Stuttgarter Szenegastronomen klagen: sie finden kaum noch Studenten, die bei ihnen kellnern wollen. Doch das Problem betrifft offenbar die ganze Branche.

Stuttgart - Tagsüber an die Uni in die Vorlesung, abends mit Kellnern ein paar Euro dazuverdienen – Generationen von jungen Leuten haben sich so ihr Studium finanziert. Aber diese Zeiten haben sich geändert: so klagen Stuttgarter Szenewirte, dass sie partout keinen Arbeitskräfte finden. „Das ist wirklich ein Drama. Früher hat ein Facebook-Aufruf gereicht und ich hatte hier 600 Leute stehen“, sagt Valentin Hillengans von der Mozzarella Bar in Stuttgart. „Heute tu ich mir wirklich schwer, auch nur einen zu finden.“

 

Die Bar gibt es zwar erst seit kurzem, aber schon jetzt herrscht Personalmangel. „Früher war das anders“, sagt er. Wie groß das Phänomen wirklich ist, kann man nicht mit validen Zahlen belegen. Die deutschen Studierendenwerke veröffentlichen zwar alle paar Jahre eine umfangreiche Statistik über das Leben und Arbeiten der Studenten in Deutschland, die letzte im Jahr 2016, davor im Jahr 2012. Das Problem: Die Studie hat sich in dem Zeitraum in einem entscheidenden Detail geändert. Zwar zeigt die Studie für Stuttgart zunächst einen Rückgang der arbeitenden Studenten um 12 Prozentpunkte, jedoch beziehen sich die Zahlen nicht auf die gleiche Bezugsgruppe.

„In der aktuellen Erhebung wurden die dual Studierenden in die Grundgesamtheit mit aufgenommen. Das war 2012 noch nicht der Fall“, sagt Melanie Westphal von Studierendenwerk Stuttgart. Ihre Ausbildung wird in den Zahlen jedoch nicht als Nebenjob erfasst. „Da wir in Stuttgart viele Hochschulen haben, die auf duale Studenten ausgerichtet sind, ist es nur logisch, dass die Zahl von 2012 auf 2016 so deutlich zurückgeht“, so Westphal. Einen Vergleich der letzten Jahre lässt sich also nicht herstellen. Man kann über die Klagen der Wirte in Stuttgart nur mutmaßen. „Vielleicht suchen die Studenten in Stuttgart lieber eine Beschäftigung, die inhaltlich zu ihrem Studium passt und werden dann nicht so oft fündig. Aber das ist jetzt nur eine Spekulation“, sagt Stefan Grob, Sprecher des Deutschen Studentenwerks. Eine Spekulation, die man bei der Agentur für Arbeit im Kern bestätigen kann. „In den letzten Jahren ist vor allem die Anzahl an Werksstudenten immer weiter angestiegen. Für den Studenten gibt es dadurch natürlich viel mehr attraktivere Angebote“, sagt Carmen Gutierrez Gnam, Sprecherin der Stuttgarter Agentur für Arbeit.

Studenten: Angebote oft unattraktiv

Fragt man die Studenten selbst, scheint zumindest viel an der Attraktivität von Jobs zu hängen. „Wenn ich mit sechs bis sieben Jahren Vorerfahrung immer noch mit Mindestlohn und ohne Beteiligung am Trinkgeld abgespeist werde, finde ich das schon frech“, sagt Maximilian Richter. Der 24-jährige wohnt in der Umgebung von Stuttgart, hat in Schwenningen studiert. Nach längerer Suche hat er eine Anstellung gefunden, 15 Euro die Stunde, Trinkgeld exklusive. Die Anstellung ist allerdings in Plochingen, die Stuttgarter Angebote waren zu unattraktiv. „Die meisten Stellen waren ohne Zulagen für Schichten am Wochenende oder an Feiertagen. Man arbeitet ja immer, wenn alle anderen frei haben. Da will man auch eine entsprechende Entschädigung“, so Richter. Hillengans widerspricht: „Ich zahle mittlerweile zehn Euro die Stunde, plus Trinkgeldbeteiligung. Trotz übertariflicher Entlohnung finde ich fast keine qualifizierten Arbeitskräfte.“

Personalbedarf in der Branche gewachsen

Sein Kollege Phillip Hertler, der selbst drei Bars und Restaurants mit teilweise 80 Mitarbeitern betreibt, hat noch eine andere Erklärung: „Was ich in den letzten Jahren beobachtet habe, ist, dass vielen auch die Arbeitsmoral fehlt. Es wird immer schwieriger, gutes und motiviertes Personal zu finden.“ Eine Entwicklung, die Lea Barner bestätigt. Sie jobbt selbst neben dem Studium in einem Café, spricht bei ihrer Arbeitsstelle von einem „Glücksgriff“. „Es gibt natürlich auch viele gute Bewerber. Aber soweit ich mitbekomme, sind viele interessierte Studenten schlicht nicht motiviert genug.“

Das muss aber nicht zwingend an schlechter gewordenem Personal liegen. Denn aktuell findet sich am ganzen Markt eine ähnliche Situation. „Im Moment ist der Personalbedarf generell sehr hoch“, sagt Jürgen Kirchherr, Hautgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Baden-Württemberg. „Wir brauchen in den letzten Jahren rund 25 Prozent mehr an Mitarbeitern. Der Bedarf ist momentan höher als die Nachfrage, das ist eine generelle Entwicklung der Branche.“ Und das ist wohl auch ein Grund für die Klagen der Stuttgarter Szene-Wirte.