Dexter gilt als einer der besten deutschen Beatmaker - auf seinem zehnten Album "Haare nice, Socken fly" rappt er jetzt selbst. Diesen Samstag feiert er die Releaseparty im Freund & Kupferstecher. 

Stuttgart - In der Woche nach dem Westallee-Festival spürt man rund um den Lerchenplatz wenig davon, dass an dieser Kreuzung erst kürzlich ein stark besuchtes Straßenfest stattfand. Ziemlich ruhig und idyllisch hier. Vor dem Arbeitsgericht treffen vereinzelt Anwälte ihre Klientel zur kurzen Fallbesprechung. Das Café Stöckle verteidigt mühelos seine sagenumwobene bester-Kuchen-im-Westen-Position.

 

Pünktlich um 10:30 Uhr schlendert Felix Göppel um die Ecke, etwas durch den Wind, wie er meint, immerhin hat er Nachtdienst gehabt und nicht geschlafen.

Felix Göppel, die Geschichte wurde schon öfters erzählt, ist Kinderarzt. Felix Göppel nennt sich aber auch Dexter und ist Deutschlands profiliertester Beat-Lieferant, die er nicht nur an sich selbst ausliefert, sondern an die gesamte deutsche Underground- und Mainstream-Rap-Spitze. Oder inkludiert in Projekten wie den Betty Ford Boys. In seiner Wohnung stehen dank Beats für Cro oder Casper Edelmetall-Schallplatten. Das universelle Musikgedächtnis Discogs.com hat bei Dexters Profil allein unter dem Menüpunkt „Production“ 65 Vermerke angelegt, sowie zehn eigene Alben.

Und genau wegen dem zehnten Album, das kürzlich erschienen ist und die Releaseparty an diesem Wochenende gefeiert wird, zuerst auf der Minigolfanlage Uhlandshöhe und danach im Freund & Kupferstecher am Berliner Platz, sitzen wir nun am Café Stöckle (Dexter bestellt schwäbischen Apfelkuchen). Der Titel „Haare nice, Socken fly“ (grobblöd übersetzt „du hast die Haare schön und geile Socken an“) ist jetzt schon das neue „läuft“. Der große Unterschied zu seinen Vorgänger-Werken: Dexter rappt jetzt auch.

Wobei „auch“ nicht ganz richtig ist. Der Beatmaker Dexter wurde zwar im Laufe seiner Karriere bislang nicht als MC wahrgenommen. Als er aber mit seinen Schulfreunden in die HipHop-Szene reinrutschte, „haben wir alles gemacht“, erzählt Dexter, also Rappen, Texte schreiben, Sprühen: die klassische HipHop-Grundausbildung. „Die habe ich sozusagen noch mitgemacht, ja, außer Breakdance.“

Eines Tages war Dexter in seiner Crew der mit dem PC zuhause und da seine Eltern „lautstärkemässig sehr tolerant waren“ - sein Vater ist selbst Musiker - hat man sich eben bei Göppels zur Session getroffen. Dexter fuchste sich immer tiefer in das Produzieren rein. Reinfuchsen ist allgemein ziemlich Dexter. Zwischenzeitlich beherrscht er auch Videoschnitt und dreht seine eigenen Clips. Ein 100-Prozenter, dieser Dexy.

Der Rapper steckt in ihm 

Als dann seine Beats immer bekannter und beliebter wurden, „war ich keine Rapper mehr“, zumindest in der Wahrnehmung der HipHop-Öffentlichkeit, „aber das war immer in mir drin.“ Was Dexy auf einem Vorgänger-Album „Palmen und Freunde“ schon dezent rappend angedeutet hat, dass da etwas in ihm steckt, „hatte ich jetzt Bock, so ein Album zu machen“, erklärt der 34-jährige mit dem unersättlichen Schaffensdrang.

Da dieser „nice dude“, wie man Menschen wie Dexter gerne nennt, so viel zu erzählen hat, vergisst man während des Gesprächs völlig die Frage zu stellen: Wie machst du das eigentlich alles? Zumindest hat er seinen Arzt-Job seit ein, zwei Jahren etwas zurückgefahren, er hätte ja doch einige Auftritte und das sei alles mit noch mehr Spaß verdientes Geld. Logisch.

Auftritte, gutes Stichwort: Als DJ kann man sich hinter einem Laptop verbarrikadieren oder in der Plattenkiste wühlen, als Rapper steht man immer an der Front. Ist das überhaupt sein Ding? „Das macht in dem Moment auf der Bühne schon Spaß und ist auch cool“, meint er, aber „ich tu mich damit noch schwer.“ Vor seinem Auftritt beim diesjährigen Splash-Festival, der HipHop-Leistungsschau schlechthin in Deutschland, sei er so „krass aufgeregt“ gewesen wie noch nie zuvor. Ging aber ohne Probe und lediglich einer einstündigen Vorbesprechung mit seinen Gast-MCs alles gut.

„Man ist so ein bisschen angreifbar, das mag ich daran nicht so.“ Wenn er auf der der Bühne merkt, dass jemand nicht zufrieden ist mit seiner Show oder vielleicht einen blöden Spruch ablässt, würde es in dem Moment nerven, weil: „Ich bin ein krass harmoniebedürftiger Mensch.“

Dexter ist ein guter Texter

Das glaubt man dem wohltuenden Zeitgenossen sofort, gerade auch wenn man seine Texte auf „Haare nice, Socken fly“ hört. Bei Dexter findet man kein Hate, kein Gedisse und wenn, dann immer mit (Selbst)Ironie und Witz verpackt. Tiefgründige politische Texte sucht dagegen man vergeblich. Dexter kennt da seine Stärken, presst seine Lebenswelt humorvoll und mit der Narrenfreiheit eines Nicht-Rappers auf das Album („fahre jetzt VW-Caddy, früher war es Polo“). Dexter ist ein guter Texter. Seine eigenen Beats inspirieren ihn dazu. „Was kann man rhythmisch drauf rappen, was für ein Flow passt? Ich ordne den Inhalt manchmal sogar dem Flow unter.“

Dexter rappt im Zeitgeist-Stil, wie man ihn von der Cloud-Trap-Bewegung kennt: mehr Halbsätze, viele Pausen. Das macht ihm alles sehr viel Spaß, gerade auch die Verwendung von sogenannten Adlibs, bruchstückhafte Einwände, welche die Zeile in einen anderen Kontext drückt: „Mache keinen Backspin / und auch keine Juice“. Anmerkung der Redaktion: Backspin ist eine Breakdance-Figur, aber auch ein HipHop-Magazin genauso wie wie die Juice.

Der Sound: westcoastig, wavy

„Das Album sollte positiv und sommerlich sein, ich bin kein Winterfreund, das Soundbild westcoastig“, oder eben „wavy“, wie schon der Songtitel „Ich bin wavy“ die Richtung vorgibt. HipHop 2017 nennt er es auch. Und: „Ich bin jemand, der sein Leben immer genießt, ich bin zufrieden und dankbar.“ Das weiß Felix Göppel noch mehr zu schätzen, seit ihn 2016 ein „krasser gesundheitlicher Dämpfer“ ereilte. Mehr sagt er dazu nicht, nur dass jetzt sei wieder alles cool sei. Eben Haare nice, Socken fly.

Das Rap-Album sei nun für ihn erst einmal abgeschlossen, auch wenn er mit DJ Tereza auf kleine Tour gehen wird, „acht Shows, in den A-Städten, das reicht dann auch.“ Und sowieso hätte er jetzt wieder Bock, Beats zu machen. Dexter hat aber keine Lust sich zu positionieren und schließt nicht aus, irgendwann weiter zu rappen. Außerdem steht mit den Betty Ford Boys, eine Beatmaker-Supergroup aus Suff Daddy, Brenk Sinatra und Dexy, das dritte Album an. Für die Produktion will man sich demnächst auf eine Hütte einschließen.

Doch vor der Arbeit das Vergnügen: Diesen Samstag darf sich Dexter zurecht bei seiner Releaseparty feiern lassen. Erst gemütlich auf der Minigolfanlage Uhlandshöhe bei Beats und Radler, danach zieht der Trupp ins Kupferstecher, seinen Lieblingsladen. „Ich finde, das Kupfi macht für diese Art von Musikkultur mehr als jeder andere Club in Stuttgart. Die wagen etwas und die Leute wissen es zu schätzen.“ Genauso werden die Leute es am kommenden Samstag zu schätzen wissen, wen alles Dexter auf der Bühne empfangen wird. Das ist geheim, nur so viel: Im Laufe des Abends werden die Haare wohl nicht mehr ganz nice sein tun (Money Boy-Voice). Dabei gilt aber immer, was Dexters zweijähriger Sohn auf Intro seines Albums sagt: „Papa ist der beste Rapper.“

Dexter „Haare nice, Socken fly“ (WSP) ist bereits in verschiedenen Formaten (LP, CD, Digital) erschienen. Die Releaseparty steigt am Samstag, 29.07. von 18:00 bis 22:00 auf der Minigolfanlage Uhlandshöhe und ab 23:00 Uhr im Freund & Kupferstecher. Facebook: www.facebook.com/DiggiDexter

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