Suchterkrankungen spielen bei niedergelassenen Ärzten kaum eine Rolle. Doch der Hausarzt sollte rauchende und trinkende Patienten im Blick haben, bevor sie krank werden.

Stuttgart - Suchterkrankungen werden in der allgemeinen Medizin eher als Stiefkind behandelt. Dies betonten alle Referenten beim Symposium „Suchtmedizin“ beim Stuttgarter Ärztekongress. Die Behandlung dieser Leiden und ihrer Folgeerscheinungen ist mühsam, zeitaufreibend, oft frustrierend und kann mit den Krankenkassen nicht entsprechend abgerechnet werden. Beim chronischen Missbrauch von Alkohol beispielsweise ist der Rückfall nach einer stationären oder ambulanten Therapie vorprogrammiert. „Die Krankheit kehrt immer wieder zurück, meist über viele Jahre hinweg. Immer wieder muss der Alkoholiker zum Entgiften. Suchterkrankungen sind von Natur aus Rückfallkrankheiten“, erklärte Albrecht Ulmer, der in Stuttgart seit Jahrzehnten zahlreiche Alkoholiker behandelt. Der Mediziner bietet in seiner Praxis den ambulanten Entzug an. Im Gegensatz zur stationären Entgiftung habe dies den Vorteil, dass die ambulante Behandlung in den Alltag integriert werden können, sowohl beruflich als auch privat. Zudem würde somit kein Sonderstatus geschaffen und der Patient habe die Chance auf regelmäßige Gespräche mit dem Arzt seines Vertrauens.

 

Der Patient kommt bei dieser Art des ambulanten Entzugs fünfmal in die Praxis an insgesamt acht Tagen. Die Medikamente, die er zur Entgiftung braucht, bekommt er abgezählt in der Apotheke, der Bedarf reicht nur bis zum nächsten Arztbesuch und die Einnahme erfolgt nach einem schriftlichen Plan, den der behandelnde Arzt erstellt hat. Für den Notfall bekommen die Patienten die privaten Telefonnummern von Ulmer oder seinen behandelnden Kollegen oder einem Notrufdienst. „Die Abbruchquote liegt bei etwa fünf Prozent. Die meisten schaffen diesen ambulanten Entzug und er findet hohe Zustimmung bei den Patienten“, so Ulmer.

Medikamente helfen beim Entzug

„Bei der Behandlung von Alkoholmissbrauch muss es darum gehen, wie der Betroffene mit dieser Erkrankung leben kann – ähnlich wie bei chronischen Erkrankungen“, meinte der Stuttgarter Fachmann. Und ähnlich wie bei chronischen Krankheiten setzt er auf Medikamente, welche bei der Abstinenz helfen können. Er stelle die Krankheit etwa mit Dihydrcodein, Buprenorphin oder auch Clomethiazol ein. Bei seinen Patienten hat er gute Erfahrungen damit gemacht – wobei die Behandlung von der Krankenkasse nicht bezahlt wird. Allerdings, so betonte Ulmer, sei etwa die Therapie mit Dihydrocodein billiger als der Alkoholkonsum, den die Patienten zuvor hatten. Ulmer berichtete von seinen Erfahrungen mit einigen wenigen Patienten und hofft, dass derartige Beispiel und Erfahrungen im niedergelassenen Bereich auch von den Forschungseinrichtungen und Universitäten wahrgenommen und in Studien umgesetzt werden könnten: „Studienergebnisse und neue Therapieansätze kommen immer nur aus den Forschungslabors zu den praktizierenden Ärzten. Ein Austausch auch in umgekehrter Richtung wäre wünschenswert und gewinnbringend“, sagte der Stuttgarter Mediziner.

Noch weniger als der Alkoholmissbrauch ist Rauchen ein Thema beim Hausarzt. „Das Rauchverhalten wird im Praxisalltag viel zu selten angesprochen“, berichtete der Stuttgarter Pneumologe Alexander Rupp von der Praxis Raucherberatung und Tabakentwöhnung. Angesichts der vielen Folgeerkrankung durch das Rauchen sei dies fatal. Doch den Ärzten fehlt die Zeit für ein Gespräch mit dem rauchenden Patienten, das zudem nicht vergütet werden würde. Zudem, so geben viele niedergelassene Ärzte an, fehle die eigene Qualifikation. Dabei könne ein Gespräch, das auch nur drei bis fünf Minuten dauere, bei den Rauchern auf fruchtbaren Boden fallen. Schließlich wisse jeder, wie schädlich das Rauchen sei, sagte Rupp. Der Großteil der Rauchenden sei zudem unzufrieden mit dem eigenen Rauchverhalten und würde prinzipiell gerne aufhören oder zumindest reduzieren. Doch dafür brauche der Süchtige Hilfe: „Aufhörversuche ohne jede Unterstützung führt nur bei drei bis fünf Prozent der Rauchenden zum Erfolg“, weiß der Lungenfacharzt.

Gewohnheit durchbrechen

Rauchen ist nicht nur eine Sucht bedingt durch das Suchtmittel Nikotin. Rauchen ist zudem eine schlechte, aber sehr gut gelernte Gewohnheit. Diese Gewohnheit zu durchbrechen, könne sehr anstrengend werden: Wenn man beispielsweise immer raucht, wenn man einen Kaffee oder ein Bier trinkt oder Stress im Büro hat. Der Griff zur Zigarette, dieses antrainierte Verhalten, sei schwierig wieder abzutrainieren. „In einer Verhaltenstherapie kann dies thematisiert und verändert werden“, so Rupp. Die körperlichen Entzugserscheinungen der ersten Wochen könne man mit medikamentöser Unterstützung, wie etwa Nikotinersatzprodukten, in den Griff bekommen. Studien hätten ergeben, dass die Verhaltenstherapie zusammen mit der Medikamentengabe für viele Raucher den Weg in eine rauchfreie Zukunft bereiteten.