Erster Bürgermeister Michael Föll hat das erste Frühlingsfestfass kraftvoll angestochen, die Schausteller sind vom ersten Frühlingsfest-Wochenende angetan. Ein österlicher Rundgang über den Wasen.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Auf der einen Seite ziehen die vollen Stadtbahnen vorbei. Wie die Sardinen sind die VfB-Fans eingepfercht in den Fahrzeugen der U 11. Auf der anderen Seite haben die Fußgänger die Herrschaft über die Straße übernommen. Soeben hat der VfB Stuttgart Schalke 04 mit einem 3:1 nach Hause geschickt, da kann man schon mal in einem euphorischen Ostermarsch die Mercedesstraße okkupieren. Grüne Verkehrspolitiker dürften an diesem Moment ihre Freude haben: der größte Shared Space Stuttgarts wurde soeben in Betrieb genommen.

 

Nein, es war keine gute Idee, nach Abpfiff eines VfB-Spiels mit dem Auto zum Frühlingsfest zu fahren, um sich mit Marcus Christen zu einem Rundgang über das Festgelände zu treffen. Marcus Christen ist als Abteilungsleiter bei der In Stuttgart-Veranstaltungsgesellschaft verantwortlich für Frühlingsfest und Volksfest. In der Wasen-Kommandozentrale finden sich Familienfotos des zweifachen Vaters, an der Wand ist eine Luftaufnahme des Wasen-Geländes angebracht, hinter Christen hängen Lagepläne des Geländes.

Die Veranstalter wollen alle Generationen auf den Wasen locken

Marcus Christen – Lederhose, weißes Hemd mit eingestickten Initialen und grüne Weste – ist ein Vermarktungsprofi. Routiniert rasselt er die Erfolgszahlen des Festes herunter: 1300 Bewerbungen für 240 Plätze, Besucherrekorde, mehr Handy-Diebstähle als Schlägereien. „Unser Ziel war es, das Fest so attraktiv zu gestalten, dass sich der Opa wieder mit dem Enkel auf den Platz traut.“

Das haben Christen und seine Veranstaltungsgesellschaft zumindest teilweise geschafft. Am langen Osterwochenende tummeln sich viele Familien auf dem Festgelände. In Stuttgart spricht von rund 200 000 Besuchern an den ersten drei Tagen. Dabei gibt es aber auch die andere Seite des Frühlingsfestes zu bewundern. Vor einem Zelt ist die Polizei angerückt, um die Protagonisten einer Schlägerei einzusammeln. Einige Zeit später werden zwei SSB-Ordner auf dem Rücken eines Betrunkenen knien und zwar nicht, um die Haltestellenfolge der U 11 zu erklären. „Dennoch, es ist besser geworden. Früher hat die Bierzeltschlägerei zur Wasen-Folklore dazugehört“, sagt Riesenrad-Mogul Oscar Bruch Jr.. Er betreibt derzeit Riesenräder in der Schweiz und in Stuttgart. Seine Familie ist seit 1848 im Schausteller-Gewerbe tätig, sein Großvater hatte einst mit einem Karussell den Grundstein für die Dynastie gelegt.

Eine Fahrt mit dem Riesenrad verschafft den Überblick

„Als junger Mann war es für mich immer der Horror, wenn die Herren von der Alb auf dem Wasen einfielen mit ihren Bratpfannenhänden. Das Publikum hat sich heute sehr gewandelt“, sagt Bruch während einer Runde in seinem Riesenrad. Von hier oben betrachtet sieht der Wasen aus wie ein österliches Wimmelbild. Marcus Christen nutzt die Perspektive dreimal täglich, um sich einen Überblick zu verschaffen. „Drei Autos verlassen das Gelände, fünf Autos kommen neu dazu, wir haben also immer noch leichten Zulauf um 21.30 Uhr, das ist gut.“

Erste Ideen für das 200-Jahr-Jubiläum des Wasens

Die nächste Station auf Christens österlichem Fest-Rundgang ist das Fahrgeschäft Breakdance. „Beim Riesenrad frage ich die Zufriedenheit in Bezug auf das Familienpublikum ab, beim Breakdance erfahre ich, wie es um die jungen Besucher steht“, so Christen. Ein Gespräch mit Patricia Kinzler, der Breakdance-Betreiberin, ist eine lustige Angelegenheit. Im einen Moment spricht sie mit Christen über den positiven Verlauf des ersten Frühlingsfestwochenendes. Im nächsten Moment ruft sie „Attacke, los geht’s, was ist denn los hier, Stuttgart, macht mal ein bisschen Lärm.“ Beim Breakdance spricht die Chefin noch selbst, mit ihrer Rockröhrenstimme macht Kinzler den Pubertierenden in den sich rasant drehenden Gondeln noch mehr Dampf. Auch Patricia Kinzler stammt aus einer Schausteller-Dynastie. Wenn die Kinzlers nicht gerade Fahrgeschäfte betreiben, zeichnen sie gemeinsam mit Gastronomin Henny Stamer für die Eisbahn „Wintertraum“ auf dem Schlossplatz verantwortlich.

Der Rummel muss sich ständig neu erfinden

Nach dem Breakdance geht es weiter zum Almhüttendorf von Nina Renoldi. Auch Renoldi äußert sich zufrieden über die ersten zwei Tage und verabschiedet sich herzlich von Marcus Christen. Der hat das Funktionärs-Geschäft bei einem der ganz Großen der Branche gelernt: Für Ion Tiriac hat er jahrelang Tennisturniere organisiert, ehe er bei In Stuttgart anfing. Zu Christens Freunden zählen Günther Oettinger („Den hat es auf der Breakdance-Fläche mal ordentlich hingehauen, weil er wieder seine feinen Schuhe anhatte“) oder Ingo Wellenreuther, CDU-Bundestagsabgeordneter und KSC-Präsident. Manche werfen Christen eine zu große Nähe zu den Großen der Schaustellerbranche vor, Christen selbst sieht das naturgemäß anders. „Ich behandle alle gleich, egal ob Mandelbuden- oder Riesenradbesitzer.“ Die Großen seien allerdings die Visionäre, mit denen er in ständigem Austausch stehen müsse. „Von deren Innovationskraft hängt die Zukunft des Wasens ab. Sonst haben wir in zehn Jahren hier nur noch Gastronomien auf dem Volksfest. Und das wäre der Untergang der Veranstaltung.“

Davon ist das Frühlingsfest am Ostersonntagabend weit entfernt. Der Platz brummt auch um 22.30 Uhr noch. 2018 feiert der Wasen seinen 200. Geburtstag. Die ersten Pläne für das Jubiläum liegen schon in Christens Schublade. Einen historischen Wasen auf dem Schlossplatz, der in der Innenstadt Werbung für das Ereignis in Bad Cannstatt machen soll, kann sich Christen gut vorstellen. Jetzt stehen aber erst einmal die weiteren Höhepunkte des Frühlingsfestes in Haus: zum Beispiel der traditionelle ökumenische Schaustellergottesdienst am 24. April um 10.30 Uhr beim Göckelesmaier. Allein auf die Strahlkraft des Herrn will man sich auf dem Frühlingsfest aber selbst an Ostern nicht verlassen: Der Werbeflyer verspricht allen Gottesdienstbesuchern einen Gutschein für ein anschließendes Mittagessen zum halben Preis.

Damit Sie  sich auf dem Wasen zurechtfinden, haben wir in einer interaktiven Karte die Highlights des diesjährigen Frühlingsfestes markiert. Mit einem Klick wird Ihnen die Grafik in einer größeren Ansicht angezeigt. Die Karte beinhaltet Hintergrundinfos zu Anreise, Familientagen und Feuerwerk. Viel Spaß beim Erkunden des Frühlingsfests!