Im Stuttgarter Schauspielhaus ist die neue Bestuhlung eingebaut worden. Der Bauherr, das baden-württembergische Finanzministerium sieht sich im Zeitplan – das Theater hegt noch Zweifel.

Stuttgart - Nach Zeiten der Intransparenz folgt jetzt allerorten die Hochzeit der Transparenz. Das ist auch im Finanzministerium des Landes so, das als Bauherr für die von Pleiten, Pech und Pannen begleitete Sanierung des Stuttgarter Schauspielhauses verantwortlich ist. Um den Baufortschritt zu dokumentieren, hat das Haus von Nils Schmid deshalb zu einem Ortstermin geladen. Kameramänner und Fotografen hielten am Mittwoch für die Öffentlichkeit fest, wie im Theater die letzten Stühle ins Parkett geschraubt wurden. Es geht voran – und wenn man der Pressesprecherin des Ministeriums glaubt, pünktlich nach Plan. „Bis Ende Februar werden die Arbeiten beendet sein“, versichert Melanie Zachmann, „ab März können die Theaterleute mit ihren Probeläufen beginnen.“ Sollte das so kommen, könnte das Schauspiel – wie zuletzt geplant – Mitte Juni wieder fürs Publikum eröffnet werden.

 

Am Mittwoch aber ist am Eckensee noch gehämmert, geschraubt und gebohrt worden. „Wie der Schreiner kann’s keiner“ stand auf den T-Shirts der Handwerker, die sich im Parkett zu schaffen machten, ein hübscher, uralter Werbespruch, dessen strahlendes Selbstvertrauen freilich gut zum Fototermin passte. Alle scheinen es plötzlich zu können, dieses vermaledeite Theatersanieren, das nach einem Jahr beendet sein sollte und dann doch fast drei Jahre gedauert und fast zwanzig Prozent mehr gekostet haben wird. Zachmann hat den „Zeitplan der Mängelbeseitigung“ auf dem Schoß liegen, den ihr Ministerium vor einiger Zeit ins Netz gestellt hat. Wg. Transparenz. Und auf dem Papier sieht man, dass Wunsch und Wirklichkeit tatsächlich Hand in Hand zu gehen scheinen.

Pünktlich Ende Januar steht die neue, nun größere Beinfreiheit gewährende Bestuhlung im Parkett. Die seitlichen Beleuchtungsrinnen, die zu visuellen und akustischen Einschränkungen führten, sind zurückgebaut worden – und Drehbühne und Hubpodien, die größten Sorgenkinder der Sanierung, werden in diesen Tagen wieder eingerichtet. Alle weiteren Arbeiten sollen in vier Wochen erledigt sein, sagt  der famose „Zeitplan der Mängelbeseitigung“, auf den sich Melanie Zachmann vom Ministerium beruft.

Mehrwöchiger Testlauf vom 1. März an

Das ist die eine Seite. Die andere Seite, das Theater, betrachtet die Baufortschritte noch mit einer Portion Skepsis. „Ob in vier Wochen tatsächlich alle Arbeiten abgeschlossen sein werden, vermögen wir nicht mit Sicherheit zu sagen“, so die Sprecherin des Schauspiels, Ingrid Trobitz: „Sollten wir mit unseren Zweifeln danebenliegen, würde uns das aber freuen“ – und zwar deshalb, weil das Team von Hasko Weber dann Schritt für Schritt die Wiederinbetriebnahme des Stammhauses mit seinen nun 661 Sitzplätzen einleiten könnte.

Der Plan der Theaterleute sieht vor, vom 1. März an einen sechs- bis achtwöchigen Testlauf durchzuführen, bei dem die Bühnentechnik auf Herz und Nieren geprüft wird. Anders nach dem Rückumzug aus der Türlenstraße im vergangenen Februar soll das nicht während des schon wieder laufenden Theaterbetriebs geschehen. Das Risiko wäre zu groß. Dem Laien mag die Testphase nun als lang erscheinen, die Fachfrau aber versichert, dass die Zeit notwendig sei, um das Funktionieren aller Anlagen zu gewährleisten. Bühne, Licht, Ton, Kommunikation: erst wenn alles einwandfrei seinen Dienst tut, kann das Schauspiel wieder aus der Spielstätte Nord ins Stammhaus umziehen, was frühestens Mitte April sein wird.

Und frühestens dann, so Trobitz, könne sie auch Verbindliches zum restlichen Spielplan sagen. Alles andere wäre fahrlässig: „Ich kann keine Versprechungen machen, die wir aufgrund technischer Probleme nicht einhalten können.“ Dass der zum Saisonende nach Weimar wechselnde Hasko Weber seinen Abschied im Juli am Eckensee feiern will, steht allerdings fest. Und dass die letzte Premiere seiner Intendanz, Volker Löschs „Großes Fressen“, bereits Mitte Juni im Stammhaus rauskommen soll, auch darauf zielen alle Anstrengungen.

Derweil aber halten die Auseinandersetzungen um die Finanzierung der durch das Baudebakel entstandenen Mehrkosten weiter an. Ursprünglich sollte die Sanierung des 1962 eingeweihten Schauspielhauses 24 Millionen Euro kosten, jetzt beläuft sich die Summe auf 28,5 Millionen. Wer die außerplanmäßig dazu gekommenen 4,5 Millionen Euro im Einzelnen zahlt, ist offen. Ein Teil davon könnte als Regresszahlung von den Baufirmen und dem Planungsbüro kommen, die auf je eigene Weise am Sanierungspfusch beteiligt gewesen waren. Der andere Teil von Stadt und Land, die sich die Staatstheaterfinanzierung für gewöhnlich zur Hälfte teilen. Nur, auf dieser Dreijahres-Baustelle war eben nichts mehr gewöhnlich. Die Stadt Stuttgart beharrt darauf, sich an den vom Land als Bauherrn zu verantwortenden Mehrkosten nicht zu beteiligen. Das Land müsse deshalb alleine zahlen, heißt es dort. Die Fronten sind klar – und Lösungen nicht in Sicht.