Filzen, stricken, spielen: Bei den zwölf Ausstellungen der Stuttgarter Herbstmesse haben Aussteller Neuigkeiten aus allen möglichen kreativen Bereichen präsentiert. Der Andrang war so groß, dass kaum ein Durchkommen durch die Messehallen möglich war.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - In seiner Freizeit ist Michael Meinl häufig ein dem Bier zugetaner Zwerg. In dieser Rolle darf er alles tun, was er sonst im Alltag vielleicht nicht kann. „Ich tauche in eine andere Welt ein“, erzählt er. Einfach mal die Sau raus lassen, das könne er nur in einer anderen Rolle. Für seinen Stand auf der Landesmesse hat er sich als Wikinger verkleidet. In knielangem, grünem Gewand mit gelben Strickstrümpfen – die langen grauen Haare trägt er offen – präsentiert Meinl zusammen mit anderen Mitgliedern aus Vereinen, die in ihrer Freizeit Live-Rollenspiele machen, die fantastische Spielewelt. „Endzeitspiele, Dark Fantasy und andere Horrorsachen“ gebe es zum Beispiel, bei denen man zusammen als Gruppe durchkämpfe. Mit seinem Outfit, mit dem er auch als Gandalf aus Herr der Ringe durchgehen könnte, entführt er die Besucher in seine magische Welt.

 

Die Live-Rollenspiele machten aber nur einen kleinen Teil der Halle 1 auf der Stuttgarter Landesmesse aus. Auf der Spielemesse probierten die Besucher Brettspielklassiker ebenso aus wie Neuheiten auf dem Markt. Es gab Puzzles, Bücher oder anderes Spielzeug, in Wettbewerben konnte man gegeneinander antreten.

Wer ein Hobby hat oder sucht findet hier sein Paradies

Für Spieler, Hobbybastler, Do-it-yourself- und Einrichtungsfans sind die Herbstmessen der Landesmesse ein Paradies. Bei zwölf Ausstellungen an zehn Tagen präsentierten sich 1825 Aussteller aus den Bereichen Spiele, Essen und Trinken, Wohnen, Babywelt, Hobbyelektronik oder Modellbau. Wie im letzten Jahr kamen insgesamt etwa 180 000 Besucher.

Vor allem am Wochenende lockten die Messen die Massen an. Bei der Kreativmesse drängten sich bereits am frühen Mittag die Besucher zwischen Ständen mit Perlen, Steinchen, bunten Bändern und Grußkarten zum Ausfalten. Workshops wie „Glas in Kupferfolietechnik“ und Vorträge zu „Weihnachtsdekoration selbst basteln“ waren ausgebucht. Über 100 Kurse gab es täglich bei der Kreativmesse.

Junge Menschen handarbeiten wieder

Stricken, häkeln, filzen ist längst kein Hobby mehr nur für ältere Damen. „Junge Menschen fangen wieder an mit Stricken. Das finde ich besonders schön“, sagt Martina Knaps von der „Sockenmanufaktur“. Handarbeit war unter jungen Frauen lange verpönt, galt als Öko-Hobby. „Inzwischen wollen die Leute keine 08/15-Sachen von der Stange mehr haben“, ergänzte Knaps. Und selbst etwas herzustellen, das sei eine tolle Freizeitbeschäftigung: „Stricken entspannt und senkt den Blutdruck.“ Das bestätigte eine Besucherin mit einem ganzen Bündel an Wollknäuel im Arm: „Total. Ich stricke jeden Abend nach der Arbeit.“

Erstmals bei der Herbstmesse traf sich in einer eigenen Halle die vegetarische Szene. Bei Veggie und frei von probierten Gesundheitsbewusste, Allergiker und überzeugte Vegetarier an über 180 Ständen und Foodtrucks Essen ohne tierische Zusätze oder ohne Gluten wie Chili ohne Carne. Gerichte gab es aus der schwäbischen, bayerischen oder asiatischen Küche.

Neu dabei waren in diesem Jahr der Bereich Naturkosmetik sowie die vegane Vinothek. „Wir zeigen hier auch, dass vegan tatsächlich schmecken kann“, sagte Carina Riedinger von „Schneewittchens sieben Sterne“, die selbst veganen Kuchen in Weckgläsern und Weihnachtsgebäck ohne Gluten herstellt. Vegan leben ist für sie gesünder, es gehe ihr gesundheitlich viel besser. „Viele verzichten auch nicht nur aus ethischen Gründen auf Tierisches, sondern auch, weil sie zahlreiche Unverträglichkeiten haben“, so ihre Erfahrung. In Fachvorträgen gab es bei der Veggie und frei von zum Beispiel auch ergänzend Tipps zur Gründung eines veganen Start-ups.

Was man im Leben alles braucht

Der Bereich Eat and Style lockte letztlich mehr mit Style denn mit Eat. Fans der ausgefallensten Küchenmaschinen und -geräten kamen dort eher auf ihre Kosten. Dennoch verstehen sich die Veranstalter als „Food-Festival zum Anfassen, mit Kochen und Probieren“. In den Workshops von Starköchen werkelten die Besucher selbst in den Messeküchen und backten so schöne Dinge wie „unicorn cookies“.

Überhaupt konnte man sich auf den Messen nicht nur austoben, basteln und kochen, sondern man wurde durchaus auch auf Dinge aufmerksam, von denen man vorher gar nicht wusste, dass man sie im Leben irgendwann einmal brauchen wird: einen handgefilzten Nierenwärmer zum Beispiel, Origami-Tiere aus Papier oder ein elektrischer Massagegurt mit Infrarotlampe für den Rücken und den Nacken.