Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

Stuttgart - Rotkäppchen bringt der bettlägrigen Großmutter einen Korb mit Kuchen und Wein. „Das klingt nach Ehrenamt“, fand der Komponist Radoslaw Pallarz – und schrieb eine Märchenvertonung, die er all jenen widmete, die am Montag für ihren Einsatz für andere Menschen mit dem Ehrenamtspreis „Stuttgarter des Jahres“ geehrt wurden.

 

Zehn Preisträger nahm en während der Gala, zu der die Stuttgarter Versicherungsgruppe und die Stuttgarter Zeitung in die Wagenhallen geladen hatten, eine Trophäe sowie einen Scheck über 3000 Euro entgegen. Eine Jury hatte zahlreiche Einsendungen gesichtet. Leicht war den sechs Juroren die Wahl nicht gefallen. „Es ist uns nicht darum gegangen, das originellste Engagement auszuzeichnen“, sagte Joachim Dorfs, Juror und Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung. Natürlich habe die Flüchtlingsthematik eine Rolle gespielt, Stuttgart steche da mit einer großen Zahl an ehrenamtlichen Helfern bundesweit heraus. Aber die Jury habe sich auch um andere Themen gekümmert – und um eine gute Altersmischung, sagte Frank Karsten, Chef der Stuttgarter Versicherungsgruppe: „Ehrenamt ist nicht nur etwas für Leute mit grauen Haaren.“

Warum tut jemand so viel für Andere?

Mit der 24-jährigen Julia Schäuble betrat dann auch eine der jüngsten Preisträgerinnen die Bühne. Wie alle Geehrten war sie zunächst in einem Filmporträt zu sehen, anschließend stellte sie sich den Fragen des Moderators Tim Schleider. Den StZ-Kulturchef interessierten die Beweggründe der Preisträger: „Warum tut jemand so viel für andere Menschen? Was hat er davon?“ Die Antworten waren so unterschiedlich wie die Bereiche, in denen sich die Sieger engagieren.

Julia Schäuble, die mit demenzkranken Senioren im Gradmann-Haus in Kaltental spazieren geht und Karten spielt, kam die Antwort leicht über die Lippen: „Das sind einfach Freunde von mir.“ Für Sonja Prinz, die mit Blindenhund Baxter die Bühne betrat, geht es beim Engagement ums Geben: „Als Blinde sind wir immer die, die nehmen. Aber das funktioniert nicht. Jeder hat zu geben und zu nehmen.“ Deshalb singt Prinz im Singkreis aus Blinden und Sehbehinderten mit, den Dietmar Böhringer leitet. Für diesen Einsatz wurde der 71-Jährige mit dem Ehrenamtspreis ausgezeichnet.

Bewegende und ermutigende Geschichten

Sonja Prinz ist nur seine Patin – eine Funktion, die für den Stuttgarter Ehrenamtspreis unabdingbar ist, wie Joachim Dorfs erklärte: „Wenn die Ehrenamtlichen nicht von Paten vorgeschlagen würden, könnten wir lange auf Bewerbungen warten.“ Denn die Stuttgarter engagierten sich zwar mächtig, machten aber kein Aufhebens darum. Ein Drittel der Stadtbewohner legt sich für andere ins Zeug. „Ich weiß, dass unsere Stadtgesellschaft nicht funktionieren würde, wenn wir nicht dieses breite Engagement hätten“, sagte Oberbürgermeister Fritz Kuhn.

Die 150 Gäste hörten zehn berührende Geschichten über Menschen, die für andere Menschen da sind. Den meisten widerfuhr am Ende, was der Moderator Tim Schleider anfangs prophezeit hatte: Sie schwebten, beseelt von so viel Mitmenschlichkeit, auf einer Wolke nach Hause.