Die Betreiberin eines Stuttgarter Massagesalons lässt vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim klären, ob ihre Tantra-Massagen sexuelle Dienstleistungen sind, für die Vergnügungssteuer fällig wird.

Stuttgart/Mannheim - Wenn eine nackte Masseurin einen nackten Kunden sinnlich berührt und es dabei zum Orgasmus kommt, muss diese Dienstleistung noch lange kein steuerpflichtiges sexuelles Vergnügen sein. Das findet zumindest eine Anbieterin von Tantra-Massagen – und ist am Donnerstag gegen die von der Stadt Stuttgart geforderte Vergnügungssteuer vor den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim gezogen. Dessen Entscheidung wird eine wegweisende Bedeutung beigemessen.

 

Das Stuttgarter Verwaltungsgericht hatte die Klage der Betreiberin in erster Instanz abgewiesen. Der Betrieb der Frau erfülle die Voraussetzungen der städtischen Vergnügungssteuer-Satzung, hieß es im Urteil vom November 2013. Die monatlich 420 Euro – zehn pro Quadratmeter der Massagesalons – müssten bezahlt werden.

13 Städte im Land erheben die Sexsteuer

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls ließ das Gericht die Berufung zu. Nach Auskunft einer Stuttgarter Gerichtssprecherin ist dieser Fall der erste seiner Art. Die sogenannte „Sexsteuer“ wird in mehreren deutschen Kommunen erhoben, Darunter sind 13 Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg, aber auch zum Beispiel Köln. Hamburg und Berlin haben dagegen keine solche Steuer.

Eine Kernfrage ist, ob in dem Massagesalon gezielt Gelegenheit zu sexuellem Vergnügen eingeräumt wird. Die Klägerin Monika Kochs machte am Donnerstag klar, dass bei den Massagen nach der indischen Tantralehre nicht der Sex im Vordergrund stehe. „Die Kunden sollen sich ganzheitlich erfahren können“, sagte die 56-Jährige. Dabei werde kein Körperbereich ausgespart.

Kunden können auch abgewiesen werden

Eine Tantramassage kostet zwischen 180 und 230 Euro, hieß es im ersten Verfahren. Ein Orgasmus könne, müsse aber nicht stattfinden, betonten die Klägerin und ihr Anwalt auch in Mannheim. Kunden, die nur die sexuelle Befriedigung im Blick hätten, würden zum Teil sogar abgewiesen.

Es gehe bei der Anwendung auch um Therapie – etwa nach schweren Krankheiten wie Krebs oder nach sexuellem Missbrauch, sagte Kochs, die vor ihrer Tantramassagen-Ausbildung 20 Jahre Beamtin im Öffentlichen Dienst war. Nicht selten würden bei den Behandlungen Tränen fließen, weil schmerzhafte Erinnerungen an die Oberfläche kämen.

Gericht will die Kunden belasten

Der Zweite Senat des Verwaltungsgerichtshofs machte deutlich, dass mit der Steuer nicht die Einrichtung belastet werden solle, sondern der Kunde, der sich teures sexuelles Vergnügen leisten könne. Insofern müsse auch die Motivation der Kunden betrachtet werden. Einige würden das besondere erotische Gefühl suchen. Es sei aber klar, dass Anbieter von Tantramassagen nicht in eine Ecke mit Bordellbetreibern gestellt werden könnten.

Kochs’ Anwalt erwiderte, wenn man die Motivation der Nutzer betrachte, müssten manchmal auch Hotelübernachtungen und Diskobesuche mit Sexsteuer belegt werden. Die Formulierung „und ähnliche Einrichtungen“ in der Vergnügungssteuersatzung sei zudem zu unbestimmt.

Das Kunstwerk am Gerichtsgebäude löst Freude aus

Laut dem Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts stehe es außer Frage, dass „diese Massagen, insbesondere dann, wenn der Intimbereich einbezogen wird, auch sexuelles Vergnügen hervorrufen können“. Dass sie nicht hauptsächlich darauf abzielten, sei nicht erheblich.

Zu den Chancen, die Klage in zweiter Instanz zu gewinnen, wollten sich weder Kochs noch ihr Anwalt äußern. Das Urteil soll innerhalb der kommenden drei Wochen bekannt gegeben werden. Michaela Riedl, Vorsitzende des Tantramassagen-Verbands (TMV), sagte: „Es ist schon ein Erfolg, dass von öffentlicher Seite gesagt wurde, dass Tantramassage keine Prostitution ist.“ Sie hob den „kulturellen Beitrag“ hervor. Freude löste bei den Mitgliedern des Verbands das große Kunstwerk vor dem Mannheimer Gerichtssaal aus. Es trägt den Titel: „Hommage au grand Tantra.“