Das Berliner Arbeitsministerium schreibt vor, dass von Juni an nur Mitarbeiter nach einer Einweisung die offenen Aufzüge nutzen dürfen. Bürgermeister Werner Wölfle arbeitet an einer Regelung fürs Stuttgarter Rathaus, die ermöglichen soll, dass die beliebten Paternoster weiter für alle Nutzer offen bleiben. Ob es gelingt, steht aber erst am Freitag fest.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Zurzeit fährt der öffentlich zugängliche Paternoster im Rathaus ohnehin nicht, da er repariert wird. Das soll aber kein Dauerzustand sein, hat der zuständige Bürgermeister Werner Wölfle (Grüne) schon versprochen, als im April bekannt wurde, dass von Juni an eine neue Verordnung für „offene Personalumlaufaufzüge“ gelten werde, wie der Paternoster im Amtsdeutsch heißt. Kurz vor dem Inkrafttreten dieser Regelung des Bundesarbeitsministeriums heißt es aus dem Rathaus, man arbeite an einer Lösung. Offenbar sind noch Fragen offen – denn wie die Lösung aussehen könnte, ist aktuell nicht zu erfahren. Wölfle verweist auf eine Pressemitteilung, welche die Kommunikationsabteilung des Rathauses am Freitag

 

versenden werde. Die überarbeitete Vorschrift des Berliner Ministeriums besagt: „Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass Personalumlaufaufzüge nur von durch ihn eingewiesenen Beschäftigten verwendet werden.“ Das heißt: der Betrieb wird nicht verboten, sondern die Nutzergruppe wird eingeschränkt. Kindern ist die Fahrt mit dem Paternoster ohnehin verboten, ebenso gebrechlichen Personen und jenen, die sperriges Gepäck dabeihaben.

Das für Arbeitsschutz im Land zuständige Umweltministerium habe sich im Mai bei einem Bund-Länder-Gespräch dafür eingesetzt, dass die Ausnahmeregelung weiter gefasst werde, sagt der Ministeriumssprecher Frank Lorho. Baden-Württemberg wolle erreichen, dass auch Dritte – also nicht nur eingewiesene Mitarbeiter im Haus – mit den Umlaufaufzügen fahren dürfen, wenn man eine Gefährdung ausschließen könne. Ein Schild, das auf einen ebenfalls bestehenden Aufzug hinweise, könnte helfen, ebenso eine Tafel mit einer Anleitung, was beim Benutzen zu beachten ist. „Das muss dann vor Ort jeweils überprüft werden, und erst muss noch der Bund zustimmen. Wir machen uns für eine Übergangslösung stark“, so der Sprecher weiter.

In Stuttgart bisher nur ein nennenswerter Unfall

Das Bundesarbeitsministerium hatte seine Regelung damit begründet, dass es in den offenen Aufzügen, die ohne auf jeder Etage anzuhalten auf und nieder fahren, immer wieder zu Unfällen komme. Aus dem Stuttgarter Rathaus ist nur ein nennenswerter Unfall bekannt: In den 1980er Jahren soll eine Frau mit Gehstock beim Einsteigen gestürzt sein und habe leichte Verletzungen erlitten, heißt es in einem Bericht der Stuttgarter Zeitung von 1993. Als seinerzeit über ein Verbot diskutiert wurde, sagte der OB Manfred Rommel: „Wenn man Paternoster verbietet, muss man vieles verbieten, was noch erlaubt ist – zum Beispiel den Betrieb von Skiliften, das Bohnern oder das Autofahren.“ Rommel machte die Rettung des Paternosters zur Chefsache, da er sich „allgemeiner Beliebtheit“ erfreute, wie er feststellte – eine Einschätzung, die man inoffiziell auch heute in Behörden zum Thema Paternoster oft hört.

Eine bundesweite Statistik der Paternosterunfälle gibt es nur bis zum Jahr 2002. Bis dahin verzeichnete der Verband der Technischen Überwachungsvereine (VDTÜV) pro Jahr einen tödlichen Unfall in Deutschland. „Danach gibt es keine verlässliche Zahl mehr, da der Prüfmarkt liberalisiert wurde“, sagt Johannes Näumann, der Sprecher des Verbands. „Aber die Zahlen aus der Zeit davor stimmen auf jeden Fall“, fügt er hinzu.. Wegen uneinsichtiger Fahrgäste legte die Universität Stuttgart ihren Paternoster im Gebäude Seidenstraße 36 vor zehn Jahren still. „Es stiegen immer wieder Leute ein, die Fahrräder mitnehmen wollten“, sagte der Uni-Sprecher Hans-Herwig Geyer. Es seien „immer mal wieder kleine Unfälle, aber keine ernsthaften“ geschehen.

Im Literaturhaus dürfen nur Mitarbeiter fahren

Neben jenem im Marktplatzflügel des Rathauses existiert in Stuttgart noch ein öffentlich zugänglicher Paternoster im Literaturhaus. „Wir haben ein Schild angebracht, dass nur Mitarbeiter unserer Mieter im Haus damit fahren dürfen, die an einer Einweisung zum Paternosterfahren teilgenommen haben“, sagt eine Sprecherin der für das Gebäudemanagement dort zuständigen Firma Concipio. Wenn jemand im Haus Besuch erwarte, könne er diesen im Erdgeschoss in Empfang nehmen und mit ihm den Paternoster benutzen. Da der Paternoster im Rathaus auch von Touristen benutzt wird, klingt dies nicht nach einer umsetzbaren Lösung für den Betrieb dort.