Der von CDU, FDP und Freien Wählern unterstützte Unternehmer Sebastian Turner will bei der Neuwahl in zwei Wochen die fehlenden Stimmen bei den SPD-Anhängern holen. Derweil wird Kritik in den eigenen Reihen laut.

Stuttgart - Als Andreas Renner am Sonntagabend nach dem VfB-Heimspiel im Rathaus vorbeischaute, muss das auf die Unterstützer des parteilosen, aber von der CDU nominierten OB-Bewerbers Sebastian Turner wie eine Provokation gewirkt haben. Der Ex-Sozialminister, der Turner bei der parteiinternen Vorausscheidung um die Kandidatur unterlegen war, gab seinen applaudierenden Parteifreunden im Vorbeigehen ein paar Tipps, wie die Wahl in knapp 14 Tagen noch zu gewinnen sei – und begab sich dann schnurstracks in die Gaststätte Schlesinger, wo die Grünen gerade ihren Kandidaten Fritz Kuhn, den Sieger des ersten Durchgangs der OB-Wahl, hochleben ließen.

 

Renners Auftritt illustriert, wie es um den Zustand der Kreispartei derzeit bestellt ist. Das Ergebnis des ersten Wahlgangs liefert den parteiinternen Kritikern des Kandidaten Turner und seines Wahlkampfmanagers Stefan Kaufmann neue Munition. Turner habe die Erwartungen der Parteispitze nicht erfüllen können, heißt es dort. Nicht einmal das eigene bürgerliche Lager habe der Kandidat mobilisieren können, geschweige denn Stimmen von der SPD und der Grünen abziehen. „Miteinander“ – dieser Wahlslogan Turners sei offenbar nicht einmal bei den Anhängern von CDU, Freien Wählern und FDP angekommen. Von einem „inhaltlich einfallslosen“ Wahlkampf ist die Rede und davon, der Kandidat spalte die CDU, anstatt sie zu einen. „Wie so jemand die Stadt im Streit um Stuttgart 21 versöhnen will, ist mir wirklich schleierhaft“, sagt ein Christdemokrat, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Kaufmann setzt auf die Wähler der SPD

Am Tag danach ist hingegen das Wahlkampfteam Turners bei der Analyse des Abschneidens des Bewerbers noch nicht sehr weit gekommen. „Weil Kuhn zwei Prozent mehr hatte“, lautet die erste Antwort des CDU-Kreisvorsitzenden Kaufmann auf die Frage, warum Turner nur auf Platz zwei gelandet ist. Auf Nachfrage führt Kaufmann unter anderem die geringe Wahlbeteiligung (46,7 Prozent) an: „Da können wir bei unseren Wählern in den Außenbezirken der Stadt noch zulegen.“ Vor allem aber setzt Kaufmann auf Stimmen aus der Wählerschaft der SPD. Deren Kandidatin, die Schwäbisch Haller Bürgermeisterin Bettina Wilhelm, hat am Montag erklärt, sie stehe bei der Neuwahl am 21. Oktober nicht mehr zur Verfügung. Dass Wilhelm ihren Wählern aber keine direkte Empfehlung zu Gunsten des Grünen Kuhn gegeben hat, macht Kaufmann Hoffnung: „Frau Wilhelm war in unseren Hochburgen, zum Beispiel in den Neckarvororten, stark. Ich bin überzeugt, dass viele ihrer Wähler in zwei Wochen Sebastian Turner ihre Stimme geben.“ Wahlforscher von Infratest Dimap und Emnid haben dagegen ermittelt, dass die Mehrheit der Wilhelm-Wähler bei der Neuwahl eher zu Fritz Kuhn tendiert.

Am Nachmittag meldeten sich Turner und Kaufmann nochmals zu Wort. Ihre Bilanz des ersten Wahlgangs: „Das Wahlergebnis zeigt klar, dass die Mehrheit der Wähler einen parteilosen und überparteilichen OB wünscht.“ Zudem wolle eine Mehrheit der Bürger, dass der neue Rathauschef den Bau von Stuttgart 21 nicht weiter verschleppe und verteuere. Und schließlich habe die Mehrheit am Sonntag für einen Rathauschef gestimmt, der jung genug ist, zwei Perioden zu absolvieren – dies in Anspielung darauf, dass der 57-jährige Kuhn nach den Vorgaben der Gemeindeordnung aus Altersgründen nur eine Amtszeit absolvieren könnte.

Und noch ein Thema setzte Sebastian Turner auf die Tagesordnung: „Viele Stuttgarter wollen keinen grünen OB“, ließ er wissen – und erhielt prompt Unterstützung vom CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl. „Mit einem Grünen in der Villa Reitzenstein und einem Grünen als OB im Stuttgarter Rathaus stirbt Stuttgart 21“, erklärte er am Montag und fügte hinzu: „Ein Grüner in Stuttgart ist genug, zwei Grüne sind zu viel für das Projekt.“

CDU-Landesvorsitzender sieht Stuttgart 21 in Gefahr

Für Turners parteiinterne Kritiker greifen diese Befunde zu kurz. Anstatt der Bahn freie Hand beim Bauen zu lassen, wie es Turner postuliere, müsse der neue OB die Interessen der Stadt gegenüber dem Schienenkonzern selbstbewusst vertreten. Turner müsse zudem den Wilhelm-Anhängern ein inhaltliches Angebot machen: „Allein zu sagen, ich kann Wirtschaft, reicht nicht.“ Turners Wahlkampfauftritte seien teilweise von Widersprüchen geprägt gewesen, wenn er es einerseits für richtig erachte, dass ein Porschearbeiter mehr Geld verdiene als ein Lehrer, zugleich aber Stuttgart zur Bildungshauptstadt ausrufen wolle.

Sorgen machen sich manche Christdemokraten auch um die weitere Finanzierung des Wahlkampfs. Informationen der Stuttgarter Zeitung, wonach das Defizit in der Kasse des für die Turner-Wahlkampagne gegründeten Unterstützervereins bereits jetzt 70 000 Euro betrage, bezeichnet der Vereinsvorsitzende Stefan Kaufmann als „nicht den Tatsachen entsprechend“.