Das Stuttgarter Theaterhaus hat sein dreißigjähriges Bestehen gefeiert – und das politische Establishment, angeführt von OB Fritz Kuhn, gratuliert. Früher wäre das wohl nicht passiert.

Stuttgart - Nein, eine Sause wie beim 25-jährigen Jubiläum, als das Stuttgarter Theaterhaus zur großen Gala lud, hat es nun zur Feier seines dreißigjährigen Bestehens nicht gegeben. Aber ein Vierteljahrhundert ist auch etwas anderes als drei Jahrzehnte, und so beschränkte man sich diesmal beim Jubiläumsprogramm am Sonntagabend auf das Gründungsmitglied Peter Grohmann und die hauseigenen Ensembles, die parallel in drei Sälen auftraten.

 

Im T3 spielte das Schauspielensemble des Theaterhauses den Dauerbrenner „Dirty Dishes“: Seit sage und schreibe zwanzig Jahren wird das Stück über ausgebeutete Immigranten in einer deutschen Pizzeriaküche nun gespielt. Um es an die aktuelle Situation anzupassen, hat Werner Schretzmeier als Regisseur aktuelle Themen wie Mindestlohn und die Abschiebung von Flüchtlingen eingearbeitet. Furios und temporeich ist es zum Glück geblieben. Und während im T4 Peter Grohmann sein „Donnerwetter“ losließ, gaben im T2 Eric Gauthier und seine Tänzer Einblicke in ihre Arbeit. Es kann als eine seiner klügsten Entscheidungen gelten, dass das Theaterhaus – nach dem Abgang von Ismael Ivo – Gauthier 2007 die Chance geboten hat, eine eigene Kompanie aufbauen zu lassen. Das Haus besitzt mit dieser Truppe ein Alleinstellungsmerkmal hinsichtlich des zeitgenössischen, ein breiteres Publikum begeisternden Tanz. Zudem ist die Kompanie international gefragt und trägt so den Namen des Theaterhauses (und den von Stuttgart) in die Welt.

Eric Gauthier, der begnadete Entertainer

Größte Sympathien hat ihr dabei auch das Projekt „Gauthier Dance Mobil“ eingebracht. Das neunköpfige Ensemble tritt vor Ort bei Menschen auf, die keine Möglichkeit haben, selber Veranstaltungen zu besuchen: etwa in Altenheimen, Begegnungsstätten, Behinderteneinrichtungen und Kliniken. Dass es funktionieren kann, allein aus Aufwärmübungen und Ballettexerzitien wie „Pliés“, „Brisés“ und „Ronds de jambe“ ein unterhaltsames Stück zu machen, ist auch beim Jubiläum vor allem Gauthiers Fähigkeiten als Conférencier zu verdanken, der hernach mit seinen Tänzern auch noch eine Kostprobe aus dem neuen Programm „Infinity“ gab. Beeindruckend, wie locker Gauthier sein Publikum um den Finger wickeln kann: am Ende erhob sich der komplette Saal zu einer kleinen Choreografie.

Wer danach was zu essen brauchte, konnte sich in der mit Tischen und Stühlen umgerüsteten Sporthalle verköstigen, bevor im T1 der offizielle Teil mit den Reden und Danksagungen begann. Eröffnet wurde er von Theaterhauschef Schretzmeier selbst, der als freundliche Geste gegenüber der Belegschaft des Hauses diese gleich mal komplett auf die Bühne bat. Dann sprachen der Vorsitzende des Trägervereins Joachim Bark, OB Fritz Kuhn, Kunststaatssekretär Jürgen Walter und schließlich der Vorstandsvorsitzende der benachbarten Mercedes-Benz Bank, Franz Reiner.

Revoluzzer in der Mitte der Gesellschaft

Bedenkt man dabei die Querelen, die es um die Finanzierung des Umbaus der Rheinstahlhalle vor 13 Jahren gegeben hat, wirkte der versöhnliche, ja freundschaftliche Ton, den die Vertreter von Stadt und Land hier gegenüber dem Theaterhaus anstimmten, schon auffällig. Kuhn wie Walter betonten die Bereitschaft, das Theaterhaus auch weiterhin zu unterstützen und stellten auch eine Erhöhung des Betriebskostenzuschusses in Aussicht. Von Fremdeln war da nichts mehr zu spüren – was wohl damit zusammenhängen dürfte, dass das Theaterhaus heute ebenso in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist wie viele seiner ehemaligen Revoluzzer. Heute haben sie verantwortliche Positionen inne.

Die Veränderungen des Theaterhauses während seiner dreißigjährigen Geschichte zeigte auch der Film von Astrid Rothenburger und Rüdiger Gay. Sie haben die Entwicklung des Hauses seit seinen Anfängen auf Video begleitet und ihre Aufzeichnungen als filmische Chronologie aufbereitet, in der wichtige Stationen der Theaterhausgeschichte dokumentiert werden. Da sieht man zu Beginn Werner und Gudrun Schretzmeier, wie sie auf der Baustelle des ersten Theaterhauses in Wangen stehen und über die Farbe der Wandanstriche diskutieren, später Ausschnitte aus legendären Auftritten wie dem von Miles Davis oder von Juliette Gréco. Viele der Musiker und Künstler, die im Rückblick gezeigt wurden, sind längst gestorben, etwa Hanns Dieter Hüsch, Volker Kriegel, Albert Mangelsdorff oder Franz Josef Degenhardt. Nicht nur deswegen konnte einem bei der Geburtstagsfeier schon etwas nostalgisch zumute werden.