Bis 1996 war Schwaben Bräu in Stuttgart-Vaihingen daheim. Wir haben uns mit dem Vaihinger Ortshistoriker und Brauereibesitzer-Urenkel Gerhard Widmaier getroffen. Er hat uns von früher erzählt.

Vaihingen - Es gibt einen Ort in Vaihingen, da lebt Schwaben Bräu weiter. In der Gedenkstätte im Erdgeschoss des Häussler-Bürgerforums kann man alte Krüge, Flaschen und andere Erinnerungsstücke sehen. Außerdem ist dort die Geschichte der Brauerei aufgeschrieben. Von 1878 bis 1996 war Schwaben Bräu noch im Stadtteil daheim, seither gehört die Brauerei zu Dinkelacker. Dass Vaihingen von einem mächtigen Brauerei-Areal dominiert wurde, kann man heute nicht mehr erahnen.

 

Zwei Brauereien im Ort

Ende des 19. Jahrhunderts waren zwei Namen besonders wichtig in der Vaihinger Industrie: Robert Leicht und Adolf Ferdinand Widmaier. Letzterer gründete 1876 die erste große Brauerei – Adler Bräu – an der Hauptstraße. Nur zwei Jahre später, 1878 kam mit Robert Leichts Schwaben Bräu die zweite Brauerei nach Vaihingen. Die Unternehmen existierten nebeneinander und wurden von der Schafgasse getrennt. „Da gab es kleine Liebenswürdigkeiten und kleine Streitigkeiten, aber es war rundum ein familiäres Verhältnis“, sagt Gerhard Widmaier. Er ist der Ur-Enkel von Adolf Ferdinand Widmaier und Ortshistoriker. 1918 wurde Adler Bräu an Robert Leicht verkauft, ein Nachfolger fehlte. „Das ist dann alles eine Brauerei geworden, das war wirklich riesig“, sagt Widmaier.

Technischer Fortschritt

Seit 1893 verlief eine Drahtseilbahn vom Bahnhof bis zur Brauerei, um Bier und Güter zu transportieren. Über die Straße gingen Brücken, um die Gebäude miteinander zu verbinden. Um Vaihingen wurden Seen geschaffen, um Eis zur Kühlung herzustellen. Robert Leichts Brauerei war technisch weit fortgeschritten. Die Brauerei betrieb das erste industriell genutzte Elektrizitätswerk Württembergs und benutzte als eine der ersten deutschen Brauereien Lastkraftwagen von Daimler statt Pferdegespanne zum Transport der Fässer. Diese Lkw waren zunächst elektrisch betrieben, später dann mit Diesel.

1939 hatte die Brauerei 600 Mitarbeiter. Durch den Krieg verlor sie mehr als 450 Mitarbeiter. Zum 75-Jahr-Jubiläum sind es wieder um die 400 Mitarbeiter, 50 von ihnen treten 1944 in den neu gegründeten Schwaben-Bräu-Singchor ein. In den Hochzeiten arbeiteten rund 650 Menschen dort, die 80 000 Flaschen pro Stunde abfüllten. „Die meisten Vaihinger haben bei Schwaben Bräu gearbeitet, teilweise über Generationen hinweg“, sagt Widmaier. Eine Stelle bekam man allerdings nur auf Empfehlung. War man erst einmal angestellt, wollte man auch nicht mehr weg.

Fusion mit Dinkelacker

Die Leute sahen in Schwaben Bräu einen sicheren Arbeitgeber mit Aufstiegschancen. Umso mehr traf die Angestellten die Nachricht, dass die Brauerei aus Vaihingen wegziehen sollte. 1996 fusionierte das Unternehmen mit Dinkelacker zur Dinkelacker-Schwaben-Bräu-AG und zog in die Tübinger Straße. Schwaben Bräu hält 25 Prozent der Firmenanteile. „Es hat niemand mehr die Firmengeschichte fortführen wollen“, erklärt Historiker Widmaier. „Heute ist der Name Leicht aus Vaihingen verschwunden.“ Fast alle Mitarbeiter seien an den neuen Standort übernommen worden, einige gingen früher in Rente.

Die Schwabengalerie kommt

Lange Zeit standen die Hallen leer. Um die Jahrtausendwende wurden die verbliebenen Gebäude abgerissen. „Auf der Ebene von der Bachstraße war ein ganz tiefes Loch“, erinnert sich Widmaier. Damals gab es sogar ein Abrissfest mit Kapelle und Bier. 2002 kam mit der Schwabengalerie ein großes Einkaufszentrum an die Stelle von Schwaben Bräu.

„Die älteren Leute kennen das alles, weil sie es noch erlebt haben“, sagt Gerhard Widmaier. „Die jungen Leute kennen die Geschichte von Vaihingen aber gar nicht mehr. Deshalb erzähle ich sie immer wieder gerne.“