Die beiden Stuttgarter Fotografen hinter Bild-Rausch, Kathrin Groß und Tobias Risel, haben eine Schwäche für opulente Schwarzweiß-Fotografie, gutes Essen und abenteuerliche Odysseen.

Stuttgart - Ein Rausch ist, wenn man dem Duden glauben mag, ein „übersteigerter ekstatischer Zustand, ein Glücksgefühl, das jemanden über seine normale Gefühlslage hinaushebt.“ Ein recht reizvoller Zustand also, wenn man so will. Und einer, dem auch Kathrin Groß (30) und Tobias Risel (35) aus Stuttgart-Nord hinterherjagen. Das Projekt Bild-Rausch bündelt ihre Fotoleidenschaft, in verschiedenen Themenbereichen leben sie sich aus, setzen auf satte, kontrastreiche und von Schatten umflossene Schwarzweißfotografie. Starke Bildwelten wie diese, ein Rauschzustand? „Im Bildrausch sind wir immer dann, wenn wir uns für ein Motiv oder eine Bildreihe entschieden haben und damit loslegen“, klärt Tobias Risel auf. „Wir versuchen dann, unsere Wahrnehmung entsprechend auszurichten, machen unzählige Aufstellversuche, stehen früh morgens auf, fahren unzählige Kilometer oder warten einfach so lange, bis der Lichtstrahl auf die von uns gewünschte Stelle fällt. Das hat etwas Meditatives. Andere“, überlegt er, "würden es vielleicht auch als Flow bezeichnen.“

 

Besondere Bilder erfordern besondere Maßnahmen, das weiß jeder Fotograf. Bei den beiden Fotografieverrückten ist es das Abstecken eines gewissen thematischen Rahmens, das Suchen der perfekten Location, des richtigen Winkels, des perfekten Lichts. Beide sind seit etwa zwölf Jahren in diesem Feld aktiv, betreiben Bild-Rausch derzeit allerdings als sorgsam gehegtes Hobby. Geschickt ist da natürlich, dass die beiden nicht nur vor der Linse, sondern auch privat ein Paar sind: Kathrin Groß wuchs mit Hühnern und Rindern auf einem Hof auf und ist heute Rechtsanwältin, Tobias Risel kommt aus einer Winzerfamilie und ist in der technischen Leitung einer Immobiliengesellschaft tätig. Wenn der Beruf keine Gemeinsamkeiten aufweist, teilen sie eben ihre Berufung, sozusagen.

Konzentration auf Licht und Struktur

Bei ihr war es Salvador Dalí, bei ihm Henry Cartier-Bresson. Von diesen und weiteren Einflüssen ließen sie sich inspirieren, beeinflussen, schulen – und haben ihren ganz eigenen Stil der schwarzweißen Fotografie schon sehr nahe an die Perfektion gebracht. „In Schwarzweiß konzentriert sich die Arbeit auf Licht und Struktur. Wir lieben es, damit umzugehen“, meint Tobias Risel. Das war nicht von Anfang an ihr gewünschter Weg. Es hat sich eben einfach so ergeben. „Wir haben irgendwann festgestellt, dass wir die gewünschten Bildstimmungen damit am besten transportieren können“, ergänzt Kathrin Groß.

Schwelgerisch sind diese Stimmungen, ahnungsvoll, auch ein wenig düster. Das ist der große gemeinsame Nenner ihrer ganz unterschiedlichen Bildwelten: Naturfotografie, Eindrücke aus Thailand und vom Poetry Slam finden sich auf der Webseite. Tobias Risel sieht darin „die Dokumentation unseres Weges. Wir haben vieles ausprobiert, hatten mit unserem guten Freund Alex Manz über zwei Jahre hinweg ein Atelier angemietet, in dem wir Erfahrungen mit Studio und Modelfotografie sammeln konnten. Wir haben aber gemerkt, dass uns im weitesten Sinne die Natur- und Landschaftsfotografie liegt.“ Das kann man so nicht stehen lassen, insbesondere die Bilder von Nikita Gorbunov zeigen ihr Können auch im Portraitknipsen. Nur die klassische Portraitfotografie (Stichwort: Hochzeit oder Passbild) ist nicht so ihre Schiene.

Stuttgart als Motiv

Spannung und Ruhe im selben Moment sollen ihre Bilder ausdrücken, jenes Wechselspiel macht die Kunst des Fotografierens für sie überhaupt erst spannend. Da hat natürlich auch Stuttgart als Motiv eine Menge zu bieten, in Sachen Wechselspiel sind wir hier zwischen Baustellen und Parkidylle reich beschenkt. „Wir lieben die Nischen zwischen den polierten Hochglanzfassaden, in der sich Kunst und Subkultur entwickeln“, ist von Kathrin Groß zu hören. „Wir finden, dass diese Nischen die Stammzellen einer Stadt sind, aus denen sich die Attraktivität entwickelt und sich die Stadt immer wieder neu erfinden kann."

Stuttgart hat für die beiden eine Größe, in der solche Nischen zu finden sind. „Wir finden zum Beispiel das gesamte Areal um das Zollamt besonders toll. Ansonsten bietet auch der Nordbahnhof einige spannende Ecken.“ Auf der Gegenseite findet sich natürlich auch einiges, Stuttgart kann eben auch unfotogen. „Das Europaviertel oder die Königsstraße mit dem Einheitsbrei aus Shoppingketten haben keinerlei Charme“, so Tobias Risel. Kathrin Groß legt noch einen drauf: „Für mich sind die Motive in Stuttgart unfotogen, die mir als Fotograf keine Möglichkeit zur Interpretation lassen. Dazu zählen für mich die klassischen Sehenswürdigkeiten wie Fernsehturm oder Schlossplatz.“ Das wird man ja noch sagen dürfen.

Wenn sie mal nicht fotografieren oder – wie für ihr Projekt „Mountains“ – ihre schwere Ausrüstung 70 Kilometer und 5.000 Höhenmeter durch die Berge schleppen, gehen sie ihrer zweiten Leidenschaft nach: Gutes Essen. „Wir lieben die verschiedenen Lebensmittelmärkte und -geschäfte in und um Stuttgart“, so beide begeistert. „Vom klassischen Wochenmarkt am Samstagmorgen in Zuffenhausen, auf dem man aus einem schrottreifen weißen Lieferwagen den besten Feldsalat der Welt bekommt, über den türkischen Supermarkt in Feuerbach, auf dem man unfassbar große Bündel Kräuter und sehr leckere Oliven und ganze Lammhälften kaufen kann, zu dem asiatischen Lebensmittelgeschäft am Gaskessel, in dem wir uns regelmäßig mit den Zutaten für ein leckeres Thai-Curry eindecken bis hin zu den verschiedenen Markthallen am Hafen, in denen man original portugiesische Produkte, den frischesten Fisch in ganz Stuttgart oder exquisite Feinkostspezialitäten erstehen kann.“ Das dann gern auch mal in Farbe.

Ausstellung: „11 Blicke“ ist am 18. März im Rahmen der Zwischennutzung eines Gewerbeobjektes in der Hauptstätter Straße 106 (nahe Österreichischer Platz) zu sehen, www.bild-rausch.net.