Die Laden-Gemeinschaft in der Bio-Markthalle muss raus, weil sie die Mieten des neuen Besitzers nicht bezahlen kann. Nun ist sie auf der Suche nach neuen Räumen – auch in anderen Stadtbezirken.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-West - Die Bio-Markthalle am Vogelsang wird spätestens im Frühjahr nächsten Jahres ihre Pforten schließen. Aller Voraussicht nach werden die jetzigen Mieter durch einen Vollsortimenter ersetzt. Die Mieter sind daher auf der Suche nach einer neuen Bleibe, und am liebsten würden sie als Verbund verschiedener Läden zusammen bleiben. Der neue Besitzer der Markthalle, die Immobilienfirma Pflugfelder, hatte der Raumgebergesellschaft gekündigt, zu der Marktladen gehört, der Waschbär-Laden, die Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, das Backerei-Café und die Buchhandlung von Marie-Luise Zeuch.

 

Die Verhandlungen mit der Firma Pflugfelder über einen neuen Mietvertrag seien gescheitert, berichtet Hans-Udo Zöller, der Geschäftsführer des Handelskontors Willmann, das die Raumgebergesellschaft verwaltet und den Marktladen betreibt. Die Mietvorstellungen des neuen Besitzers lägen um 50 Prozent über dem Preis, den die Mieter bisher an die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) bezahlt hätten. Pflugfelders „Zielgröße“ seien 20 Euro pro Quadratmeter. Selbst mit dem überarbeiteten Konzept, das die Ladengemeischaft erarbeitet habe, würden die Einnahmen nicht derart gesteigert, dass man sich eine solche Miete leisten könne. „Wir sind immer noch mit den Mietern im Gespräch“, heißt es indessen bei der Firma Pflugfelder.

Eigentlich sollten in der Markthalle bereits Ende Februar die Lichter ausgehen. Hans-Udo Zöller ist aber zuversichtlich, dass man noch bis Mai bleiben darf. Die Firma Pflugfelder zeige sich kulant. Der zweite Mieter der Halle, das Restaurant Lässig, hat bereits ein Ausweichquartier gefunden und wird Ende Februar in das ehemalige Kulturcafé Gant in der Gerokstraße im Osten einziehen. Für die übrigen Mieter gestaltet sich die Suche schwierig. Momentan, so Hans-Udo Zöller weiter, sei man zwar im Gespräch wegen einer Location unweit der Markthalle. Allerdings würden dort nicht alle bisherigen Läden unterkommen, weshalb man parallel weitersuche – auch in anderen Stadtbezirken.

Gewinn ist Nebensache

Am bisherigen Konzept will der Geschäftsführer des Handelskontors festhalten. Der Projektleiter Thomas Wirth spricht von „solidarwirtschaftlicher Zusammenarbeit“ und beschreibt die Idee in einem Infoschreiben, das dieser Tage an die Kundschaft ausgegeben wurde: „Von Anfang an gehörte zu unseren Zielen, dem neuen Kulturort, zusammen mit den aktiven Partnern in der Bio-Markthalle und der SSB, ins Leben zu verhelfen und langfristig Kultur und Natur, Konsumenten und Bio-Erzeuger, Stadt und Land sinnvoll zu verbinden.“ Man wolle, so Geschäftsführer Zöller, „dem Gemeinwohl dienen. Wir machen das nicht aus Erwerbsinteresse. Geld verdient man woanders“. So wundert nicht, dass die öfters erhobene Kritik, die Markthalle wirtschafte nicht effizient genug und die Kundenfrequenz sei zu mager, an Zöllner und seinen Mitstreitern abperlt.

Seit publik geworden ist, dass die Markthalle schließen wird, regt sich Protest im Internet-Netzwerk Facebook, wo sich dieser Tage die Gruppe „Rettet die Markthalle am Vogelsang!“ gründete. Auch im Bezirksbeirat West hat sich eine Koalition formiert, die für den Erhalt der Markthalle eintritt. Bezirksvorsteher Reinhard Möhrle beklagt ebenfalls die „bedauerliche Entwicklung“ am Vogelsang. In der jüngsten Bezirksbeiratssitzung legten SÖS/Linke-plus und die Grünen einen entsprechenden Antrag vor. Darin wird gefordert, dass die Stadtverwaltung ausloten solle, wie die bisherige Nutzungsmischung erhalten werden könnte. Außerdem soll untersucht werden, welche Auswirkungen ein Vollsortimenter auf den Verkehr und auf den Bonus-Markt vis à vis der Markthalle haben würde.

Enttäuscht von der SSB

Beim Handelskontor ist man verärgert über den alten Vermieter, die SSB. Man habe sich seinerzeit mit dem städtischen Unternehmen auf eine langfristige Nutzung mit besagtem Konzept verständigt, berichtet Hans-Udo Zöller. Die Mietverträge hatten eine Laufzeit von fünf Jahren – bis 2014, da war es bloß noch ein Jahr. Über einen bevorstehenden Verkauf der Halle sei man nicht informiert worden. „Dabei hatten wir doch mit der SSB ein langfristiges Projekt vereinbart“, empört sich der Geschäftsführer vom Handelskontor. „So geht man nicht mit Partnern um.“ Hans-Udo Zöller will auch nicht einleuchten, weshalb das städtische Unternehmen 2015 die Halle überhaupt verkauft hat. Seiner Ansicht nach hätte es gereicht, wenn lediglich das Gelände hinter der Halle veräußert worden wäre. Dort will Pflugfelder 40 Wohnungen errichten.

Für die SSB stellt sich die Sache anders dar. „Mit einer Teilliegenschaft hätten wir ja nichts anfangen können“, sagt der Sprecher Hans-Joachim Knupfer. Außerdem sei die Stadt federführend dabei gewesen, was die künftige Nutzung des Areals angeht. Und auch ihre Zusagen in Sachen Langfristigkeit habe die SSB gehalten. „Wir haben vertraglich alles erfüllt“, sagt Knupfer.