Es war ihr letzter offizieller Termin als OB-Kandidatin der SPD: Bettina Wilhelm will bei der Neuwahl am 21. Oktober nicht mehr antreten. Auf eine klare Wahlempfehlung verzichtet sie jedoch.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Der Wahlkampf ist für Bettina Wilhelm seit Montag um 13.45 Uhr beendet – wie erwartet hat sie nach dem schlechten Ergebnis im ersten Wahlgang in einer Pressekonferenz ihren Rückzug erklärt. Es war ihr letzter offizieller Termin als OB-Kandidatin der SPD. An diesem Dienstag wird sie ihr Büro und ihre Stuttgarter Wohnung räumen, am Mittwoch sitzt sie wieder als Bürgermeisterin an ihrem Schreibtisch in Schwäbisch Hall. Ihren ganzen Urlaub und 30 000 Euro hat Bettina Wilhelm für den Wahlkampf eingesetzt: „Das war es wert“, sagte sie am Montag mit gar nicht so aufgesetztem Lächeln.

 

Eine persönliche Wahlempfehlung wollte Bettina Wilhelm nicht aussprechen: „Alle meine Wähler sind mündige Bürger – ich als Wählerin würde mich auch nicht beeinflussen lassen wollen.“ Allerdings betonte sie, dass sie die größten inhaltlichen Übereinstimmungen mit Fritz Kuhn, dem Kandidaten der Grünen, sehe. Mit Sebastian Turner, der von CDU, Freien Wählern und FDP unterstützt wird, und Fritz Kuhn hat Wilhelm am Montag telefoniert.

Mit Kuhn sei sie überein gekommen, dass dieser zwei Themen, die ihr besonders wichtig seien, aufgreifen werde, falls er Oberbürgermeister wird. Erstens müsse die Stadt mehr bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen, wo Wilhelm. Ihr Ziel als OB wäre es gewesen, ein Förderprogramm mit 100 Millionen Euro aufzulegen. Zweitens müssten mehr Gemeinschaftsschulen entstehen, um Kindern mit Migrationshintergrund mehr Chancen zu eröffnen.

Der späte Einstieg in den Wahlkampf als Manko?

Für die Aufräumarbeiten reicht Bettina Wilhelm ein Tag – der Kehraus der Stuttgarter SPD dürfte deutlich länger dauern. Denn die Partei muss „eine lange Serie von schlechten Ergebnissen“ verarbeiten, wie der Kreisvorsitzende Dejan Perc sagte – nach der Kommunalwahl (17,0 Prozent) und der Landtagswahl (20,4 Prozent in Stuttgart) blieb die SPD nun auch bei der OB-Wahl (15,1 Prozent) weit hinter ihren eigenen Ansprüchen zurück. Die eigentliche Auswertung der Wahlergebnisse steht noch aus, aber der Hauptgrund für den enttäuschenden Ausgang sehen die Kandidatin und die SPD unisono in der Zuspitzung des Wahlkampfes auf das Duell Turner kontra Kuhn.

Vor allem nach der Umfrage von StZ und SWR eine gute Woche vor der Wahl habe sie diese Polarisierung überall in der Stadt gespürt, sagte Bettina Wilhelm. Viele Wähler hätten ihr gesagt, dass sie sie leider nicht wählen könnten, weil sie lieber gleich einem aussichtsreichen Kandidaten die Stimme gäben. Geärgert habe sie sich dabei weniger über die Umfrage an sich, sondern vielmehr über die Berichterstattung: Im Radio habe man sie als chancenlose Kandidatin bezeichnet, in Artikeln sei von einem Kopf-an-Kopf-Rennen die Rede gewesen. „Eine Woche vor der Wahl kann man da nichts mehr herumreißen“, so Wilhelm.

Warum es der SPD-Kandidatin nicht gelang, aus dem Duell einen Dreikampf zu machen, dazu gab es am Montag nur erste Ansätze von Erklärungen. Der späte Einstieg in den Wahlkampf sei vermutlich doch ein Manko gewesen, meinte Wilhelm. Sie habe bei der Bekanntheit zwar aufgeholt, aber Fritz Kuhn sei den Wählern eben seit vielen Jahren ein Begriff. Daneben habe sie Stuttgart 21 als Thema unterschätzt. Emotional spalte es die Stadt nach wie vor, so Bettina Wilhelm: „Mir ist es nicht gelungen zu vermitteln, dass ich für beide Seiten wählbar bin. Ich hätte mir zugetraut, die Menschen zu versöhnen.“ Zudem habe sie mit wichtigen sozialen Themen, wie der zunehmenden Armut und den vielen unsicheren Arbeitsverhältnissen in Stuttgart, nicht punkten können.

Dejan Perc wollte das Ergebnis am Montag nicht schönreden. Aber Stuttgart sei eine andere Stadt geworden, seit die SPD-Kandidatin Ute Kumpf vor acht Jahren bei der OB-Wahl 32,8 Prozent erzielte – die Bevölkerung in Stuttgart habe sich verändert, der Grad der Politisierung auch. Doch stuft Perc das Wählerpotenzial der SPD weiter höher ein als die erzielten 15,1 Prozent. Zerknirscht meinte Perc jedoch: „Wir müssen uns überlegen, warum wir es nicht geschafft haben, bei den Wählern als echte Alternative gesehen zu werden.“