Die Absolventen von drei Stuttgarter Modeschulen lassen vor den Sommerferien Models über den Catwalk stolzieren. Die Anregungen für kommen aus London – und vom Marienplatz.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Mode ist ein Spiegel der Zeit. Deshalb wählten die Absolventinnen der Staatlichen Modeschule Stuttgart ihre Beobachtungen auf der Straße als Motiv für ihre Fashionshow. Was ihnen dort an unterschiedlichsten Kleidungsstilen begegnet, haben sie umgewandelt, verdreht, neu zusammengesetzt und mit ungewöhnlichen Materialien in eigene Kreationen verwandelt. Ihre Show trägt dementsprechend den Titel „Street Poems“. „Wir romantisieren die Straße“, so übersetzt Frauke Schühle aus der Abschlussklasse das Motto. Sie und die anderen 23 Absolventinnen zeigen dies in drei Kapiteln. Das erste erscheint in Grau und Pastelltönen, greift das auf, was auf der Straße getragen wird, allerdings verfremdet durch die Designerinnen: die Bomberjacke aus Satin mit vielen Falten und dazu eine Hose aus Netzstoff.

 

Camouflage in Rosa

In Kapitel zwei wird Gewohntes zerlegt, etwa der klassische beigefarbene Trenchcoat: Sein Rock ist abnehmbar, und die weiten Ärmel sind unter den Achseln offen. „Der Trench ist ursprünglich ein Militärkleidungsstück. Uns ist es wichtig, bei allen Modellen die Herkunftsgeschichte mit einzuarbeiten“, erklärt Priscilla Molina. Rosa gefärbte dreidimensionale Camouflage-Elemente finden sich im dritten Kapitel, der Abendmode. Dort geht es bei Schnitten, Applikationen, Materialien und Farben zu wie im Tollhaus. Ein duftiges Kleid ziert eine Riesenschleife aus dem Material von Satteltaschen.

Ein einziger Schüler in der Klasse

Nur ein männlicher Absolvent ist dieses Mal im Abschlussjahrgang und deshalb gibt es auch nur ein einziges exzentrisches Outfit für Männer. Die Aufregung ist groß, denn am 14. und 15. Juli präsentieren die Models im ehemaligen Briefzentrum an der Ehmannstraße. Die Location ist derzeit als Interimsspielstätte der Oper im Gespräch. „Wenn wir die Kleidungsstücke für uns selbst genäht hätten, wären sie braver geworden, nicht so figurbetont oder transparent“, überlegt Hanna Pfeifer aus der Abschlussklasse. „Wenn man für andere etwas entwirft, ist man freier“, betont Schulleiterin Sabine Dirlewanger. Aber für die Produktion müssen sich die Modelle eignen, betont sie, denn die Absolventinnen finden ihre Jobs in den Design-Etagen der großen Labels. Voraussetzung für die zweijährige staatliche Modeschule ist eine einschlägige Ausbildung, zum Beispiel eine Schneiderlehre.

Trends schnuppern in London

Im Dezember waren die Schülerinnen eine Woche lang in London, um ein Gefühl für die Trends zu bekommen – sowohl in den angesagten Shops als auch in verschiedenen Ausstellungen. Gleich danach machten sie sich gemeinsam an das Konzept und ans Nähen. Dabei spielt auch der Upcycling-Gedanke mit, und zum Teil stammen die ungewöhnlichen Materialien aus der Restekiste bekannter Firmen. Und wo lassen sich in Stuttgart Inspirationen holen? „Der Marienplatz ist cool“, tönt es wie aus einem Mund. Auch die Gegend um das Fluxus und der Kleine Schlossplatz seien interessant, ganz im Gegensatz zur Königstraße.

Höchste Anspannung

Hektik und Anspannung herrscht auch bei 15 Schülern und Schülerinnen des Berufskollegs Modedesign beim Kolpingwerk. Die angehenden Modeschöpfer haben für den Catwalk ebenfalls Models gecastet. Am Wochenende zeigen die Abschlussschüler ihre in Schwarz und Weiß gehaltene Damenkollektion. Das Motto ist die Schnelllebigkeit in unserer Zeit.

Erfolgreiche Mode-Schüler

Bei den 40 Stuttgarter und Mannheimer Absolventen der Modeschule Kehrer hat sich die Aufregung schon wieder gelegt. Beide Dependancen der privaten Ausbildungsstätte präsentierten am vergangenen Wochenende im Wizemann 15 modische Themen und erhielten Standing Ovations. Outfits, die Motive aus der Kostümgeschichte aufnehmen, waren ebenso dabei wie futuristisch und sehr schlicht gehaltene Modelle. Mittlerweile lassen alle Modeschulen die Inszenierung ihrer Shows von Profis ausarbeiten. Bei der Staatlichen Modeschule ist dies Marco Goerke, der bisherige Hauschoreograf des Stuttgarter Balletts, bei der Modeschule Kehrer war es Filip Galiot, der Mode und Tanz in seiner eigenen Arbeit zusammenbringt. Seit 35 Jahren bildet die Privatschule Jungdesigner aus. Auch der frühere Creative Director bei Hugo Boss und zwischenzeitliches Vorstandsmitglied, Ingo Wilts, lernte hier. Und einige ehemalige Kehrer-Schüler gingen unter die Gründer und stellten anlässlich der Modenschau ihr eigenes Label vor.