Das künftige Rosensteinquartier auf den Stuttgart-21-Flächen soll der Gegenentwurf zum Europaviertel werden: eine bunte Gegend mit kleinteiliger Bebauung. So wollen es die Bürger.

Stuttgart - Bei der Bürgerbeteiligung für das geplante Rosensteinviertel ist acht Monate nach dem Auftakt ein Schlusspunkt gesetzt, zumindest ein vorläufiger. Am Dienstagabend hat das Forum Rosenstein, in dem Interessengruppen über die Entwicklung der Stuttgart-21-Flächen nachgedacht hatten, die Ergebnisse erörtert. „Die Bürger haben einen Gegenentwurf zum Europaviertel herausgearbeitet und dem Bauen mit dem Taschenrechner eine klare Absage erteilt“, bilanzierte OB Fritz Kuhn (Grüne) anlässlich der Abschlusssitzung des Forums.

 

Auf dem Rest der rund 85 Hektar Gleisfläche, die infolge des Tiefbahnhofs für andere Nutzungen frei wird, wünschen sich die Bürger tatsächlich deutlich andere Verhältnisse als auf der A-1-Fläche zwischen Landesbank und Wolframstraße: Jetzt solle es abwechslungsreiche und kleinteilige Bebauung geben, keine einseitigen Strukturen. Gewünscht wird ein Viertel mit hoher Lebens- und Aufenthaltsqualität, mit flexibel für unterschiedliche Gruppen nutzbaren Flächen, mit einem Bevölkerungsmix aus Gruppen jedweden Alters, jedweder sozialen Herkunft und aus Arm und Reich. Außerdem streben die Bürger eine Mischung aus Wohnen, Arbeiten und Freizeit an. Gewünscht ist ein Wohlfühlviertel mit Versorgungsmöglichkeiten und Ausgehzielen für alle Stuttgarter, auch mit einem breiten Sport- und Kulturangebot. Auf der Wunschliste stehen auch Gärten für den Anbau von Obst und Gemüse, die Erhaltung von Frischluftschneisen und Sichtachsen sowie beste Verkehrsanbindungen und Voraussetzungen für einen zeitgemäßen Radverkehr. Außerdem wurden „natürliche und naturnahe Wasser- und Badeerlebnisse“ thematisiert. Kinder pochten auf Schwimmmöglichkeiten zu jeder Jahreszeit, zudem auf abwechslungsreiche Spielflächen, Platz zum Lärmen und – eine Eisdiele.

Das Bedürfnis nach bezahlbarem Wohnraum ist immens

Den Bürgern sei es „außerordentlich wichtig, dass am Rosenstein in erheblichem Maße Wohnraum geschaffen wird“, formulierten Mitarbeiter der Berliner Mediator GmbH, die von der Stadt mit der Vorbereitung, Umsetzung und Nachbereitung der gesamten Bürgerbeteiligung beauftragt worden war. Die Wohnformen sollten den jeweiligen Bedürfnissen flexibel angepasst werden können. Für viele Beteiligte ist das Verhältnis von sozialem und gefördertem Wohnungsbau zu frei finanziertem Wohnungsbau der wichtigste Gradmesser dafür, wie ernst die Stadt das Bedürfnis nach bezahlbaren Wohnungen nehme.

Bauliche Dichte und Begegnungsmöglichkeiten im harmonischen Miteinander waren erwünscht, aber auch Überschaubarkeit des Wohnumfelds und Rückzugsmöglichkeiten. Viele Beteiligte befürchteten, das Bedürfnis nach Kleinteiligkeit der Gebäude und guter Gestaltung der Erdgeschossflächen könnte auf der Strecke bleiben – weil sich womöglich große Investoren und monetäre Kriterien durchsetzen.

Ob der Gleisbogen erhalten wird, ist noch offen

Die Bürger wollen auch geprüft haben, ob bekannte und identitätsstiftende Bauten wie der Gleisbogen erhalten werden können. Diese Interessen hätten aber „noch nicht eindeutig geklärt werden können“, heißt es. Was Nutzungsmöglichkeiten und Kosten angeht, sei noch zu viel offen.

Alle diese bunten Wünsche sind in einem 155 DIN-A-4-Seiten dicken Memorandum zu „Leitplanken“ der Entwicklung verdichtet worden. Das Papier wirdnach einer erneuten Ergänzung dem Gemeinderatzugestellt. Bindend soll es für ihn nicht sein, aber die Bürger haben Pflöcke eingerammt. Sie erwarten die vorausschauende Entwicklung einer Stadt von morgen. Und sie verstehen dies als Projekt, das nie fertig wird und bei allen Entwicklungsschritten erneut der Bürgerbeteiligung bedarf.

Das Stadtplanungsamt hat bereits einige Handlungsfelder abgeleitet, etwa das Streben nach Begegnungsorten, überschaubaren Nachbarschaften, bezahlbaren Wohnungen, Erholungsräumen, den Wunsch nach einer offenen Planung und den Vorsatz, dass das Quartier „nicht als Verfügungsfläche für Fehlendes in Stuttgart fungiert, sondern einen vorbildlichen Baustein im Kontext der Gesamtstadt bildet“. Der OB und die SPD im Rathaus hatten schon früher rund 7000 Wohnungen für nötig erklärt, Kuhn auch von „ökologisch optimalem Bauen“ und einem nahezu autofreien Quartier gesprochen.