Der Stuttgarter Musiker Levin Goes Lightly steht irgendwo dazwischen – zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Pop und Kunst. Jetzt erscheint sein Album „Ga ps“.

Freizeit & Unterhaltung: Anja Wasserbäch (nja)

Stuttgart - Die Lücke ist überall. Schon im Albumtitel, der mit Leerzeichen geschrieben wird: „Ga ps“. Lücken also. „Es hat eben viele Lücken und Pausen, auch im Songwriting“, erklärt Levin Stadler den Titel seines Albums. „Und in die Zeit passt es auch. Es ist politisch komisch. Es ist so ein diffuses Gefühl.“

 

Man erkennt Levin Goes Lightly sofort, auch wenn er nicht auf der Bühne steht, kein Make Up aufgetragen hat. Er trägt ein kanariengelbes Sweatshirt, die blonden kinnlangen Haare hinter den Ohren. Das Treffen findet in der Marshallbar in der Eberhardstraße statt. Ein Ort, den er vorgeschlagen hat. Tagsüber sei es noch ruhig hier. Ein guter Ort, um über sein aktuelles Album „Ga ps“ zu sprechen. „Es geht um die üblichen Popthemen wie Liebe“, sagt Levin. Aber auch um Persönlichkeitsfindung und -aufspaltung. Und damit um ihn, der auf der Bühne zu einem anderen wird, der sich blauen Lidschatten aufträgt, die Lippen rot schminkt, verkleidet und in eine Rolle schlüpft.

Aus Levin Stadler (28) wird dann Levin goes Lightly. Inspiriert zum Namen wurde er von Truman Capotes Holly Golightly in „Frühstück bei Tiffany“. „Ich wollte mich damit von der normalen Indie-Attitüde abheben, wollte das Bekannte verlassen und das Künstlerische betonen“, sagt er. Levin will als Levin goes Lightly in eine performative Richtung. Das fasziniert die Konzertgänger natürlich. Am Anfang hat er die Verwandlung von Levin Stadler zu Levin goes Lightly auch noch auf der Bühne vonstatten gehen lassen. Jetzt kommt er auf die Bühne als der, der er sein will. Für die kommenden Auftritte verspricht Levin noch eine Schippe drauf zu legen: „mehr Nebel, mehr Stroboskop, vielleicht auch mehr Videos. Es wird exzessiver und dramatischer sein.“

Inhaltlich geht es oft um das Dazwischen, um die Lücke zwischen Sein und Schein. „Ich versuche zu untersuchen, wann man wer ist. Es geht um Leute, die nicht mehr wissen, wo sie stehen“, sagt Stadler, der 2016 sein Studium an der Stuttgarter Akademie der Bildenden Künste als Kommunikationsdesigner abschloss und Grafik, Videos und eben Musik macht. Die Musik auf „Ga ps“ ist minimalistisch und berührend, cool und zart, traurig und schön, umarmend und ablehnend zugleich. Sie ist emotional und klingt nach Vergangenheit und Gegenwart. Und dann ist da die tolle, sonore, dunkle Stimme von Levin. 2013 erschien er mit der EP „Dizzy Heights“ auf der Bildfläche, dann kam das hoch gelobte Album „Neo Romantic“. Jetzt „Ga ps“: Es ist ein ganz wunderbares Album geworden. Zehn Titel, die natürlich immer wieder Namen und Begriffe wie David Bowie, Joy Division, New Wave aufkommen lassen. Die Einflüsse und Ideen kommen überall her. „Es ist der Zeitgeist. Man hat eine riesige Bibliothek im Internet, aus der man etwas Neues entwickeln kann“, sagt Levin. „Das ist spannend, man muss sich aber immer den Vorwurf anhören, dass man wie irgendwas klingt.“

Ein Instagram-Mädchen sucht das richtige Leben im falschen

Muss er aber nicht. Vor allem aber klingen die Lieder auf „Ga ps“ ganz nach Levin Goes Lightly. In „Cotton“ erzählt er von Trennungsschmerzen, in „O’Neill“ von einem Instagram-Mädchen, das das richtige Leben im falschen sucht. „Der Sound ist konkreter und klarer geworden“, umschreibt Levin sein aktuelles Album. Es gibt Songstrukturen, das wiederholende Moment tritt zurück. „Es sind Popsongs“, sagt Levin. Bei neuen Songs ist bei ihm häufig als erstes der Beat da. „Das kommt aus dem HipHop, auch wenn man das nicht hört“, sagt Levin, der Künstler wie Kendrik Lamar und Frank Ocean schätzt.

Levin Stadler ist in Eichstätt mit Indie groß geworden, mit dem „Karohemd-Style“. „Das war irgendwann nicht mehr befriedigend“, erklärt er. 2010 kam er zum Studium an der Kunstakademie auf den Killesberg, war in den Waggons am Nordbahnhof unterwegs, lernte neue Leute und andere Musik kennen. Sein erstes Konzert als Levin Goes Lightly fand an der Kunstakademie statt. „Es gibt in Stuttgart viele interessante Leute, die einen prägen“, sagt Levin. „Die Stadt hatte Plätze, an denen man gut arbeiten konnte. Das wird gerade aber kaputt gemacht, und die Leute gehen weg. Es wird immer schwerer. Stuttgart entwickelt sich Richtung München, was mir nie getaugt hat.“ Er hat - wie viele andere Musiker auch – zu kämpfen. „Es ist schon schwierig einen Releasegig zu spielen“, sagt Levin und spricht vom Schocken mit der neuen Ausrichtung und anderen Läden, die es nicht mehr gibt. „Es ist langweilig wie nie“, sagt Levin und regt sich auf, wie hoch die Mieten sind, wie schwierig das Leben und Arbeiten als Künstler ist.

Es wird jetzt bei den Besprechungen von „Ga ps“ wieder so sein, dass sich die Feuilletonisten in anderen Städten wundern, dass diese Musik aus Stuttgart kommt. Diese Randnotiz ist natürlich langweilig und doof. Aber auch gut für Stuttgart. Das ist Musik, wie man sie eher in New York oder London vermutet, deren Ursprung aber doch egal ist, Hauptsache sie wird überall gehört.

Levin Stadlers Studio und Proberaum am Nordbahnhof wurde Anfang des Jahres abgerissen. Jetzt ist er mit seinem Atelier in einem anderen Gebäude am Nordbahnhof, sein Proberaum ist in Zuffenhausen. Thomas Zehnle (u.a. Wolf Mountains), der als Bassist bei ihm angefangen hat, schreibt inzwischen auch Lieder und mischt die Songs, Paul Schwarz von Human Abfall und Lost Rivers spielt Schlagzeug und Gitarre. Aus dem Solokünstler Levin Goes Lightly wird immer mehr ein Bandprojekt, auch wenn Levin der Initiator ist. Wie würde er selbst seine Musik beschreiben? Er denkt eine Weile nach – und sagt nur ein Wort: „modern“. Recht hat er.

Das Album „Ga ps“ (Staatsakt) von Levin Goes Lightly ist jetzt erschienen. Am Dienstag, 23. Mai spielt Levin Goes Lightly im White Noise Club.

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