Die Stuttgarter Kickers haben in der dritten Liga in Osnabrück 1:1 gespielt – und dabei gegen zehn Mann noch den Ausgleich kassiert. Schon eine Woche zuvor gegen Köln taten sich die Blauen in Überzahl schwer.

Osnabrück - Ein 1:1 in Osnabrück – das hätte Horst Steffen vor dem Spiel an der noch immer gefürchteten Bremer Brücke sicher akzeptiert. Als es dann so gekommen war, wusste der Trainer der Stuttgarter Kickers auch eine knappe Stunde nach dem Abpfiff des interessanten und temperamentvollen Spiels nicht, ob er damit zufrieden sein sollte. „Da bin ich im Moment zwiegespalten“, sagte Steffen.

 

Tatsächlich lag ein Kickers-Sieg in Osnabrück – es wäre der erste seit 1991 gewesen – sehr nahe, doch ob die Mannschaft tatsächlich zwei Punkte verschenkte, wie es die clubeigene Website behauptet, sei dahingestellt. Gleichwohl: als es in Osnabrück auf die Zielgerade ging, führten die Kickers mit 1:0 und waren in Überzahl.

An beiden Eckdaten war Erich Berko beteiligt. Der 20-Jährige hatte kurz vor der Pause mit einer feinen Einzelleistung die Führung erzielt. Das Tor zeigte das Potenzial des beim VfB ausgebildeten Angreifers: Als er zentral am Strafraum an den Ball kam, war das eigentlich eine perspektivlose Situation – keine Schussbahn, keine Anspielstation. Wie er dann antrat, sich gegen die zwei Defensivroutiniers Tobias Willers und David Pisot durchsetzte, den Ball abschirmte und mit einem Schuss ins kurze Eck traf, war sehenswert (45.).

Das Publikum als elfter Mann

Es war nicht die einzige auffällige Szene von Berko. Mit einem kurzen Solo riss er nach der Pause eine Lücke in die Osnabrücker Abwehr, die Pisot nur mit einem für ihn untypischen rüden Foul schließen konnte. Die Osnabrücker monierten zwar, die Rote Karte sei zu hart gewesen, doch auf den TV-Bildern ist zu sehen, dass Pisot mit gestrecktem Bein Berko unterhalb des Knies mit ziemlicher Wucht traf. „Rot war berechtigt, denn man muss berücksichtigen, wie hoch das Verletzungsrisiko einer Aktion ist“, stellte Steffen in seiner sachlichen, klaren Art fest.

Osnabrück brauchte eine Zeit, um sich auf die neue Situation einzustellen. Diese Phase hätten die Kickers nutzen müssen, um das Spiel zu entscheiden. „Aber vielleicht hat man bei uns geglaubt, dass wir das schon irgendwie nach Hause bringen“, mutmaßte Steffen später. Doch auch die Osnabrücker trugen ihren Teil dazu bei: Die Systemumstellung nach dem Platzverweis von der Dreierkette auf ein 4-4-1 griff, drei Einwechselspieler belebten die Offensive – und die Fans. Und zwar so sehr, dass Trainer Maik Walpurgis später behauptete, sein Team habe gar nicht in Unterzahl gespielt: „Das Publikum hat nach dem Platzverweis sofort gespürt, worauf es ankam und war unser elfter Mann.“

Dennoch: wenn Manuel Fischer kurz nach seiner Einwechslung in der 71. Minute die gute Chance genutzt hätte, die sich ihm nach einem tollen Pass von Enzo Marchese eröffnet hatte, wären die Kickers wohl als Sieger vom Platz gegangen. Doch eine Woche nach seinem spektakulären Fehlschuss in der Schlussminute gegen Fortuna Köln scheiterte der Unglücksvogel freistehend an Torwart Schwäbe – wer spricht da noch davon, dass er bei seinem Kurzeinsatz einige gute Szenen hatte?

Zuwachs an Robustheit

So setzte der eingewechselte Marcel Kandziora mit seinem Tor nach einer Ecke den berüchtigten Bremer-Brücke-Roar frei (78.), der den VfL in die Schlussoffensive trug. Da mussten sich die Kickers sogar mit aller Kraft gegen eine Niederlage stemmen, wobei der Torwart Carl Klaus seine gute Leistung mit einer Parade in der Nachspielzeit gegen Simon Tüting abrundete.

Dass sich quasi in der letzten Aktion eines ansehnlichen Spiels der fünf Minuten vorher verwarnte Bentley Baxter die Gelb-Rote Karte holte, war zwar ärgerlich, aber auch ein Indiz dafür, dass die Kickers in Osnabrück nicht nur spielerisch zu gefallen wussten, sondern sich auch kämpferisch behaupteten. Im Vergleich mit dem Spiel Anfang März, als die Mannschaft an gleicher Stelle 1:4 unterging, war ein Zuwachs an Robustheit zu erkennen.