Die Spendenaktion „Fahrräder für Flüchtlinge“ ist ein Erfolg: Stuttgarter geben Zweiräder her, die dann an Flüchtlinge verteilte werden. Die Aktion läuft so gut, dass die Stiftung Geißstraße fast vor einem organisatorischen Problem steht.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Das Symbol steht in der Mitte des Sitzungssaals: ein Fahrrad. Tanja Breitenbücher wird es nachher irgendwie aus dem dritten Stock des Rathauses und an einen sicheren Abstellplatz schaffen müssen. Die junge Frau ist für die Stiftung Geißstraße hier, um dem Bezirksbeirat zu berichten, wie sich die Aktion „Fahrräder für Flüchtlinge“ entwickelt. Die ist, was ihr Titel ahnen lässt: Die Stiftung bittet die Stuttgarter, Fahrräder zu spenden, damit Flüchtlinge umweltfreundlich von A nach B gelangen.

 

Die Bürger spenden tatsächlich, mehr als 300 Fahrräder bisher, und bei weitem nicht nur Alteisen. Der unerwartete Erfolg ist für die Stiftung sogar zum Problem geworden, organisatorisch und finanziell. Jenes Symbol ist eigentlich zu schade, zumindest für Sammler auch zu wertvoll, um als schnödes Fortbewegungsmittel im Alltag zu dienen. Die mindestens in der Stadtmitte bekannte Franziskanerschwester Margret hat es gespendet. Das Rad könnte statt im Rathaus auch in einem Museum stehen. Zusammengeschraubt wurde es im Jahr 1923 – und ist noch immer fahrbereit.

Wertvolle Stücke verkauft die Stiftung lieber

Wertvolle Stücke wie dieses will die Stiftung lieber verkaufen als weitervermitteln. Das Problem aber ist der Spendenzweck. Wer sein Fahrrad zur Verfügung stellt, bekommt selbstverständlich versichert, dass es einem Flüchtling übergeben und nicht anderweitig verwertet wird. Vor einem Verkauf „fragen wir natürlich bei jedem Spender nach, ob er einverstanden ist“, sagt Breitenbücher. Wie bei einer zweiten Rarität, einem Klapprad, für das Sammler bis zu 1000 Euro zahlen.

Die Einnahmen kommen wiederum der Aktion zu Gute. Die hat nicht nur Sachspenden nötig, sondern auch Geld. Die Räder werden vor der Weitergabe gewartet. Das erledigen Mitarbeiter der Arbeitslosenhilfe Neue Arbeit. Außerdem bekommen die Empfänger ein Schloss und einen Helm obendrein. Das macht nach bisheriger Kalkulation alles in allem Kosten von 35 Euro pro Rad. 4500 Euro haben zwei Stiftungen für die Aktion gespendet. „Aber das reicht natürlich nicht“, sagt Breitenbücher – natürlich, weil sich die 35 Euro Kosten für jedes bisher gespendete Rad schon jetzt auf mehr als 10 000 Euro summieren. Verteilt werden die Räder nach und nach, in kleinen Stückzahlen und möglichst öffentlichkeitswirksam, wie zuletzt bei einer Aktion vor ein paar Tagen am Hans-im-Glück-Brunnen.

Das Fernsehen hat über eine Übergabe berichtet

Die Flüchtlinge empfinden die Gabe nicht als eine milde, sondern als das, was sie sein soll: ein freundliches Willkommen für einen praktischen Zweck. Breitenbücher erzählt von einem Mann, der gesagt hat, er sei jetzt reich – in seiner Heimat Nordkorea gelte der Besitz eines Fahrrades tatsächlich als Luxus. Die Bezirksbeiräte wollen wissen, ob die Spenden womöglich unter der Hand verkauft werden könnten. Das können sie nicht, denn die Stiftung registriert die neuen Besitzer.

Dass die Lokalpolitiker die Aktion ansonsten wohlwollend kommentieren, ist geradezu selbstverständlich. Aber sie ist auch weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt – jedenfalls bei an Nachrichten interessierten Fernsehzuschauern. Das Heute-Journal des ZDF hat der Übergabe einer ersten Charge einen zweiminütigen Beitrag gewidmet, mit Bildern von zufriedenen Spendern und glücklichen Spendenempfängern. Dass bei den Mainzern Stuttgart erwähnt wird, ist ohnehin selten, noch seltener mit derart freundlichem Moderatoren-Kommentar: „Die Geste tut gut – Stuttgart zieht an einem Strang.“