Im Jahr 2020 kann der Bedarf an stationärer Pflege wohl nicht mehr gedeckt werden, es mangelt oft an Plätzen, Personal oder den finanziellen Mittel. Eine Prognose für die Bezirke des Stuttgarter Nordens.

Stuttgarter Norden - Annähernd 1000 Betten stehen aktuell in den Pflegeheimen in den nördlichen Bezirken. Das wird in absehbarer Zukunft wohl nicht ausreichen: Laut dem Kreispflegeplan muss davon ausgegangen werden, dass bis zum Jahr 2020 in den fünf nördlichen Bezirken insgesamt 226 stationäre Pflegeplätze fehlen werden. Doch das ist noch nicht alles: „Da kann noch ein Mehrbedarf entstehen“, sagt Gabriele Reichhardt, Leiterin der Sozialplanung beim städtischen Sozialamt. So sieht die Landesheimbauverordnung (siehe „Rechtlicher Hintergrund“) vor, dass ab September 2019 nur noch Einzelzimmer angeboten werden dürfen.

 

Stammheim

In Stammheim bietet die Evangelische Altenheimat im Luise-Schleppe-Haus und im Schloss insgesamt 98 Pflegeplätze. Nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden Hans Kübler sind darunter 23 Doppelzimmer, das im Kreispflegeplan für den Bezirk ausgewiesene Defizit von 21 Plätzen im Jahr 2020 wird sich also wohl noch erhöhen.

Zuffenhausen

Für Zuffenhausen werden bis in fünf Jahren 107 fehlende Pflegeplätze prognostiziert. Da bei der Else-Heydlauf-Stiftung und im Haus Adam-Müller-Guttenbrunn derzeit 40 Doppelzimmer angeboten werden, ist auch hier mit höheren Zahlen zu rechnen. „Es ist aber nicht so einfach, dass man aus einem Doppel- ein Einbettzimmer machen kann“, sagt Werner Feil, Leiter der Else-Heydlauf-Stiftung. Da das Haus der Stadt gehöre, müsse man prüfen, inwiefern bauliche Veränderungen möglich seien. Auf Umbaumaßnahmen wird es über kurz oder lang auch im Haus Adam-Müller-Guttenbrunn hinauslaufen, sagt Hausleiter Joachim Treiber: „Wir werden eine Zimmerreduzierung haben, aber Genaueres kann ich noch nicht sagen.“ Im Zuffenhäuser Samariterstift hingegen werden schon seit der Sanierung Anfang der Neunziger-Jahre nur noch Einzelzimmer vermietet.

Feuerbach

Allerdings sei es eine Milchmädchenrechnung, wenn man nur die Umwandlung von Doppel- in Einzelzimmer betrachte, sagt Stefanie Mencke. Die Regionalgeschäftsführerin des Arbeiter-Samariter-Bunds ist unter anderem für das Haus am Feuerbach verantwortlich. Derzeit werden dort in 60 Einzel- und 24 Doppelzimmern insgesamt 108 Pflegeplätze angeboten. „Wenn wir das Heim gemäß der Verordnung umbauen, bleiben davon noch 72 übrig“, so Mencke. Es gebe bei der gesetzlichen Vorgabe einige Aspekte, die dazu führten, dass viele bestehende Einrichtungen grundlegend umstrukturiert werden müssen: die maximale Wohngruppengröße von 15 Personen und der Anspruch auf fünf Quadratmeter Gemeinfläche je Bewohner beispielsweise.

In Feuerbach entstehen aber auch neue Pflegeheimplätze: Die evangelische Heimstiftung hat die Christophkirche am Fleckenweinberg 29 gekauft und möchte auf dem Areal 50 stationäre Pflegeplätze schaffen. „Das Projekt ist noch in der Konzeptionierungsphase“, sagt die Pressesprecherin der evangelische Heimstiftung Judith Eschenhagen. Ende dieses Jahres soll mit dem Bau begonnen werden, mit der Fertigstellung sei im Frühjahr 2017 zu rechnen. Diese 50 neuen Plätze sind im Kreispflegeplan schon berücksichtigt. Mit dann insgesamt 394 Betten ist Feuerbach der einzige der fünf Nord-Bezirke, wo für das Jahr 2020 kein Defizit, sondern sogar eine Überdeckung des Bedarfs erwartet wird.

Botnang, Weilimdorf und der rechtliche Hintergrund

Botnang

Zur evangelische Heimstiftung gehört auch das Karl-Wacker-Heim in Botnang. Von den 125 Betten dort stehen 14 in Doppelzimmern – und das soll auch so lange wie möglich so bleiben, sagt Eschenhagen: „Da haben wir keine Belegungsproblematik.“ Teils würden dort Ehe- oder Geschwisterpaare leben, teils Menschen, die aus therapeutischen Gründen nicht alleine in einem Zimmer liegen sollten.

Weilimdorf

Auch Botnang steht mit einem erwarteten Defizit von drei Plätzen vergleichsweise gut da – im Gegensatz zum Nachbarbezirk: „In Weilimdorf ist der Bedarf an Pflegeplätzen immens“, sagt Hans Kübler. Zur Altenheimat gehört das dortige Haus am Lindenbachsee, wo wohl 22 der 112 Plätze wegfallen werden – zusätzlich zu den im Kreispflegeplan für Weilimdorf prognostizierten 203 fehlenden Betten. Mit einem Erweiterungsbau könnten hier immerhin rund 55 neue Plätze entstehen – wenn er denn genehmigt wird. Das Sozialamt sei sehr daran interessiert, dass die Erweiterung kommt, sagt Gabriele Reichhardt. „Wir sind mit dem Träger und verschiedenen Ämtern in konkreten Gesprächen.“

Generell sei man gemeinsam mit dem Amt für Stadtplanung auf der Suche nach Grundstücken für Pflegeheime, so Reichhardt. Der Leiter des Stadtplanungsamts Detlef Kron erklärt, dass derzeit eine Vorlage erarbeitet werde, die im Herbst im Gemeinderat vorgestellt und beraten werden soll. Kron gibt zu bedenken, dass es mitunter Interessenskonflikte bei der Grundstückssuche gebe: „Wir haben einen Mangel an Bauflächen in Stuttgart.“ Oft müsse abgewogen werden zwischen Wohnraum, Pflegeheimen und anderem Gemeinbedarf.

Informationen zum rechtlichen Hintergrund:

Kreispflegeplan:

Alle Landkreise Baden-Württembergs erstellen einen Kreispflegeplan. Darin werden bestehende und geplante Pflegeplätze erhoben sowie der Bedarf auf das Jahr 2020 hochgerechnet. Für Stuttgart wird ein Bedarf von 6009 Plätzen prognostiziert, bei 5499 bestehenden und 50 geplanten Pflegeplätzen würden damit noch 460 Plätze fehlen.

Landesheimbauverordnung
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Nach dieser Verordnung darf es vom 1. September 2019 an in Pflegeheimen nur noch Einzelzimmer geben und die Heime sollen eine Größe von 100 Plätzen nicht überschreiten, Ausnahmen sind vor allem in Ballungsräumen möglich. Darüber hinaus regelt die Verordnung die Wohngruppengröße, die Raumaufteilung und auch die Lage der Heime.

Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz (WTPG)
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Das WTPG ist am 31. Mai 2014 in Kraft getreten. Es soll dem Wunsch der Menschen gerecht werden, möglichst lange selbstständig leben zu können. Dazu werden neben häuslicher und stationärer Pflege auch dezentralisierte Pflegeformen wie betreute Wohngemeinschaften vom Gesetzgeber erfasst.