Batman, Godzilla & Co. verleihen den Fahrgeschäften auf dem Frühlingsfest eine unverwechselbare Optik. Doch wer malt die Buden und Karussells an? Ein Blick hinter die Kulissen einer eigenen Branche.

Stuttgart - Er lässt Raubkatzen über den Wasen schleichen. Und ohne ihn würden dort viele Geister auch nicht spuken und das Monster Godzilla nicht so grimmig auf die Besucher herabschauen. Wer auf dem Cannstatter Wasen einmal eine Petersburger Schlittenfahrt unternommen hat, wer im Musikexpress seine Runden gedreht hat oder sich in der Geisterschlange gegruselt hat, der ist den Motiven von Heinz Opitz begegnet. Opitz, 68, arbeitet seit einem halben Jahrhundert als Kulissenmaler, seine Gemälde prägen Fahrgeschäfte und Imbisswagen auf dem Frühlingsfest und auf dem Hamburger Dom.

 

Heinz Opitz ist ein Multitalent, ein Mann der alten Schule, er stammt aus einer vergangenen Zeit. Einer Zeit, in der die Kulissenmaler noch mit Pinsel und Ölfarben arbeiteten und den Jahrmärkten in der Republik eine unverwechselbare Optik verliehen, die genauso zum Rummel gehört, wie der Geruch von gebrannten Mandeln und die Lockrufe der Losverkäufer. Die Malerei ist ihm in die Wiege gelegt worden, schon sein Vater war groß im Geschäft – die Familie stammt aus dem Schwarzwald-Städtchen Waldkirch, wo Vater Opitz bald einen Mann namens Franz Mack kennen lernte. Mack baute in den 1950er Jahren Fahrgeschäfte und Imbisswagen für die Schausteller. Opitz senior lieferte mit seinen Gemälden den dazu passenden Look.

Ein Alpenhotel in Hamburg

Franz Mack gründete 1975 den Europapark, neue Fahrgeschäfte eroberten die Parks und die Rummelplätze – und die Publikumsattraktionen benötigten eine attraktive Verpackung. „In der Hochzeit arbeiteten wir im Betrieb mit vier Leuten an der Optik einer neuen Geisterbahn“, erinnert sich Heinz Opitz. Die Branche verdiente gut ,und die Kulissenmaler hatten als „Zulieferer“ ihr Einkommen. „Die Herausforderung für einen guten Kulissenmaler besteht darin, dass er seine Ideen auf großen Flächen umsetzen muss“, erzählt Heinz Opitz. So arbeitet er derzeit an der Fassade eines „Alpenhotels“, das künftig in Hamburg als Laufhaus auf dem Rummel die Besucher anlocken soll.

Ob ein Schausteller mit seiner Attraktion erfolgreich ist, hängt auch davon ab, ob die Bemalung die Menschen anspricht. Heinz Opitz schwärmt vom ganz besonderen Flair des Rummels. Im Laufe der vergangenen 50 Jahre hat er miterlebt, wie sich die Moden verändert haben. Blumenmotive kamen – und verschwanden wieder. Neben Monstern und Meerjungfrauen fanden die Porträts von Hollywood- und Rockstars ihren Platz auf den Jahrmärkten. Das Geschäft wandelte sich, die Konkurrenz für Kleinbetriebe wie jenen von Heinz Opitz wuchs. Wer mit dem Pinsel Buden anmalte, fühlte sich bald als Exot.

Die Plastikrosen-Kavaliere

Die nächste Generation der Kulissenmaler rückte mit der Pistole an. Uwe Wenzel arbeitete als Modellbauer, aber der Handwerker träumte vom Malen, schon seit er als Junge Indianer zeichnete. Ende der 1980er-Jahre war die Airbrush-Technik in Mode gekommen: halbnackte Frauen prangten auf Motorhauben, die gesprühten Motive zierten Jeans und Blusen. Für 400 Mark kaufte sich Uwe Wenzel eine Airbrushpistole, er schnitt Schablonen zurecht, zeichnete Skizzen und beschloss eines Tages, mit seinen Arbeitsproben auf den Cannstatter Wasen zu gehen. Wenzel sprach die Schausteller an, verteilte seine Visitenkarten und hatte kurze Zeit später seinen ersten Auftrag.

Uwe Wenzel hat mit seiner Airbrushpistole Wasenstände bemalt Foto: privat
Seitdem hat der 51-jährige rund zwanzig Stände und Fahrgeschäfte bemalt, aus seiner Pistole stammen unter anderem das Stuttgarter Pfeilewerfen, ein Süßigkeitenstand, der Früchtespieß und Schießstände, an denen sich Plastikrosen-Kavaliere versuchen. „Meist haben die Schausteller eine genau Vorstellung davon, was sie wollen“, erzählt Uwe Wenzel. Wenn das Thema feststeht, sucht er nach Bildmaterial, das ihn inspiriert. Als er auf dem Wasen anfing, zeichnete er seine Entwürfe auf dem Reißbrett, inzwischen entwirft er das Design neuer Stände und Fahrgeschäfte am Computer.

Porträts von Clint Eastwood und John Wayne

Dabei macht Uwe Wenzel den Spagat zwischen Moderne und Nostalgie, je nach Auftrag. „Bei den Fahrgeschäften ziehen aktuelle Motive am Besten“, erzählt er. Doch als er einmal einen Schießwagen in Western-Optik besprühen sollte, bediente er sich bei den Kinohelden seiner Jugend. So stammen die Porträts von Clint Eastwood, Charles Bronson und John Wayne, die oft auf dem Wasen zu sehen sind, aus der Werkstatt von Uwe Wenzel. Inzwischen drängen jedoch längst neue Verfahren auf den Markt, per Foto-Druck werden ganze Einzelteile beklebt, „das kostet nur ein Zehntel“, erzählt Uwe Wenzel, für den das Wasengeschäft schon einmal mehr abgeworfen hat, als heute.

In der Nähe von Bremen arbeitet Klaus Hriesik, dessen Firma schon seit 30 Jahren im Geschäft ist: „Heute ist die Technik bei neuen Fahrgeschäften oft so teuer, dass der Maler nichts mehr kosten darf“, erzählt Hriesik, der beobachtet, dass auf dem Rummel gespart wird, wenn es um die Optik geht. „Mittlerweile kommen viele Fahrgeschäfte aus Polen oder aus Ungarn, die Billigkonkurrenz hat Einzug gehalten.“ Klaus Hriesik bedauert diese Entwicklung, die seiner Meinung auch damit zusammenhängt, dass es vielen jüngeren Schaustellern aus der Erbengeneration nur um den schnellen Euro gehe.

Post von Batmans Anwalt

Hriesik hält diesen Ansatz für kurzsichtig. „Gute Dekorationsmalerei wird auch heute noch mit dem Pinsel gemacht – nur so bekommt das Gemälde auch eine Tiefe. Eine gelungene Optik verleiht dem Fahrgeschäft seine Seele.“ Hriesiks Firma Afaw hat Breakdancer und Autoscooter bemalen lassen, der Chef des Unternehmens kennt die Tücken des Geschäfts. Ein Batman beispielsweise kann teuer werden, wenn man die Spielregeln nicht kennt. „Bei den Bemalungen wird oft bei den Marvel-Superhelden-Comics abgekupfert – manche Schausteller haben dabei unvermutet Post von den Marvel-Anwälten bekommen, die mussten viel Geld zahlen.“ Wenn in Bremen mal wieder ein Spiderman gemalt wird, schreibt Klaus Hriesik im Vorfeld schon in die USA und holt sich das Einverständnis.

Für das Frühlingsfest gilt auch in diesem Jahr die Songzeile von Peter Fox: „Alles ist bunt, laut und blinkt.“ Die Airbrush-Pistoleros haben dem Rummel eine eigene Optik mit knalligen Farben verpasst. Und manchmal findet sich Handarbeit dort, wo man sie zuerst gar nicht vermutet.

Hans-Otto Schäfer ist in diesem Jahr zum ersten Mal mit dem „Voodoo Jumper“ beim Frühlingsfest dabei. Für das krakenartige Fahrgeschäft hat Schäfer einen Düsseldorfer Maler beauftragt, der drei Monate lang mit dem Pinsel daran arbeitete. 100 000 Euro habe ihn allein die Bemalung gekostet, sagt Hans-Otto Schäfer. „Ich glaube, dass die Bemalung einen großen Einfluss darauf hat, ob man mit einem Fahrgeschäft Erfolg hat.“ Der Betreiber setzt auf die Kraft des Voodoo-Zaubers helfen.

Damit sich auch unerfahrene Besucher auf dem Wasen zurechtfinden haben wir in einer interaktiven Karte die Hightlights des diesjährigen Frühlingsfestes markiert. Außerdem gibt die Grafik Hintergrundinfos zu Anreise, Familientagen und Feuerwerk.