Vom Kronprinz gebaut, von Bomben zerstört, von der Politik vergessen, von den Bürgern wiederbelebt, das ist die Historie der Villa Berg im Stuttgarter Osten. Diese wechselhafte Geschichte illustrieren unsere Luftbilder.

Stuttgart - Der Krieg war schon mehr als zehn Jahre vorüber, als im Herbst 1955 die Luftaufnahmen von der Villa Berg , dem Park und der Umgebung gemacht wurden. Und doch sieht man überall noch Spuren der Luftangriffe, die nicht nur die Villa Berg in Trümmer legten, den Nordwestflügel und die Kleine Villa zerstörten, sondern auch viele Häuser im Stadtteil Berg. Entlang der Werderstraße sieht man die Wunden, die die Bomben rissen: Auf vielen Grundstücken stehen nur noch Fundamente.

 

Die Villa Berg war 1853 eingeweiht worden. Kronprinz Karl hatte sie bauen lassen, als „Landhaus“. Architekt war der württembergische Baudirektor Christian Friedrich Leins. Den Park legte Friedrich Neuner an. 1857 trafen sich dort zum „Entrevue de Stuttgart“ der russische Zar Alexander II. und der französische Kaiser Napoleon II. nach dem Krimkrieg in der Villa Berg zu Friedensgesprächen.

Der Adel ging dort ein und aus, dem Volk gewährten die Herrscher nur seltene Einblicke. Karl Büchele, Autor eines Fremdenführers, durfte 1858 in die Villa. Durch die Vorhalle betrat er die Galerie auf der Ostseite, also Richtung Neckar, mit ihren drei Bogenöffnungen auf die Terrasse. Im Süden folgte der Speisesaal, daran schloss das „Caffeezimmer“ an, „grüne Damastmöbel und Geräte aus Malachit gereichen zu einer kostbaren Ausstattung“. Herz der Villa war der zwei Stockwerke hohe Ballsaal, hier sah Büchele mit „reich vergoldeter Bronze gezierte französische Kamine, die Farbe des Saals ist überall glänzendes weiß mit reicher Vergoldung“. Kabinett und Pflanzenzimmer schlossen sich an, im Obergeschoss waren die Wohnräume.

Die Stadt kaufte 1915 das Anwesen

Die Orangerie war das erste Gebäude, das im Park fertiggestellt wurde. Gerühmt wurde sie für ihre Sammlung von Azaleen und Kamelien. Neben der Orangerie ließ Königin Olga die Kleine Villa errichten, dort wohnten von 1880 an Adoptivtochter Wera und ihre Töchter. Im Dritten Reich zog der Bund Deutscher Mädels ein. Im Krieg wurden beide Gebäude zerstört. An ihrer Stelle wurde die Johann-Friedrich-von-Cotta-Schule gebaut, die man gut auf dem aktuellen Luftbild erkennen kann. Nur das Gartenhaus gibt es noch.

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Die Stadt kaufte 1915 das 24 Hektar große Anwesen von den Töchtern von Herzogin Wera für 2,85 Millionen Mark. Zunächst brachte man dort im Ersten Weltkrieg verwundete Soldaten unter. 1925 wurde die Villa dann saniert, sie bekam elektrisches Licht, eine Zentralheizung, neue Küchen und sanitäre Anlagen.

Fortan diente die Villa Berg als städtische Gemäldesammlung. Ein Restaurant und ein Café zogen ein. Hier fand der Empfang zur Eröffnung der Weißenhofsiedlung 1927 statt. Während des Kriegs wurde die Villa getroffen und brannte aus. Der Leiter der Zentrale für den Aufbau der Stadt Stuttgart, Walter Hoss, bemerkte 1948: „Praktisch ist es kaum möglich, die Villa in der Form wieder erstehen zu lassen.“  Die Denkmalschützer nickten dies ab.

Tausch mit dem Rundfunk

Der Süddeutsche Rundfunk (SDR) hatte flugs begonnen, sich das Gelände anzueignen. 1949 tauschte die Stadt die Villa Berg gegen die Karlshöhe, die im Besitz des Rundfunks war. In der Villa entstand ein Sendesaal mit 300 Sitzplätzen, im Park baute der Sender Fernsehstudios und ein Hörfunkgebäude, den Gutbrodbau. Auf dem Foto von 1955 sind diese noch nicht zu sehen.   Dafür  kann  man  die   Ost-Allee erkennen, die einem Spielplatz und neuen Wegen weichen musste. Man findet auch die mittlerweile abgerissene Frauenklinik. Dass das Rondell eines Zirkuses zu sehen ist, ließ Ulrich Gohl keine Ruhe. Der Stadtteilhistoriker forschte und fand heraus, dass es sich um den Winterbau des Zirkus’ Althoff handelt. Erbaut von der Maschinenfabrik Esslingen und eröffnet 1947. Er wurde am 12. März 1956 demontiert und als Zirkusgebäude nach Leipzig verkauft. Dort brannte das Gebäude 1992 ab.

Suche nach neuer Nutzung

2007 verkaufte der SWR schließlich die Villa Berg. Sie landete im Besitz des Projektentwicklers PDI. Er wollte Wohnungen statt der Fernsehstudios bauen, ein Varieté sollte in die Villa einziehen. Dank der Proteste der Bürger wurde der Stuttgarter Gemeinderat aktiv, er weigerte sich, das Baurecht zu ändern. Die Stadt kaufte die Villa. Die Bürger durften ihre Wünsche äußern. Und sind nun außen vor:  Stadt  und Gemeinderat sinnen darüber nach, wie man das Gebäude künftig nutzt.

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