Hafenstadt Stuttgart? Das ist für viele eine ungewöhnliche Kombination. Aber Stuttgart hat einen Hafen, jedoch einen, in dem mehr Güter mit der Bahn als mit dem Schiff umgeschlagen werden.

Stuttgart - Schon lange Jahre geistert der Begriff der Stadt am Fluss durch die Sonntagsreden der Kommunalpolitiker, passiert ist seitdem wenig. Noch immer liegt Stuttgart eher überm eingedohlten Nesenbach als am Neckar. Und folgerichtig fristet der Stuttgarter Hafen trotz seiner großen wirtschaftlichen Bedeutung im öffentlichen Bewusstsein ein Schattendasein – sieht man einmal davon ab, dass beispielsweise bei der Langen Nacht der Museen und anderen Aufführungen das Hafengelände von Künstlern bespielt wird und das Publikum darauf mit großer Begeisterung reagiert.

 

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Ein „Tor zur Welt“, von dem hochtrabend Oberbürgermeister Arnulf Klett bei der Einweihung im Jahr 1958 mit Bundespräsident Theodor Heuss sprach, ist der Hafen indes nicht geworden. Mit dem sich über 47 Jahre hinziehenden Ausbau des Neckars zur Bundeswasserstraße, der erst mit der Eröffnung des Hafens in Plochingen im Jahr 1968 seinen Abschluss fand, entstand in zwei Ausbaustufen in den Jahren 1954 bis 1958 und 1966 bis 1968 auch der Hafen Stuttgart auf einer Fläche von 99 Hektarn. Mit seinen drei großen Becken verbanden sich große Hoffnungen – über die Wasserstraße sollten die notwendigen Rohstoffe für die wachsende Wirtschaft in die Region Stuttgart transportiert werden.

Neckarschleusen sollen auf 135 Meter verlängert werden

Über die Jahrzehnte hinweg hat die Binnenschifffahrt freilich den Wettkampf gegen Lastwagen und Güterwaggon verloren, auch wenn die Bilanz des Hafens Stuttgart sich zuletzt erfreulich entwickelt hat: 2016 stieg das Lade- und Löschvolumen auf 1,1 Millionen Tonnen, mehr als doppelt so viel werden aber nach wie vor über die Schiene verfrachtet. Beim wasserseitigen Güterumschlag liegen Baustoffe an der ersten Stelle vor der Warengruppe Eisen, Stahl, Schrott. Beim bahnseitigen sind es Mineralölerzeugnisse vor den Baustoffen. Die Güter wurden mit fast 1200 Schiffen und fast 55 000 Eisenbahnwaggons an- und abtransportiert und letztlich auf Lastwagen verladen. Die in den nächsten Jahren geplante Verlängerung der Neckarschleusen auf 135 Metern soll weitere Zuwächse bringen.

Der Hafen ist heute geprägt vom Ölhafen, dem Daimler-Zentralversand, dem großen Containerterminal und Umschlagbahnhof, den zahlreichen Lagerflächen, Hallen und Silos für Baustoffe, Schrott und andere Güter sowie den Kränen und Verladebrücken. Ein riesiges Gewerbegebiet, das die meisten nur zur Kenntnis nehmen, wenn sie die Neckarseite über die Otto-Konz- und Otto-Hirsch-Brücken wechseln, die nach den Vätern des Neckarkanalisierung benannt sind.

Spatenstich in einem Schrebergarten

Als Konz und Hirsch im frühen 20. Jahrhundert mit ihren Planungen begannen, waren dort, wo heute der Hafen ist, idyllische Neckarwiesen mit Gärten und landwirtschaftlich genutzte Flächen. Nachdem der erste Hafen im 18. Jahrhundert am Mühlgrün in Cannstatt entstand, plante die Stadt Stuttgart schon im Jahr 1928 einen Neckarhafen, erst 1954 wagte man sich aber an das Projekt, das damals mit 58 Millionen Mark das größte und teuerste der Stadt werden sollte. Nochmals 14 Millionen Mark zahlte die Stadt an mehrere Hundert Landwirte und Gartenbesitzer, die für ihren fruchtbaren Boden gerade mal 13 bis 15 Mark je Quadratmeter erhielten, nachdem sie mit Enteignung gedroht hatte. Ein „Verband der Neckargeschädigten“ forderte noch Jahre später Nachzahlungen angesichts der Wertentwicklung des Geländes zum lukrativen Gewerbegebiet.

Damals und heute: Hier gibt es weitere Luftbilder aus Stuttgart

Das war beim Baubeginn im September 1954 aber noch kein Thema. Die „Stuttgarter Zeitung“ berichtete vom Spatenstich in einem Schrebergarten und nahm nicht unerfreut zur Kennntnis, dass „ein heftiger Platzregen die wohlvorbereitenden Reden kurzerhand ausfallen lassen oder auf ein wohltuendes Maß gekürzt“ habe.