Die eigene Lebensgeschichte hat die Berufswahl des in Afghanistian geborenen Jama Maqsudi beeinflusst: Er arbeitet für die Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt. Auch ehrenamtlich engagiert sich der Stuttgarter für Menschen, die auf der Flucht sind.

Stuttgart - Jama Maqsudi ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Groß gewachsen, ein Mann der überzeugenden Rede, ein Profi durch und durch – und dennoch hat auch er gelegentlich schlaflose Nächte. Der gebürtige Afghane kümmert sich beruflich und ehrenamtlich um Menschen auf der Flucht. Doch wenn er einmal in der baden-württembergischen Härtefallkommission mit darüber entscheiden muss, ob ein Flüchtling in Deutschland bleiben darf oder nicht, dann fällt ihm das nicht leicht. „Daumen hoch oder Daumen runter: da ist man Richter, ohne es zu wollen“, sagt er.

 

Für die Arbeit mit Flüchtlingen ist Jama Maqsudi auch aufgrund seiner Biografie der richtige Mann. 1952 im afghanischen Kabul geboren, kam er als 21-Jähriger nach Deutschland. Er weiß, wie es ist, sich in der Fremde einleben zu müssen. Die Voraussetzungen seines Neuanfangs waren allerdings nicht mit denen vieler seiner Schützlinge zu vergleichen: Jama Maqsudi stammt aus einer Familie, in der zwar kein Reichtum herrschte, doch Wert auf Bildung gelegt wurde. Seine Mutter war Zahnärztin, „was man sich heute kaum vorstellen kann“, erzählt Jama Maqsudi. Auch der Vater, ein Beamter im gehobenen Dienst, legte den Söhnen keine Steine in den Weg.

Die Sehnsucht nach Abenteuern führt ihn nach Deutschland

Dass Jama Maqsudi nach dem Abitur nach Deutschland ging und sein jüngerer Bruder Farid ihm dorthin folgte, hatte ein bisschen mit Rebellentum zu tun: „Wir wollten Abenteuer erleben und aus diesem etwas verstaubten Land heraus.“ Doch die erste Zeit war ein Kraftakt: Neben dem Studium der Sozialökonomie an der Universität Hohenheim in einer unvertrauten Sprache arbeiteten die Brüder nachts, um die Eltern finanziell nicht noch mehr zu belasten.

Nach der Invasion der Sowjets war klar, dass die Brüder lange nicht würden zurückkehren können. Also schrieb Jama Maqsudi seine Diplomarbeit fertig und setzte beruflich fort, was er während des Studiums schon ehrenamtlich begonnen hatte: die Unterstützung von Flüchtlingen. Seitdem arbeitet er für die Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt (AGDW) als Sozial- und Verfahrensberater. Zurzeit hat er sein Büro in der neuen Flüchtlingseinrichtung in Hofen.

Als stellvertretender Geschäftsführer der AGDW ist er auch für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und hält unermüdlich Vorträge. „Unsere Aufgabe ist ja auch, auf die Fluchtursachen aufmerksam zu machen“, sagt er. „Wir können das Problem nicht lösen, aber wir können das Bewusstsein wecken, damit wir eine gerechtere, eine friedlichere Welt bekommen.“ Jama Maqsudi ist einer von zehn Gewinnern, die am 23. März in den Wagenhallen für ihr ehrenamtliches Engagement geehrt wurden. Die Stuttgarter Versicherungsgruppe und die Stuttgarter Zeitung hatten den Preis ausgelobt, der mit je 3000 Euro dotiert ist.

Ausgezeichnet für die Gründung des Flüchtlingshilfevereins

Jama Maqsudis berufliches und sein ehrenamtliches Engagement gehen eine äußerst effektive Verbindung ein. Da ist die Mitarbeit als sachkundiger Bürger im Internationalen Ausschuss der Stadt, in dem er beispielsweise auf die Problematik von unbegleiteten Minderjährigen aufmerksam macht. Für sie übernimmt die Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt die Vormundschaft. „Als Jugendliche vor dem Ausschuss ein paar Sätze zu ihrer Situation sagten, habe ich bei einigen Ausschussmitgliedern Tränen in den Augen gesehen“, berichtet er. Auch in der Härtefallkommission Baden-Württemberg wird Maqsudi mit Schicksalen konfrontiert, die nicht leicht auszuhalten sind.

Zum Stuttgarter des Jahres aber wurde er auserkoren, weil er 1994 den Deutsch-Afghanischen Flüchtlingshilfeverein (DAFV) gegründet hat. Den Anstoß gab eine Reise zu Flüchtlingscamps in Pakistan, wo er das Elend der Kinder erleben musste. Doch Jammern ist Maqsudis Sache nicht: Eine zwei Jahre später aufgebaute Krankenstation konnte inzwischen nach Kabul verlegt werden. Ein Kindergarten in der afghanischen Hauptstadt und einer im Norden der Provinz Pandschir wurden inzwischen mit Hilfe des Vereins eingerichtet. „Wir wollen beim Wiederaufbau helfen, und Bildung ist ein wesentlicher Aspekte“, sagt der Gründer und Vereinsvorsitzende des DAFV.

Diese Tatkraft, das Durchhaltevermögen und das unermüdliche Trommeln sind es, die Marlene Seckler bewogen haben, Jama Maqsudi zum Stuttgarter des Jahres vorzuschlagen. Als Referentin für Migration beim Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, in den die Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt eingebunden ist, hat sie manchen Kampf mit ihm gemeinsam gefochten und seine Arbeit als Vorsitzender der Fachgruppe Migration schätzen gelernt.

Doch wie schafft es Jama Maqsudi, alle diese Tätigkeiten unter einen Hut zu bekommen? „Das geht nur mit dem Verständnis der Familie“, sagt er. Sein Sohn habe ihn allerdings daran erinnern müssen, dass es noch mehr im Leben gebe als Arbeit und Ehrenamt: „Papa, vergiss nicht, dass du auch ein Zuhause hast!“, sagte der damals Zwölfjährige zu seinem Vater.