„Wer Vater und Mutter nicht folgt, der bekommt ein Stückle im Schönberg“, so habe es früher in Stuttgart- Birkach geheißen. Bei seiner Entstehung war der Birkacher Stadtteil Schönberg also längst nicht so beliebt, wie er es heute ist.

Schönberg - Auf dem Rasen vor der Himmelfahrtskirche gibt es an jenem Tag Kaffee und Kuchen. Die in den 50er Jahren erbaute evangelische Kirche ist das Zentrum vom Schönberg. Daniel Mildenberger setzt sich an einen der Biertische. Er wohnt noch nicht lang hier. „Ich habe in Hohenheim studiert und wollte danach in der Gegend bleiben“, sagt der 29-Jährige. Vom Schönberg aus sei man schnell in der Natur und nahe der Stadt, man habe einen guten Blick auf den Fernsehturm, die Schwäbische Alb und das Ramsbachtal.

 

Als Neuzugezogener interessiert er sich für die Geschichte der neuen Heimat. „Wie sah es hier früher aus?“, fragt er. Mit am Tisch sitzt Dorothee Oberländer. Die 72-Jährige ist mit elf Jahren hergezogen und kennt sich aus. Die Sonne scheint, und der schöne Berg zeigt sich von seiner besten Seite.

Dorothee Oberländer beginnt zu erzählen. Ihr Vater, ein Architekt, hatte günstig ein Grundstück an der Parasolstraße erworben und ein Haus darauf gebaut. Damals gab es keinen festen Bebauungsplan, deshalb wurden die Häuser dorthin gesetzt, wo es eine Anbindung an einen Weg gab. „Wer Vater und Mutter nicht folgt, der bekommt ein Stückle im Schönberg“, habe es früher in Birkach geheißen, denn der Schönberger Ackerboden war unfruchtbar. Damals hätte niemand geahnt, dass die Grundstücke einmal zu den teuersten Stuttgarts gehören würden.

Die Häuser wurden dort gebaut, wo es einen Weg gab

Vieles hat sich geändert. „Früher haben die Leute hier noch Milchkuren gemacht, das war in Mode“, erzählt Dorothee Oberländer. Sie deutet in Richtung des Kindergartens neben der Kirche. Ein Stück weiter steht das Seniorenheim „Haus am Berg“. Als es im 19. Jahrhundert schick wurde, in die Kur zu fahren, wurde auf diesem Gelände das „Kurhaus Restaurant Schönberg“ gebaut. 1915 wurde es von Friedrich Blassa übernommen und in das „Blassa“ umbenannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es zum Heim für Jugendliche und musste in den 70ern abgerissen werden; das Seniorenheim entstand.

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Dorothee Oberländer erinnert sich an ein weiteres Kurhaus. An der Birkheckenstraße 116 stand das „Milchkur und Kaffee“, ein Haus, das später umbenannt wurde in „Gaststätte zum Ramsbachtal“ und „Gasthaus Bauer“. Es wurde 1985 abgerissen, um Platz zu schaffen für eine größere Wohnanlage. „Die Wohnanlagen kamen damals in Mode“, sagt Oberländer. In ihrem Haus an der Parasolstraße wohnt heute ihr Sohn. Es hat einen großen Garten, in dem sie einst als Mädchen mit ihrem Hund spielte. „Das ist längst nicht mehr bei allen Häusern so“, sagt sie.

Immobilienfirmen bieten viel Geld für die kleinen Häuser

Veit Mathauer, Vorsitzender des Bürgervereins Schönberg, kennt die Sorgen der Alteingesessenen. „Früher war der Schönberg großzügig besiedelt mit langen Gärten, aber heute wird die Bebauung mehr und mehr verdichtet“, sagt er. Immobilienfirmen böten viel Geld, um die Einfamilienhäuser abzureißen und auf dem Grund Mehrfamilienhäuser zu errichten. „Neuzugezogene können aber auch von dieser Entwicklung profitieren, denn irgendwo muss man ja wohnen“, sagt Daniel Mildenberger. Dorothee Oberländer stimmt ihm zu: „Einige schöne Häuser stehen ja noch.“ Darunter eines der ältesten Häuser, das Haus Rehm, das am unteren Teil der Birkheckenstraße steht.

Gustav Robert Rehm junior kam 1912 als Erster im Schönberg Geborener zur Welt. „Damals gab es nur etwa zehn Haushalte im Schönberg“, sagt Veit Mathauer. Mit heute mehr als 1435 Einwohnern ist der Stadtteil in den vergangenen 100 Jahren beträchtlich gewachsen. Und aus einst unfruchtbarem Ackerland ist eine der beliebtesten Wohngegenden geworden.

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