Im Drittliga-Derby gegen die SGS Großaspach setzte es für die Stuttgarter Kickers am Samstag eine Klatsche. Nach vier Spielen ohne Sieg stecken die Blauen endgültig in der Krise.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Stuttgart - Vor dem kleinen Derby auf der Waldau präsentierten die Kickers-Fans am Samstag eine Choreografie – Pyrotechnik gleich inklusive, der Anpfiff verzögerte sich um ein paar Minuten. Ein Feuerwerk brannte auf dem Platz dann aber nur die SG Sonnenhof Großaspach ab, das dem Lichterfest auf dem Killesberg Konkurrenz gemacht hätte. 4:0 (1:0) gewannen die Gäste, und das auch noch hoch verdient. Bei den Kickers dagegen ist nach vier Spielen ohne Sieg ein Tiefpunkt erreicht: Willkommen in der Krise!

 

Einstellung Unter der Woche wollte der Trainer Horst Steffen von einer Krise noch nichts wissen, nach den 90 Minuten nahm er das Wort zwar nicht direkt in den Mund, wirkte aber etwas ratlos. „Ich kann mir die Leistung nicht genau erklären“, sagte er nach dem Spiel. „Wir haben nicht so gebrannt wie der Gegner“, musste er zugeben, nachdem sein Kollege Rüdiger Rehm gesagt hatte: „Wir haben von der ersten Minute an gebrannt. Wir wollten die Kickers nicht ins Spiel kommen lassen.“ Irgendwie schienen die überrascht, dass auch noch ein Gegner auf dem Platz steht, der sich nicht nur hinten reinstellt, sondern auch selbst die Initiative ergreift. „Da war kein Feuer drin“, polterte der Sportdierktor Michael Zeyer.

13 Gegentore in den letzten vier Spielen

Gegentore „Heute war die gesamte Mannschaft ein Totalausfall“, sagte Sandrino Braun. Wobei die Abwehr inzwischen schon die Achillesferse ist: 13 Gegentore in vier Spielen, so kann nicht mal Real Madrid seine Spiele gewinnen. „Wir wussten, was uns erwartet“, sagte der ehemalige Kickers-Spieler Julian Leist, „und wollten unser Spiel über die Flügel aufbauen.“ Das gelang fast perfekt über die starke rechte Seite mit Sebastian Schiek und Max Dittgen, aber auch über links mit Josip Landeka und Timo Röttger. Offenbar haben einige Gegner inzwischen die Schwachstellen der Kickers erkannt. Der Abwehrchef Marc Stein („Ich bin auch erschrocken, wie das gelaufen ist“) rennt seiner Form hinterher, Manuel Bihr gelang 45 Minuten lang gar nichts, ehe eine Verletzung (Sprunggelenk) einer sportlichen Auswechslung zuvor kam. Wo sind die Alternativen: Pachonik, Abruscia? Hat der Kader mehr Quantität (Stichwort drei Torhüter) als Qualität? Fragen, auf die es bisher keine befriedigenden Antworten gibt.

Kreativität Enzo Marchese musste ebenfalls verletzt raus – mit Hüftproblemen. Dem Kapitän gelang bis dahin allerdings nicht viel, er verschleppte das Spiel mehr als dass er es beschleunigte; Braun und Edisson Jordanov konnten ebenfalls nichts zu einem kreativen Spielaufbau beitragen. Ohne Tempo fehlt den Kickers der Überraschungseffekt – und die drei Spitzen hängen wirkungslos in der Luft.

Trainer Horst Steffen versucht, Ruhe zu bewahren und demonstriert die auch nach außen: „Wir werden jetzt nicht alles in Frage stellen.“ Soll wohl heißen: vor allem nicht das 4-3-3 System , das sich die sportliche Führung auf die Fahne geschrieben hat – und nach dem letztendlich auch der Kader ausgerichtet ist. Dennoch: außergewöhnliche Umstände erfordern außergewöhnliche Maßnahmen, und wie sagte Michael Zeyer zuletzt: „Alles kommt auf den Prüfstand.“ Bleibt abzuwarten, wie der interne Tüv ausfällt. Aktuell jedenfalls muss das Team zur Nachuntersuchung. Dass parallel dazu die Trainer-Personalie ungeklärt im Raum schwebt, darf zwar kein Alibi sein, kommt aber erschwerend hinzu.

Keine Zielvorgabe vor der Saison

Ziele Der Verein hat im Sommer bewusst kein Saisonziel ausgeben. Das kann man so machen, dennoch wäre eine klare Vorgabe nach dem vierten Platz in der Vorsaison vielleicht das richtige Zeichen an die Mannschaft gewesen, die die Erwartungshaltung trotzdem spürt: bei den Fans auf den Rängen und Funktionären im Vip-Raum. Steffen ordnete seine Elf vor der Runde – eher bescheiden – unter die ersten acht Teams ein. Aktuell ist sie Zehnter (wenn auch nur mit vier Punkten Rückstand auf Rang drei). Und jetzt? „Über den Aufstieg brauchen wir nicht mehr zu reden“, sagte Zeyer in einer ersten Reaktion.

Pokal Über den Pokal schon. Nächsten Samstag steht im WFV-Wettbewerb das Achtelfinale auf dem Programm. Ein Aus beim Verbandsligisten Backnang würde die Situation zuspitzen, andererseits aber ist die Partie zum Experimentieren unter den gegebenen Umständen auch nicht geeignet. Dabei müsste sich einiges ändern vor dem Derby beim VfB II in zwei Wochen.