Die jüngsten Empfehlungen des Kunstministeriums bergen Sprengkraft: Der Jazz- und Popstudiengang in Stuttgart wird vermutlich abgeschafft. Künftig soll die Ausbildung im Land in Mannheim konzentriert werden.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Es ist nur ein kleiner Nebensatz in den Eckpunkten, die das Kunstministerium am Mittwoch zur Reform der Musikhochschullandschaft vorgelegt hat – aber er birgt jede Menge Sprengkraft. „Die Ausbildungskapazitäten für Jazz und Pop im Hauptfach werden landesweit in Mannheim gebündelt“, heißt es da. Und das heißt im Umkehrschluss: der Studiengang für Jazz und Pop an der Musikhochschule in Stuttgart wird abgeschafft. Zwar handelt es sich bisher „nur“ um Empfehlungen einer Kommission, die natürlich zunächst der Landtag beschließen muss. Da aber der Landesrechnungshof gefordert hat, dass die fünf baden-württembergischen Musikhochschulen einen Einsparbetrag von fünf Millionen Euro zu erbringen haben (die StZ berichtete) und die Eckpunkte zudem im Dialog mit den Hochschulen beschlossen worden sind, darf die Zustimmung des Landtags als sicher gelten.

 

Mini Schulz, Professor für Bass und derzeit einer der beiden Interimsleiter des Stuttgarter Studiengangs, zeigt sich verständlicherweise schwer enttäuscht. „Unfassbar“, sagt er, sei dieser Plan. „Seit mehr als 15 Jahren bauen wir hier eine Matrix auf“, sagt Schulz über den Jazzstandort Stuttgart. Er meint damit Spielstätten wie den Club Bix oder die Kiste, wo die Jazz- und Popmusikstudenten Auftrittsmöglichkeiten finden. „Eine Stadt wie Mannheim kann dies nicht bieten. Dort gibt es keine Szene, wo die Studenten spielen könnten“, sagt Schulz. Nicht nur die Studenten und Jazzliebhaber, sondern die ganze Stadt würde etwas verlieren, meint Schulz. Die Verantwortlichen sollten sich „angesichts der Einsparsumme mal überlegen, was dafür alles zerdeppert wird.“ Insbesondere zeigt sich Schulz jedoch von der grün-roten Landesregierung enttäuscht: „Das sind doch ausgerechnet die Politiker, die mehr für die Populärkultur tun wollten.“

Für die bereits eingeschriebenen Studenten ändert sich nichts

Weitaus verständnisvoller äußert sich hingegen Matthias Hermann, der für die Lehre zuständige Prorektor der Musikhochschule. Er ist zunächst einmal froh, dass nicht – wie vom Rechnungshof vorgeschlagen – nach der Rasenmähermethode an allen fünf Hochschulen im Land pauschal gekürzt werde. Er betont, dass die Stuttgarter Musikhochschule stets klargestellt habe, dass sie sich an der Neustrukturierung beteiligen werde. Und er glaubt, dass die Verlagerung der Popularmusikausbildung nach Mannheim sogar positive Folgen haben könnte: „Ich halte es für möglich, dass durch die Fokussierung auf nur einen Standort eine intensivere künstlerische Auseinandersetzung möglich ist.“

Eine Evaluation durch externe Gutachter habe zuvor ergeben, so Hermann, dass eine nennenswerte qualitative Verbesserung der eigenen Ausbildung einer – natürlich unrealistischen – Verdoppelung der Stellen bedurft hätte. Herrmann hofft, dass Baden- Württemberg durch die Konzentration auf Mannheim nun „in die Liga der großen Ausbildungsstandorte aufsteigen kann“, zu denen er im deutschsprachigen Raum in Sachen Jazz die Musikhochschulen in Köln, Berlin und Luzern zählt. Und in einem Punkt, der vermeintlich fehlenden Jazzszene in Mannheim, widerspricht er Mini Schulz dezidiert: „Studenten profitieren mehr von einem großen Schmelztiegel als von einer lokalen Community“.

Am Institut für Jazz und Pop sind derzeit rund sechzig Studenten eingeschrieben. Für sie ändert sich einstweilen nichts, es kommen demnächst sogar neue hinzu. Die Aufnahmeprüfungen für das kommende Wintersemester sind bereits abgeschlossen und die entsprechenden Zulassungsbescheide erteilt worden.

Die Leitung des Instituts ist verwaist

Für die Dozenten sieht das allerdings vielleicht anders aus. „Natürlich“, sagt Hermann, gehe er davon aus, dass bei einer Fusion der Studiengänge und der ebenfalls beabsichtigten Eingliederung der Mannheimer Popakademie in die dortige Musikhochschule auch Lehrpersonal eingespart werde. Wann der Stuttgarter Studiengang aufgelöst wird (so denn der Landtag das Paket beschließt), ist noch offen. Hermann sieht dies als „Überblendvorgang“, der sich über mehrere Jahre erstrecken werde.

„Das Institut ist sowieso schon angeschlagen, und jetzt passiert auch noch das“, bilanziert wiederum Mini Schulz. In der Tat: denn die Leitung des Instituts ist verwaist, seit der bisherige Lehrstuhlinhaber, der Saxofonprofessor Bernd Konrad, in den Ruhestand verabschiedet wurde. Interimsweise wird das Institut von Schulz und dem Jazzkompositionsprofessor Rainer Tempel geleitet. Konrads Posten ist zwar ausgeschrieben, aber nicht besetzt worden. „Wir hätten die Stelle gerne besetzt, aber etliche hochkarätige Bewerber haben uns abgesagt, daher ist die Besetzung aus Qualitätsgründen nicht erfolgt“, sagt Matthias Hermann, der bestreitet, dass die Nichtbesetzung eine vorauseilende Folge der Reformüberlegungen ist. „Ich gehe davon aus, dass man weiter sucht“, so Hermann.

Entschlossenheit klingt freilich anders. Und einen hochkarätigen Nachfolger für den Saxofonisten Bernd Konrad zu finden, der das Institut in Stuttgart als (nach dem Jazzstudiengang an der Musikhochschule Köln) zweitältesten popularmusikalischen Studiengang in Deutschland im Jahr 1986 aufgebaut hat, wird durch die neuen Pläne gewiss nicht einfacher.