Meter lange Startbahn, wird erst die Autobahn verlegt.

Nach der Jahrtausendwende bringen die Flughafenchefs eine neue Diskussion über eine zweite Piste in Gang, doch Ministerpräsident Günther Oettinger lässt alle diesbezüglichen Überlegungen fallen. Die Idee, sagen Politik und Geschäftsführer, sei begraben.

Die Furcht vor mehr Beton und Asphalt wächst auf den Fildern aber immer wieder nach. Wie das Filderkraut.

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