So sehr sich die OB-Kandidaten in ihren Positionen unterscheiden mögen, so einig präsentierten sie sich bei einer Podiumsdiskussion des Deutsch-Türkischen Forums. Die Integrationspolitik in Stuttgart verdiene gute Noten.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - So viel Einmütigkeit hat es in diesem OB-Wahlkampf wohl selten gegeben. In der Debatte zur Integrationspolitik lobten nicht nur alle vier geladenen Kandidaten die Arbeit von Manfred Rommel und Wolfgang Schuster, sie zeigten in ihren Zielen auch viele Gemeinsamkeiten. So sehen Bettina Wilhelm, Hannes Rockenbauch, Fritz Kuhn und Sebastian Turner beim zentralen Thema Bildung einen Schwerpunkt in der Förderung von Kindern aus Migrantenfamilien, insbesondere in der vorschulischen Sprachförderung.

 

Gute Noten für Schusters Integrationspolitik

Als am Montagabend im Linden-Museum nach einer Stunde, während der die vier Bewerber zu verschiedenen Themen der Integrationspolitik befragt wurden, die Publikumsrunde begann, äußerte eine Zuhörerin ihre Überraschung über den Verlauf, den der Abend bis dahin genommen hatte: „Ich bin irritiert, ich weiß gar nicht mehr, wen ich wählen soll – am liebsten würde ich alle vier wählen.“ Das traf durchaus einen wesentlichen Zug der Veranstaltung, zu der zwölf Vereine und Institutionen geladen hatten, allen voran das Deutsch-Türkische Forum, das Forum der Kulturen und das Lindenmuseum.

Zunächst sollten die OB-Bewerber erklären, was sie an der bisherigen Integrationspolitik der Stadt schätzen. Wahlweise bekamen Wolfgang Schuster (Rockenbauch: „Es kommt nicht oft vor, dass ich OB Schuster lobe“), seine Stabsabteilung Integration (Bettina Wilhelm: „Da sind die Rückmeldungen von Menschen mit Migrationshintergrund sehr gut“), die vielen Vereine, die sich um die Integration von Migranten bemühen (Fritz Kuhn: „Das ist gut, was hier läuft“) oder auch die Offenheit der Bürger und der Wirtschaft (Sebastian Turner: „Das Klima ist sehr gut, ich bin gar nirgends auf Ressentiments gestoßen“) gute Noten – oder alles zusammen.

Verschiedene Wege zu einem gemeinsamen Ziel

Was bleibt da noch zu tun? Hannes Rockenbauch, der für SÖS/Die Linke kandidiert, weiß zwar, dass die Stadt nicht über das Ausländerwahlrecht entscheidet, er würde sich aber mit seinem ganzen Gewicht als OB dafür öffentlich einsetzen und ließ gleich einen schriftlich formulierten Appell in der Sache im voll besetzten Saal herumgehen. Dass durch die Gemeinschaftsschule die Kinder länger gemeinsam in der Schule lernen, hält Rockenbauch für einen wichtigen Schritt.

Grünen-Kandidat Fritz Kuhn will das Thema „Chancengleichheit im Bildungssystem“ zu seinem Schwerpunkt machen, angesichts der Tatsache, „dass bei der Einschulung 50 Prozent der Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund kommen, aber nur 13 Prozent aufs Gymnasium gehen“. Kuhn legt auch Wert darauf, dass der muttersprachliche Unterricht für Migrantenkinder wieder verstärkt wird.

„Chancengleichheit in der Schule“ war auch das Stichwort des von der CDU nominierten Sebastian Turner. Zuvor aber müsse „der Spracherwerb vor der Grundschule verbessert werden“. Dies habe „absolute Priorität“ und dürfe nicht am Geld scheitern. Werde dies versäumt, komme das die Gesellschaft sehr teuer. „Das sieht jeder ein, dass das Geld gut angelegt ist“.

Bettina Wilhelm, die für die SPD antritt, würde im Falle ihrer Wahl Kindertagesstätten zu Familienzentren ausbauen. Dort könnten für Migrantenkinder und ihre Familien die genannten Angebote gemacht werden, vom Sprachkurs bis zur Schuldnerberatung. Und Bettina Wilhelm sieht in der Einführung der Gemeinschaftsschule entscheidende Vorteile für eine bessere Integration.

Kleine Uneinigkeiten bei allgemeinem Konsens

Um den Anteil von Migranten in der Verwaltung zu erhöhen, würde Hannes Rockenbauch die Unterlagen von Bewerbern anonymisiert beurteilen lassen. „Eine sehr gute Idee“, befand Sebastian Turner. Um einheimische Bürger und Migranten etwa bei Festen einander näher zu bringen, würde Fritz Kuhn ausländische Vereine animieren, stärker an Stadtteilfesten teilzunehmen. Sebastian Turner denkt daran, dass die Stadt bei solchen Anlässen mit einem „Willkommenstisch“ vertreten sein könnte. Bettina Wilhelm wiederum würde zur Verbesserung der „Willkommenskultur“ in der Stadt zu diesem Zweck eine eigene Einrichtung schaffen.

Was die Unterbringung von Flüchtlingen angeht, vertreten alle das praktizierte Stuttgarter Modell, das eine möglichst dezentrale Unterbringung der Menschen vorsieht. Bettina Wilhelm hält die Schaffung von Sozialwohnungen für vordringlich, so dass auch Flüchtlinge mit der Zeit überhaupt Wohnraum finden. Fritz Kuhn und Hannes Rockenbauch sind der Auffassung, dass der Standard der Flüchtlingsunterkünfte verbessert werden sollte, was Sebastian Turner nicht für nötig hält. Turner: „Ich sage das an der Stelle, bevor wir uns hier jetzt alle umarmen“.