Der Tod eines 13-Jährigen hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass die Flüchtlinge schwimmen lernen. Der Bedarf an Kursen ist groß, aber es gibt einfach nicht genug freie Wasserzeiten.

Stuttgarter Norden - Die Kinder aus der Flüchtlingsunterkunft an der Bubenhaldenstraße in Feuerbach gehen gerne schwimmen. Da ist sich Thea Härer sicher. Seit Monaten kümmert sie sich beim Freundeskreis Flüchtlinge Feuerbach (FFF) um die Betreuung der Kinder und Jugendlichen. Sie koordiniert die Angebote. Eines davon hat seit dem Sommer 2015 immer mal wieder in den Schulferien im Feuerbacher Hallenbad stattgefunden. Denn: Die Kinder und Jugendlichen aus Syrien, dem Irak oder aus Afghanistan finden das Element Wasser zwar super, können aber in den allermeisten Fällen nicht schwimmen. „Ich habe leider bislang noch kein Mädchen und keinen Jungen getroffen, der es konnte“, sagt Thea Härer.

 

Gemeinsam mit der Schwimmschule der Sportvereinigung Feuerbach will sie das ändern. Rund 20 Kinder im Alter zwischen sieben und 16 Jahren haben bislang am Unterricht teilgenommen. Und der Erfolg ist sichtbar. Trotz Sprachbarriere haben es die Leiterin der Schwimmschule, Eva Schneider, und ihr Team in wenigen Stunden geschafft, dass einige der Teilnehmer mittlerweile schon so gut schwimmen können, dass sie mit dem Seepferdchen ausgezeichnet wurden. „Sie hatten alle keine Vorkenntnisse. Sie kannten Wasser nur vom Trinken, Waschen und Durchwaten. Manche haben gedacht, sie könnten sogar unter Wasser atmen“, sagt Eva Schneider.

Gerne würde sie gemeinsam mit dem FFF die Schwimmkurse weiter anbieten – vor allem vor dem Hintergrund, dass nun auch an der Wiener Straße viele Kinder und Jugendliche eingezogen sind, die noch nicht schwimmen können. Doch nachdem das Feuerbacher Hallenbad seit wenigen Tagen aufgrund der umfangreichen Sanierung für voraussichtlich zwei Jahre geschlossen sein wird, fehlen die Wasserzeiten. „Die Bäderbetriebe der Stadt müssten sich meiner Meinung nach um Ersatzflächen kümmern“, betont der Präsident der Sportvereinigung, Rolf Schneider.

Vereine fordern zusätzliche Lehrschwimmbecken

Doch Lars Mühlig von den Bäderbetrieben kann wenig Hoffnung auf Erfolg machen. Teilweise gebe es noch Wasserzeiten. Aber die seien über Stuttgart verteilt. Detailliert könne er aktuell aber nicht sagen, wo und wann es noch Platz gebe. „Wenn wir Anfragen haben, erheben wir, wo etwas frei ist“, sagt Mühlig. Der Bedarf sei aber groß – vor allem an Schwimmkursen. „Wir haben auch selber welche. Die sind immer sehr schnell ausgebucht.“ Für Flüchtlinge im Speziellen biete aber auch die Arbeitsgemeinschaft Schwimmsporttreibender Vereine Stuttgart (AGS) Kurse an.

„Einmal die Woche gibt es zwei Kurse im Leo-Vetter-Bad“, sagt der AGS-Vorsitzende Alexander Wolff auf Nachfrage unserer Zeitung. Und die Warteliste ist lang. Das gelte im Übrigen für alle Schwimmkurse. Drei bis vier Jahre betrage die Wartezeit für einen klassischen Schwimmkurs für Kinder. „Wir haben ein großes Manko an Wasserzeiten – vor allem im Bereich Schwimmen lernen und Schulschwimmen“, sagt Wolff. „Zwei bis drei Lehrschwimmbecken bräuchten wir zusätzlich. Doch ich habe nicht das Gefühl, dass der Gemeinderat diesen Mangel beheben möchte.“

Wie wichtig Schwimmkurse – vor allem auch für Flüchtlinge – sind, zeigt der Tod eines 13-jährigen Buben Anfang Juli im Freibad des ASV Botnang. „Der Junge hat mit anderen Kindern im Wasser gespielt. Sie haben Tauchübungen gemacht – bis der 13-Jährige auf dem Grund des Beckens liegenblieb“, sagt Staatsanwalt Jan Holzer. Die Kinder seien gleich abgetaucht, um zu helfen. Auch der Bademeister habe umgehend eingegriffen und versucht, ihn wiederzubeleben. „Das haben mehrere Zeugen ausgesagt.“ Aber letztendlich sei dem Bub nicht mehr zu helfen gewesen. „Es war ein Unfall. Da war nichts zu machen“, betont Holzer. Ein Fremdverschulden könne er ausschließen.

In Botnang, Zuffenhausen, Stammheim und Weilimdorf gibt es noch keine Kurse

Beim ASV Botnang sitzt der Schock noch tief. „Wir haben uns schon früh mit dem Thema beschäftigt, dass unter den Flüchtlingen viele Nichtschwimmer sind. Die Bademeister sind sensibilisiert. Es ist furchtbar, dass dieser Unfall passiert ist“, sagt der Vorsitzende Martin Brodbeck. Gemeinsam mit den Sozialarbeitern der Flüchtlingsunterkünfte an der Furtwänglerstraße möchte der ASV nun einen Schwimmkurs anbieten. „Es ist in Arbeit“, sagt Heimleiter Björn Gieseler vom Deutschen Roten Kreuz. Und Brodbeck ergänzt: „Wir stellen gerne unser Bad zur Verfügung. Allerdings ist es zwingend erforderlich, dass qualifizierte Schwimmlehrer diesen Kurs anbieten.“

Dieser Meinung ist auch der Sprecher des Weilimdorfer Freundeskreises, Werner Bossert: „Wir planen Kurse in Kooperation mit dem SV Gerlingen. Das Angebot ist in Arbeit.“ In den Weilimdorfer Unterkünften leben mehr als 100 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen fünf und 17 Jahren, die noch nicht schwimmen könnten.

Auch in Stammheim ist ein Kurs für Flüchtlinge angedacht. „Allerdings wird dieser erst einmal niederschwellig stattfinden“, sagt Bezirksvorsteherin Susanne Korge. Es gebe einfach keine Wasserzeiten. Man könne deshalb nur nachmittags in den Sommerferien im Hallenbad Zuffenhausen neben dem normalen Badebetrieb mit zwei Kindern üben. Zu dieser Zeit sei wenig im Bad los. Anders ginge es leider nicht.

Die Freundeskreise in Zuffenhausen können dagegen derzeit aufgrund von zu wenig ehrenamtlichen Helfern keinen Schwimmkurs organisieren.