Stuttgart steckt in den Startlöchern, doch die Finanzierung steht nicht: Vor 2011 wird die kontrollierte Heroinabgabe nicht möglich sein.

Stuttgart - Die kontrollierte Heroinabgabe wird in Stuttgart nicht vor 2011 möglich sein. "Das Konzept dafür liegt in der Schublade, wir sind startklar", sagt der Suchthilfeplaner Hans Gros, der am liebsten sofort loslegen würde. Die meisten Hürden für die Herointherapie auf Rezept für Schwerstabhängige sind bereits genommen. Die gesetzliche Grundlage für die Vergabe wurde Mitte 2009 geschaffen. Die Bundesärztekammer hat ihre Richtlinien für die Substitution Anfang des Jahres geändert.

Nun muss der Bewertungsausschuss der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) die Honorierung der Ärzte festlegen. "Das wird in den nächsten Wochen erfolgen", so eine Pressesprecherin der KBV. Der genaue Zeitpunkt stehe allerdings noch nicht fest. Die Finanzierungsfrage sei entscheidend, sagt der Suchthilfeplaner. "Alles hängt am Geld", sagt Gros, doch die Töpfe der Kommune seien leer. Experten befürchten deshalb sogar ein Scheitern des Projektes. Das sieht Sozialbürgermeisterin Gabriele Müller-Trimbusch anders. "Die Behandlung mit dem synthetischen Heroin Diamorphin kommt", versichert die Bürgermeisterin; sie sieht zunächst die Krankenkassen und das Land in der Pflicht.

In Stuttgart soll nach den Vorstellungen der Sozialverwaltung der Suchtmediziner Andreas Zsolnai die Heroinabgabe übernehmen. Er leitet seit Jahren erfolgreich eine Schwerpunktpraxis für die Methadonsubstitution. "Das Vorhaben ist nicht nur medizinisch absolut sinnvoll", sagt Zsolnai. Es ermögliche den Süchtigen auch, den Teufelskreis der Beschaffungskriminalität zu durchbrechen. Geplant ist eine Kooperation mit der Suchthilfeeinrichtung Release, die drei Sozialarbeiter stellen würde. Die psychiatrische Qualifikation könnte das Bürgerhospital einbringen.

Kooperation mit Release


Insgesamt wird mit etwa 50 schwerstabhängigen Patienten in Stuttgart gerechnet. Die Vorgaben des Gesetzgebers, wer dafür infrage kommt, sind ausgesprochen streng. So dürfen nur über 23 Jahre alte Patienten Heroin erhalten, die seit mindestens fünf Jahren von Opiaten abhängig sind und mindestens zwei erfolglose Therapien hinter sich haben. Dazu wird Diamorphin als verschreibungspflichtiges Betäubungsmittel eingestuft.

Die Kosten für ein Stuttgarter Suchtzentrum, das das ganze Jahr über von morgens 7 Uhr bis abends 19 Uhr geöffnet sein soll, belaufen sich nach ersten groben Schätzungen auf mindestens 1,3 Millionen Euro jährlich. Darin enthalten sind neben der Miete auch die Personalkosten für drei Ärzte, acht Pflegekräfte und drei Sozialarbeiter, die für die psychosoziale Betreuung zuständig sind.

Die Vergabe ist klar geregelt. Die Patienten erhalten Spritzen mit künstlich hergestelltem Heroin, die computergesteuert aufgezogen werden. Sie müssen das Diamorphin unter ärztlicher Aufsicht direkt in der Praxis injizieren.

Vorteile gegenüber Methadontherapie


Eine ordentliche Rechnung für die Praxis könne erst dann aufgemacht werden, wenn die ärztliche Vergütung feststehe, betont der Suchtmediziner Zsolnai. Er geht allerdings davon aus, dass die Krankenkassen nicht genügend bezahlen werden, um alle anfallenden Kosten zu decken und damit eine Unterfinanzierung droht.

"Wir brauchen ein deutliches finanzielles Bekenntnis sowohl des Landes als auch der Kommunen zur kontrollierten Heroinabgabe", fordert Zsolnai. Eine Kerbe, in die auch Ulrich Binder, der Geschäftsführer von Release, schlägt. "Notfalls muss die Kommune Mittel zusteuern", sagt Binder und ist trotz der höheren Kosten überzeugt von den Vorteilen der Heroinabgabe gegenüber der klassischen Methadontherapie. Zum einen sei der Gesundheitszustand der Süchtigen wesentlich besser, zum anderen haben sie höhere Chancen, sich sozial und beruflich wiedereinzugliedern. Das haben die Modellprojekte bewiesen.

Wie lange es noch dauert, bis die ersten Patienten Heroin auf Rezept erhalten, kann auch im Sozialministerium keiner sagen. "Wir wollen vor der Sommerpause damit ins Kabinett", kündigt die Pressesprecherin an. Vorgesehen ist, das Heroin an sieben Standorten im Land zu verteilen.