Reportage: Frank Buchmeier (buc)

Für die bewaffnete Eskorte an Deck gäbe es hingegen kein Entrinnen. „Uns würde es bestimmt an den Kragen gehen“, sagt Volker Kaltenbach. Das Risiko lässt sich der Mittfünfziger angemessen honorieren: 60 000 Euro kassiert die German Naval Security für einen 20-tägigen Begleitschutz von Hafen zu Hafen.

 

Mit jedem Angriff steigt die Nachfrage. Noch vor drei Jahren bestand nur in einem begrenzten Gebiet vor der Küste Somalias die Gefahr, dass Piraten auftauchen. Inzwischen kommt es im gesamten Indischen Ozean, im Chinesischen Meer sowie im südöstlichen Atlantik zu Attacken. Zudem haben die Seeräuber kräftig aufgerüstet. Mitten auf dem Meer dienen ihnen erbeutete Frachtschiffe als Basisstationen, von denen aus sie mit modernen Waffen und gestohlenen Yachten auf Beutezug gehen. „Aus der Ferne kann man Freund und Feind nicht mehr auseinanderhalten“, sagt Kaltenbach, „das verschärft das Problem.“

Die offiziellen Berichte der Europäischen Union suggerieren hingegen, dass sich die Situation am Horn vom Afrika durch die couragierte Intervention der Staatengemeinschaft gebessert hat. 2008 schickte die EU eine Flotte vor die Küste Somalias. An der Aktion „Atalanta“ sind zurzeit auch zwei Fregatten der Bundesmarine beteiligt. Durch die militärische Präsenz seien im laufenden Jahr nicht einmal halb so viele Piratenangriffe registriert worden wie 2011, berichtet die EU. Eine Entwicklung, von der der Exportvizeweltmeister Deutschland besonders profitiere.

Die Statistik zweifelt Volker Kaltenbach nicht an, allerdings hat er dafür eine andere Erklärung. „Keine Militärflotte dieser Welt kann ein Seegebiet kontrollieren, das ein Fünftel der Erdoberfläche umfasst“, sagt er. Nicht „Atalanta“ zeitige Wirkung, sondern die bewaffneten Männer, die mittlerweile auf sechs von zehn Schiffen mitfahren und in der Wahl ihrer Mittel mitunter nicht zimperlich sind. Es kursieren Gerüchte, dass Piraten mutwillig erschossen oder am Ladebaum aufgeknüpft wurden. Ob solche Gruselgeschichten wahr sind, weiß niemand. Auf See gibt es keine Zufallszeugen.

Ein Netzwerk aus Söldnern

In jener Zeit breitet sich die Piraterie am Horn von Afrika wie eine Epidemie aus. Im Jahr 2011 registriert das International Maritime Bureau in London 968 geenterte Handelsschiffe und 1181 gekidnappte Besatzungsmitglieder. Hunderte Millionen Euro Lösegeld fließen an die Piraten, hinzu kommen immense Aufwendungen, um die geplünderten Schiffe wieder fahrbereit zu bekommen. Um der Gefahr auszuweichen, werden die Waren teilweise über große Umwege ans Ziel gebracht. Das kostet Tage und Diesel. Der volkswirtschaftliche Schaden, der durch die Piraterie entsteht, wird auf 5,5 Milliarden Euro geschätzt.

Die Freibeuter gehen immer brutaler vor. Bei den Überfällen werden acht Seeleute getötet, darunter drei Besatzungsmitglieder des deutschen Frachters„Beluga Nomination“. Dessen Eigner möchte einen privaten Schutzdienst engagieren, doch die Behörden lehnen das ab: Auf deutschen Handelsschiffen sind Waffen verboten.

Derweil schützt die Stuttgarter Firma German Naval Security völlig legal den Schweizer Außenhandel. 2010 steigt Volker Kaltenbach mit seinem Team in Malta auf ein Schiff einer eidgenössischen Reederei, um es bis nach Sri Lanka zu begleiten. Fünf weitere Seefahrten unter der roten Flagge mit dem weißen Kreuz folgen.

Die tief im Wasser liegenden und langsamen Schweizer Schwergutfrachter sind leicht zu entern. Rund um die Uhr, in Sechs-Stunden-Schichten, schieben Kaltenbach und seine drei Mitarbeiter Wache. Zweimal, jeweils bei Sonnenaufgang, wehren sie Angriffe von Piraten ab. Während die Sicherheitsleute von der Brücke und vom Bug aus feuern, harrt die Zwölf-Mann-Besatzung in einem direkt über dem Ruder liegenden Schutzraum aus. Sollte der Frachter geentert werden, könnten die Seeleute noch immer darauf hoffen, dass sie von einer Nato-Fregatte gerettet werden: Der Sauerstoff in der sogenannten Zitadelle reicht zwei Tage.

60.000 Euro für 20 Tage Schutz

Für die bewaffnete Eskorte an Deck gäbe es hingegen kein Entrinnen. „Uns würde es bestimmt an den Kragen gehen“, sagt Volker Kaltenbach. Das Risiko lässt sich der Mittfünfziger angemessen honorieren: 60 000 Euro kassiert die German Naval Security für einen 20-tägigen Begleitschutz von Hafen zu Hafen.

Mit jedem Angriff steigt die Nachfrage. Noch vor drei Jahren bestand nur in einem begrenzten Gebiet vor der Küste Somalias die Gefahr, dass Piraten auftauchen. Inzwischen kommt es im gesamten Indischen Ozean, im Chinesischen Meer sowie im südöstlichen Atlantik zu Attacken. Zudem haben die Seeräuber kräftig aufgerüstet. Mitten auf dem Meer dienen ihnen erbeutete Frachtschiffe als Basisstationen, von denen aus sie mit modernen Waffen und gestohlenen Yachten auf Beutezug gehen. „Aus der Ferne kann man Freund und Feind nicht mehr auseinanderhalten“, sagt Kaltenbach, „das verschärft das Problem.“

Die offiziellen Berichte der Europäischen Union suggerieren hingegen, dass sich die Situation am Horn vom Afrika durch die couragierte Intervention der Staatengemeinschaft gebessert hat. 2008 schickte die EU eine Flotte vor die Küste Somalias. An der Aktion „Atalanta“ sind zurzeit auch zwei Fregatten der Bundesmarine beteiligt. Durch die militärische Präsenz seien im laufenden Jahr nicht einmal halb so viele Piratenangriffe registriert worden wie 2011, berichtet die EU. Eine Entwicklung, von der der Exportvizeweltmeister Deutschland besonders profitiere.

Die Statistik zweifelt Volker Kaltenbach nicht an, allerdings hat er dafür eine andere Erklärung. „Keine Militärflotte dieser Welt kann ein Seegebiet kontrollieren, das ein Fünftel der Erdoberfläche umfasst“, sagt er. Nicht „Atalanta“ zeitige Wirkung, sondern die bewaffneten Männer, die mittlerweile auf sechs von zehn Schiffen mitfahren und in der Wahl ihrer Mittel mitunter nicht zimperlich sind. Es kursieren Gerüchte, dass Piraten mutwillig erschossen oder am Ladebaum aufgeknüpft wurden. Ob solche Gruselgeschichten wahr sind, weiß niemand. Auf See gibt es keine Zufallszeugen.

Ein Netzwerk aus Söldnern

Marktführer im global florierenden Anti-Piraten-Business sind Sicherheitsfirmen, die aus dem skandalumwitterten Militärunternehmen Blackwater hervorgegangen sind. Blackwater leistete Personenschutz für US-Bürger im Irak und in Afghanistan. In die Schlagzeilen geriet die Firma 2007 wegen eines Massakers an Zivilisten in Bagdad. Daraufhin folgte zunächst die Umbenennung in Xe Services, zwei Jahre später in Academi. Laut „New York Times“ verfügt Academi über ein globales Netz von 30 Tochterunternehmen. Das Personal besteht überwiegend aus Söldnern, die im Irak gekämpft haben.

Der Stuttgarter Volker Kaltenbach kommandiert zurzeit vier maritime Einsatzteams. Seine Männer waren bei Eliteeinheiten der Bundeswehr und der Polizei beschäftigt, bis sie mit circa 45 Jahren die Altersgrenze für diese Jobs erreicht hatten. „Das sind keine Heißsporne“, sagt Kaltenbach, „sondern erfahrene Leute mit Familie, für die ein Pirat an erster Stelle ein Mensch ist, auf den daheim womöglich auch Frau und Kinder warten.“

Im Mai 2008 wurde erstmals ein deutsches Schiff gekapert, die Lehmann Timber. Seither sieht sich die Bundesregierung mit der Frage konfrontiert, wie Fracht und Besatzung besser geschützt werden können. Zunächst hieß es in Berlin: Der Staat darf auch in internationalen Gewässern sein Gewaltmonopol nicht abgeben, Bundespolizisten oder Marinesoldaten müssen die Handelsschiffe begleiten. Doch wo sollen die Staatsdiener für Tausende Einsätze auf hoher See herkommen? Notgedrungen schwenkte die Koalition um und legte im Juli dieses Jahres einen Kabinettsbeschluss vor, wonach zivile Wachleute künftig doch auf deutschen Frachtern erlaubt sein sollen. Frühestens im kommenden Sommer wird der Bundestag das Gesetz verabschieden.

Bis dahin, glaubt Volker Kaltenbach, wird kaum noch ein Reeder von der Neuregelung profitieren. Die deutsche Handelsflotte, zweitgrößte der Welt, umfasst 3500 Schiffe. Allerdings weht aktuell nur auf jedem siebten die schwarz-rot-goldene Flagge. War die Fahnenflucht früher darauf zurückzuführen, dass die Reedereien Heuer, Steuer und Sozialabgaben sparen wollten, wirkt sich zunehmend das Thema Sicherheit auf die Finanzlage aus: Versicherungen verlangen horrende Prämien, wenn Besatzung und Ladung nicht gegen Piraten verteidigt werden können. Deutsche Schiffe, die unter der Flagge von Panama, Liberia oder Antigua fahren, sind keinem strengen Waffenrecht unterworfen. Ein Wettbewerbsvorteil für die Reeder.

Tödliche Fehler auf See

Wenn Volker Kaltenbach über Bürokraten schimpft, glaubt man Rauchschwaden über seinem kahl geschorenen Schädel zu erkennen. Vom Bundeswirtschaftsministerium hat er am 28. Oktober ein Schreiben erhalten, in dem es überraschenderweise heißt, dass seine Firma „Sicherheitsaufgaben auf Schiffen unter deutscher Flagge wahrnehmen darf“. Um einen Frachter zu schützen, muss Kaltenbach jedoch nicht nur Waffen an Bord schaffen – was innerhalb der EU und in mehreren arabischen Ländern möglich ist – sondern sie im Zielhafen auch wieder legal von Bord bringen. Staaten wie Indien fordern eine Bescheinigung des Bundesaußenministeriums, dass die German Naval Security im hoheitlichen Auftrag unterwegs ist. Die Westerwelle-Behörde will solche Papiere aber erst ausstellen, wenn das geplante Gesetz in Kraft getreten ist.

In den Amtsstuben wird zurzeit darüber nachgedacht, wie hiesige Sicherheitsfirmen, die auf See tätig werden wollen, staatlich kontrolliert werden können. Laut dem Gesetzesentwurf müssen sie nachweisen, dass die Schiffsbewacher „persönlich geeignet und zuverlässig sind“. Im Klartext: die Bundesregierung will verhindern, dass schießwütige Rambos den deutschen Außenhandel schützen.

Tödliche Fehler können freilich selbst militärischen Vollprofis unterlaufen. Am 15. Februar dieses Jahres wurden zwei indische Fischer vor ihrer Heimatküste von italienischen Marinesoldaten getötet. Die Scharfschützen waren für die Sicherheit auf dem Tanker „Enrica Lexie“ zuständig, sie hielten die Fischer für Piraten. Die 25 und 45 Jahre alten Inder starben im Kugelhagel. Auf der Brücke hatte der Kapitän den Trugschluss zwar früh erkannt, aber keine Möglichkeit, die Soldaten zu informieren.

Nach dem Vorfall ließ Volker Kaltenbach Funkgeräte für seine Firma entwickeln, die eine Verständigung bis in den hintersten Winkel eines 300-Meter-Frachters gewährleisten. Zurzeit verhandelt die German Naval Security mit einer Schweizer Reederei über den nächsten Auftrag.