Philipp Franke gibt sein Amt als Stuttgarter Kreisvorsitzender der Grünen auf, das teilte er am Dienstagabend in einer Presseerklärung mit. Der Zeitpunkt des Rücktritts hat auch seine eigenen Parteifreunde vollkommen überrascht.

Stuttgart - Mit dem Rückzug des Kreisvorsitzenden Philipp Franke von seinem Führungsamt haben die Grünen nicht gerechnet. Parteifreunde hatten kurz vor dem Versand der Pressemitteilung am Dienstag per SMS von seinem Rücktritt erfahren. „Es gab vorher keine Anzeichen“, so übereinstimmend führende Parteimitglieder in Stadt und Land.

 

Auch wenn Franke seinen Amtsverzicht mit persönlichen Gründen rechtfertigt – er wolle wieder mehr Zeit für seine Familie haben, sagt er –, kommt der Rücktritt für die Grünen gut fünf Monate vor den Kommunal-, Regional- und Europawahlen zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Dass der Parteichef von Bord geht, noch bevor die Grünen ihre Liste für den Urnengang beschlossen haben, lässt Raum für Spekulationen: Wollte Franke selbst antreten und war er womöglich mit dem ihm in Aussicht gestellten Listenplatz unzufrieden? Oder spielen möglicherweise auch neue berufliche Perspektiven eine Rolle? Der noch bis zu 12. Januar amtierende Parteichef verneint beides. Allerdings sei er beruflich als Referent für Energiepolitik im Staatsministerium sehr stark eingebunden, was sich insbesondere in Wahlkampfzeiten nur schwer mit dem ehrenamtlichen Engagement als Kreisvorsitzender vereinbaren lasse. „Ich mache keine halben Sachen – entweder ganz oder gar nicht“, begründet der Jurist seinen Amtsverzicht zum jetzigen Zeitpunkt.

Unter Frankes Ägide als Kreischef haben die Stuttgarter Grünen manche Höhenflüge erleben dürfen, etwa bei der Kommunalwahl 2009, als die Ökopartei die stärkste Fraktion im Gemeinderat stellte. Bei der Landtagswahl 2011 setzte sich der Erfolg fort: Die Grünen errangen in der Landeshauptstadt drei Direktmandate und trugen auf dem Höhepunkt des Streits über das Bahnprojekt Stuttgart 21 wesentlich dazu bei, dass der Grüne Winfried Kretschmann den CDU-Regenten Stefan Mappus im Amt des Ministerpräsidenten beerbte. Auf der Suche nach Personal erinnerte man sich im neu strukturierten Staatsministerium auch an den Stuttgarter Grünen-Chef – Franke bekam einen Job in der Abteilung Wirtschaftspolitik. Zuletzt verhalfen die Grünen ihrem Kandidaten Fritz Kuhn bei der OB-Wahl im Herbst 2012 zum Sieg.

Der Job wird nicht vergütet

Nur ein Jahr später musste die Partei dann bei der Bundestagswahl im September 2013 einen herben Absturz hinnehmen und landete trotz hochgesteckter Erwartungen mit 15,8 Prozent hinter dem klaren Wahlsieger CDU und noch hinter der SPD nur auf Platz drei. Dabei hatte die Partei sogar den Gewinn des Direktmandats im Wahlkreis Stuttgart I angestrebt, doch der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir verfehlte diese Zielmarke deutlich.

Eigentlich ein idealer Zeitpunkt für einen Rücktritt, doch Franke blieb im Amt. Sein Resümee bei der Wahlnachlese der Kreispartei erschöpfte sich in Medienschelte: Nicht die Grünen seien schuld an dem Wahldesaster, sondern die negative Berichterstattung über Programm und Personal der Partei.Fakt ist: der Job des Grünen-Kreisvorsitzenden ist ein undankbarer. Er wird nicht vergütet, erfordert aber gleichwohl einen hohen Zeitaufwand und verspricht außer der vagen Aussicht auf ein Mandat wenig Lorbeeren. Dazu hat es bei Franke nie gereicht, prägende Debattenbeiträge während seiner Amtszeit sind ebenfalls nicht überliefert. Letzteres hat er freilich mit seiner Co-Parteichefin Petra Rühle und seinen Vorgängern im Amt gemein.

Gleichwohl hat Franke für die Ökopartei erfolgreiche Wahlkämpfe mitorganisiert, die Partei hat sich in den vergangenen fünf Jahren unter seiner Führung nicht in politischen Grabenkämpfen zerfleischt, wie sie etwa bei der CDU bis vor Kurzem noch gang und gäbe waren. Dass sich Franke nun aufs Berufliche und Private konzentrieren will, dafür haben Parteifreunde Verständnis. Allein der Zeitpunkt des Rückzugs so kurz vor wichtigen Wahlen irritiert. Im Juni, wenn ohnehin turnusgemäß die Neuwahl des Parteivorstands ansteht, wäre der bessere Moment für diesen Schritt gewesen, heißt es in Parteikreisen.