Bei einem Konzert in St. Fidelis werden zum Werk des Komponisten Olivier Messiaen Glasmalereien von Hans Gottfried von Stockhausen gezeigt.

S-West - Draußen läuten die Glocken und aus der Sakristei klingt Violinenspiel in das Kirchenschiff. Rund fünfzig Konzertgäste sind gekommen. Kantor Tobias Wittmann und Initiator der musikalischen Reihe KlangRaum kümmert sich noch um ein paar letzte organisatorische Kniffe. Denn der Abend wartet neben Messiaens bekanntem Werk auch noch mit einer anderen Besonderheit auf: Während des Konzerts werden ausgewählte Glasmalereien des Künstlers Hans Gottfried von Stockhausen projiziert.

 

Vom Ende allen Lebens

Die Geschichte zu dem wohl bekanntesten Werk von Messiaen ist nicht weniger rührend, nicht weniger bewegend als das Stück selbst: Man ließ ihn im Waschraum proben und in einer zur Kirche umgebauten Baracke komponieren. Das Notenpapier bekam er von einem deutschen Hauptmann. Und dann, am 15. Januar 1941, ein eisiger Wintertag, kam das Werk „Quatuor pour la fin du temps“ von Olivier Messiaen zur Aufführung. In einem Görlitzer Kriegsgefangenenlager. Messiaen bediente sich bei der Komposition an dem, was ihm an Musikern zur Verfügung stand: einem Geiger, einem Klarinettisten, einem Cello-Spieler. Das Klavier spielte Messiaen selbst. Bei der Aufführung im kalten Januar 1941 waren die Musiker umgeben von vierhundert Franzosen, aber auch die deutsche Lagerleitung war zugegen. In seinem Werk beschäftigt sich Messiaen mit dem Ende allen Lebens, mit der Apokalypse, mit dem Jenseits. Große Begriffe, denen sich Messiaens feinfühlig, zärtlich, sensibel nähert. Der Komponist meinte später über den Abend: „Niemals wieder wurde mit solcher Aufmerksamkeit und solchem Verständnis zugehört“.

Auch der Künstler Stockhausen gelangte während des Zweiten Weltkriegs in Kriegsgefangenschaft. Danach studierte er in Stuttgart Glasmalerei. Unter seinem Einfluss ist „Stuttgarter Glas“ zu einem international anerkannten Begriff geworden. Kantor Wittmann erklärt an dem Samstagabend in der Kirche St. Fidelis, dass Messiaens Synästhetiker war – Töne zeigten sich ihm in Farben. „Und so leuchtet und strahlt auch seine Musik wie von einer anderen Welt“, sagt Wittmann zu dem Werk.

Abgrund der Vögel

Die vier Musiker des Ensemble Messiaen schaffen im Zusammenspiel mit Stockhausens von biblischer Mystik inspirierter Glasmalerei einen rundum atmosphärischen Abend. Die Musik atmet, flirrt, sie rast. Sie ist wild und zart. Atemberaubend ist das Klarinettensolo „Abgrund der Vögel“ von Rupert Wachter. Er schafft eine Intensität, der man nicht entkommt. Er und seine Kollegen – Violinist Markus Däunert, Julian Arp am Violoncello und Klavierspielerin Isabel von Bernstorff – zaubern. In Verbindung mit Stockhausens wirbelnder, mal floraler, mal sakraler Malerei entführen sie in eine andere Welt. Das Kirchenschiff als verstärkender Klangkörper bringt die Musik Messiaens zum Leuchten, während Stockhausens Bilder wie leuchtende Gloriole über dem Quartett strahlen. „All dies bleibt Versuch und Stammeln, wenn man die erdrückende Größe des Themas bedenkt“, sagte Messiaens zu seinem Werk. Ein herrlicher, geglückter Versuch. Ein herrlicher, geglückter Abend.

Am 1. Januar 2017 lädt Kantor Wittmann im Rahmen der Veranstaltungsreihe zum Neujahrskonzert mit Trompete, Posaune und Orgel ein. Am 27. Januar zu dem Konzert „Himmelssphären – Klänge aus dem Kosmos“, Musik für Chor und Glasharfe. Karten sind noch erhältlich.