Mehr als 10.200 Anwohner haben schon einen Parkausweis. Plötzlich gibt es freie Plätze im Stuttgarter Westen. Doch wo sind all die Autos abgeblieben?

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Das ist im Westen was Neues: in sonst von Parkplatzsuchenden heiß umkämpften Straßenzügen herrscht Ruhe. Wo man auch hinkurvt: in der Ludwigstraße, in der Seyfferstraße oder entlang der Rotenwaldstraße und rund um den Feuersee hat der Kraftfahrer freie Platzwahl – solange er sich mit Parkschein, Anwohnerparkausweis oder Ausnahmegenehmigung legitimieren kann.

 

Denn seit Dienstag gilt zwischen Rotebühlplatz und Vogelsang, von Hölderlinplatz bis zum Schwabtunnel: wer hier wohnt, hat Vorrang und bekommt einen Anwohnerparkausweis. Besucher und Pendler können an Automaten Parkscheine lösen, für Berufsgruppen wie Handwerker oder soziale Dienste gibt es Ausnahmen. Das Ziel ist, den ständigen Mangel an Parkplätzen zu beenden.

Es scheint zu funktionieren. „Wir hatten ja mit viel gerechnet, aber damit nicht“, sagt Joachim Elser, der Leiter der Stuttgarter Verkehrsüberwachung über den Zustand der Straßen am Tag eins des Parkraummanagements für den Westen. Mit dem Ordnungsbürgermeister Martin Schairer und dessen Referenten Hermann Karpf machte er einen Rundgang, um die Wirkung zu begutachten.

Am Anfang gibt es nur Verwarnungen

Als „alter Westler“ erlebe er den Stadtteil ganz neu, in dem er aufgewachsen ist, meint der Bürgermeister: „Schauen Sie nur, die Johannesstraße haben Sie so noch nie gesehen, eine wahre Avenue ist das jetzt“, schwärmt er, als er beim Feuersee um die Ecke biegt. Vor lauter Begeisterung kann er es auch verkraften, dass der Bilderbuchstart des Parkraummanagements ein paar kleine Schönheitsfehler hat. Die Klebestreifen auf den Hinweisschildern, die Uhrzeiten und Parkzone deklarieren, sind noch nicht entfernt. „Mittwoch früh müssen die weg sein“, klärt der Bürgermeister mit dem Leiter der Verkehrsüberwachung. Denn mit dem Streifen sind die Schilder ungültig.

Auf die Ahndung von Verstößen hat dieser kleine Makel aber noch keinen Einfluss. „Wir sind in den ersten Tagen kulant“, sagt Joachim Elser. Zwar sind am ersten Tag 24 Kontrolleure eingeteilt, um das Parken zu überwachen. „Wir verwarnen aber zunächst nur“, sagt Elser.

Zum Beispiel einen Pendler aus Waiblingen, der zwar brav einen Tagesparkschein gelöst hat, aber seinen Wagen einfach auf dem Gehweg abgestellt hat. Früher kein seltenes Bild im Westen, wo nachts an Kreuzungen vier- bis sechsreihig geparkt wurde. „Aber gleich gegenüber ist ein Parkplatz, und auf dem Gehweg hat er nichts verloren“, sagt Elser.

Stadt will 4,5 Millionen mit Parkscheinen und Strafzettel einnehmen

Für jeden Falschparker, der auf dem Gehweg oder sonst irgendwie verboten steht, finden die drei Herren sofort eine freie Parklücke in unmittelbarer Nähe. „Aber wo nur sind all die Autos hin?“, fragt sich der Bürgermeister Martin Schairer. Noch gibt es darauf keine Antwort. Auch beim Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) weiß man noch nicht, ob viele Pendler auf die öffentlichen Verkehrsmittel umgestiegen sind. „Wir haben die Zahlen noch nicht“, sagt eine Sprecherin des VVS.

Der Härtetest kommt, wenn es dunkel wird, wenn alle Westler nach Hause kommen und in ihrer Straße parken wollen. In der Nacht zum 1. März hatte die Veränderung begonnen, an den Rändern der Parkzonen blieben Plätze frei. „Wie sich das entwickelt, wird die Zeit zeigen. Vielleicht wird noch nachjustiert. Es ist ein lernendes System“, sagt der Ordnungsbürgermeister.

Das System soll sich auch rechnen: 4,5 Millionen will die Stadt pro Jahr durch Parkscheine und Strafzettel einnehmen, rund 2,5 Millionen gibt sie für das Parkraummanagement aus. Da noch nicht alle Bewohner einen Parkausweis haben, legt das Bürgerbüro am Samstag eine Sonderschicht von 8.30 bis 13 Uhr ein. Mehr als 10.200 Ausweise sind bereits ausgegeben.