Das Album der Stuttgarter Punkband Ätzer 81 gilt in Fankreisen als Klassiker. Jetzt sind Nachpressungen in mehreren Webshops aufgetaucht – und sogar T-Shirts und andere Fanartikel. Wer steckt dahinter?

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Die Punks von Ätzer 81 waren einst die „meistgehasste Band Stuttgarts“. Ihr 1982 erschienenes Album galt seinerzeit als Ladenhüter, avancierte später aber zum Deutschpunk-Klassiker und wird heute zu hohen Preisen im Internet verkauft.

 

Kürzlich tauchte in mindestens zwei Onlineshops (aktuelle) Nachpressungen des Ätzer-Albums auf – bei Twisted Chords und Shirts Sux; die letztgenannte Seite vertreibt darüber hinaus sogar T-Shirts, Jutebeuteil, Aufnäher und andere Fanartikel mit dem in Frakturschrift gehaltenen Ätzer-81-Logo. Da liegt der Verdacht nahe, dass jemand mit der Ätzer-81-Renaissance ein bisschen Reibach machen will. Wo kommen die ganzen Sachen her, wer lässt sie produzieren?

Marko Schulz von Shirts Sux erklärt am Telefon, er wolle zu der Nachpressung „nichts Näheres sagen“. Warum? „Weil ich die Platten von jemand ganz anderes bekommen habe. Wer aber der ursprüngliche Urheber ist, weiß ich nicht. Es wurde mir auch nicht gesagt.“ Zumindest die Herkunft der Ätzer-81-Fanartikel kennt Schulz: „Die habe ich selbst bedrucken lassen.“ Einfach so, weil er Fan sei. Vor ein paar Monaten sei das gewesen, es seien sogar einige Bestellungen reingekommen. „Die Hütte haben sie mir nicht eingerannt, aber mein Webshop ist ja noch recht neu und eher unbekannt“, meint der Onlinehändler aus Neubrandenburg.

Wer ließ das Album nachpressen?

Bleibt die Frage, wer das Ätzer-81-Album nachpressen ließ. Bei Twisted Chords in Pfinztal liegen die Reste eines vor etwa Jahren gepressten Bootlegs, erzählt der Betreiber Tobias Behle; der entsprechende Eintrag auf seiner Website ist von Anfang März 2015. „Aber das ist ja sicher nicht das einzige Bootleg von dieser Platte“, sagt Behle. „Man kriegt so etwas normalerweise per Mail angeboten und die Platten kommen dann mit einem Nachnahme-Paket“. Er wolle über das Thema lieber nicht so viel reden, nur soviel: er habe die Nachpressung nicht angefertigt. Kurz nach unserer Anfrage war der Link zur Ätzer-Platte im Twisted-Chords-Onlineshop übrigens tot.

Ehemalige Bandmitglieder von Ätzer 81 wissen von der Aktion nichts – weder der (kurz vor den Albumaufnahmen rausgeworfene) Jürgen Lenk noch der Gitarrist mit Spitznamen Rübe, der den Song „Stuttgart Kaputtgart“ geschrieben und auch bei der Gema angemeldet hat. „Keine der beschriebenen Piratenprodukte wurden von mir oder dem anderen und einzigen dazu autorisierten Mitautor, Wolfi [Sänger der Band, Anm.d.Red.], produziert, in Auftrag gegeben, lizensiert oder genehmigt“, schreibt Rübe per Mail. Davon erfahren habe er erst im Gespräch mit Barny Schmidt, einem auf Punk spezialisierten Stuttgarter Plattensammler. Der hat den Sampler zur Ausstellung „Wie der Punk nach Stuttgart kam“ zusammengestellt, der mehr als 40 Stuttgarter Deutschpunksongs versammelt. „Stuttgart Kaputtgart“ ist darauf ebenfalls vertreten und Ätzer 81 werden auch ihren Platz in der Ausstellung haben.

War es die Band selbst?

Rübe und dem Ätzer-81-Sänger Wolfi ist das wiedererwachte Interesse an der schwäbischen Punkband nicht verborgen geblieben. Rübe, der Urheber von „Stuttgart Kaputtgart“, gab sein Ätzer-81-Material auch nicht ganz kostenlos für den Sampler und die Ausstellung frei. Unter der Hand vermuteten einige in der durch die Punk-Ausstellung wieder enger zusammengerückten Szene, dass die Nachpressung und die Fanartikel aus dem Bandumfeld kommen müssten. Belege dafür gibt es aber nicht und Rübe verneint das ausdrücklich.

Man fischt beim Thema Bootlegs eben in trüben Gewässern. Wer Raubkopien herstellt, wird das nie zugeben. Verbreitet werden sie trotzdem – weil sie, gerade in für Sammler und Liebhaber interessanten Genres wie frühem Deutschpunk, sich fast immer gut verkaufen.

Das Ätzer-81-Bootleg sei allerdings kein bahnbrechender Verkaufsschlager, sagt Tobias Behle von Twisted Chords. „Die Band ist schon eher für den regionalen Markt interessant, man muss da einen Bezug dazu haben und die Band funktioneirt ja eher auf der Ironieebene, allein weil sie so stark schwäbeln. Jemandem aus Hamburg brauchst du das nicht vorspielen.“

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