Dass einer nachts aus dem Bahndepot schreibt, passiert bei Twitter nicht alle Tage. Und so nimmt es nicht Wunder, dass der Tweet eines sechzehnjährigen Stuttgarters übers Wochenende eine ziemlich steile Karriere im Netz hinlegte. Die Bahn wehrt sich gegen Vorwürfe, die dort laut wurden.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Dass einer nachts aus dem Bahndepot schreibt, passiert bei Twitter nicht alle Tage. Und so nimmt es nicht Wunder, dass der Tweet eines sechzehnjährigen Stuttgarters übers Wochenende eine ziemlich steile Karriere in dem Onlinenetzwerk hinlegte.

 

Alexander ist ein 16 Jahre alter Schüler aus Stuttgart, der am Samstag bei seinem Kumpel in Karlsruhe zu Besuch war. Auf der Rückfahrt am späten Samstagabend schlief er ein – so tief, dass er nicht mal bemerkte, als der leere Zug ins Depot rollte und dort abgestellt wurde. Als Alexander in dem stockdunklen Zug aufwachte, stieg er als Erstes durch die geöffnete Zugtür aus. Als zweites schrieb er auf Twitter die Deutsche Bahn an: Hilfe, stecke im Zugdepot fest, holt mich hier raus!

Was zu normalen Betriebszeiten zumindest nicht die schlechteste Idee ist, war am Samstagabend aussichtslos. Denn da twittert die Bahn nicht. Aber es gibt ja noch andere: Drei Twitterer halfen Alexander aus seiner Misere, schickten ihm Karten mit Routenvorschlägen und boten aus der Ferne ihre Hilfe an.

Hohn und Spot ...

Soviel vorneweg: Alexander fand seinen Weg vom Abstellgleis in den Rosensteinpark, von dort zum Nordbahnhof und dann via S-Bahn und Nachtbus nach Hause – so großstädtisch ist Stuttgart mittlerweile, dass man auch sonntagfrüh noch heimkommt.

Witziger aber ist die Karriere, die Alexanders Tweet im Netz machte. Auf Twitter wurde das Bild mehr als 370 mal retweeted und 620 mal favorisiert. Außerdem fand es den Weg auf die Facebook-Seite „Lokführer“, die „Wissenswertes, lustiges und alltägliches aus dem alltäglichen Bahnsinn“ verbreitet: 880 Likes, und der Tweet wurde auf Facebook (!) fast 130 mal geteilt.

 

... und eine kritische Frage an die Bahn

Alexander bekam das alles natürlich mit. Der 16-Jährige weiß schon, dass seine Geschichte vor allem deshalb so gerne geteilt wird, weil sie vom doofen Schüler erzählt, dem in seiner Not nichts Besseres einfällt, als die Deutsche Bahn anzutwittern. „Ich kann drüber lachen“, sagt der 16-Jährige, „ich hab’s ja selbst getwittert und wusste, dass das dadurch öffentlich ist“. Zumal es für die Geschichte nicht nur Hohn und Spott gab, sondern auch Kritik an der Bahn geäußert wurde: Warum wurde der Zug so schlecht kontrolliert, dass der schlafende Schüler nicht gefunden und rechtzeitig geweckt wurde?

Die Bahn meldete sich dann am Sonntagmorgen bei Alexander („Tut mir leid, dass Sie nicht vorher geweckt wurden.“). Da war dessen Tweet bereits viral geworden. „Das fühlt sich schon ein bisschen so an, als ob einen jetzt halb Stuttgart kennt“, sagt der 16-Jährige. Zumindest auf Twitter, denn in seiner Klasse sprach ihn niemand auf die Geschichte an, weil außer Alexander keiner Twitter nutzt. Was in diesem Fall vielleicht kein Schaden ist.

Bahn wehrt sich gegen Vorwürfe

„In aller Regel“ gibt es für Züge, bevor sie auf den Abstellbahnhof gefahren werden, einen sogenannten Abschlussdienst. Das berichtet ein Sprecher der DB Regio auf StZ-Anfrage. Bei Zügen, die mit Zugbegleiter unterwegs sind, übernimmt dies der Schaffner – bei unbegleiteten Zügen muss der Lokführer durch den Zug laufen, um nach Fundsachen oder schlafenden Passagieren zu schauen.

Eigentlich hätte Alexander also gefunden werden sollen. Wurde er aber nicht. Für eine konkrete Begründung erbittet sich die Bahn Zeit. Er wolle erst mit den beteiligten Mitarbeitern reden, sagt der Bahnsprecher.

Was der Sprecher auch sagt: „Jeder Mensch ist verantwortlich für das, was er tut.“ Außerdem rät der Sprecher im Falle des Falles dazu, nachts nicht aus dem abgestellten Zug zu steigen: man könne am Gleisbett umknicken oder von den sehr leise fahrenden Loks überfahren werden. Besser, man macht sich lautstark bemerkbar. „Nachts sind immer wieder Reinigungstrupps unterwegs, die einem helfen können“, so der Bahnsprecher weiter.

Nachtrag 22. Januar, 14.00 Uhr: Die Bahn wehrt sich gegen den Vorwurf, hier nachlässig gehandelt zu haben. Der betreffende Regionalexpress sei von zwei Bahn-Angestellten kontrolliert worden, bevor er in den Abstellbahnhof eingefahren sei. Dabei sei ein alter Mann gefunden worden - jedoch kein 16-Jähriger. Zudem müsse der Schüler eine ganze Weile in dem Zug geschlafen haben: Nach internen Recherchen der DB Regio kann das Bild nicht vor 1:40 Uhr entstanden sein; das ergebe eine Analyse der darauf zu sehenden Züge, so der Bahnsprecher.