Die Familie Ziegler ist seit Sonntag wieder zu Hause in Hofen, aber der Schreck von ihrem tunesischen Traumstrand, der ist immer noch da. Die Stuttgarter haben gesehen, wie der Attentäter in Sousse 38 Menschen getötet hat.

Stuttgart - Freitag, 26. Juni, kurz nach elf Uhr. Pascal Ziegler (19) sitzt am Strand von Sousse und lässt sich mit Blick aufs Meer ein Henna-Tattoo auf den Unterarm malen. Urlaubsidyll pur. Keine zehn Meter rechts von ihm beginnt der Strand des Marhaba Imperial Hotels. Als die Tattoo-Lady fertig ist, geht Pascal zufrieden ein paar Meter weiter links zu seinen Eltern und zu seiner Strandliege im Nachbarhotel. Es ist kurz vor halb zwölf.

 

Die Familie ist seit Sonntag wieder in Hofen

Ein paar Minuten später steigt direkt bei der Tätowiererin ein junger Mann aus einem roten Schlauchboot, wickelt ein Maschinengewehr aus einem Sonnenschirm und beginnt kaltblütig und gezielt auf die Touristen auf den Liegen zu schießen. Hans-Peter Ziegler, Pascals Vater, denkt zuerst an eine Fehlzündung eines Bootsmotors oder an irgendeine Animation, aber dann fällt sein Blick auf die Gestalt mit dem wilden Haarschopf, keine 20 Meter entfernt. „Der Mann ging ganz ruhig zu einer Frau, die richtete sich auf der Liege auf, drehte sich zu ihm um und sah ihn an. Dann hat er geschossen, die Frau sackte zusammen, und er ging weiter zum nächsten Liegestuhl– dann fiel noch ein Schuss und dann wieder und wieder.“

Hans-Peter Zieglers Hände zittern leicht, als er das erzählt, immer wieder fährt er sich nervös durch die Haare. Der Mann steuert im Alltag als Kraftfahrer 40-Tonner durch das Land, und er sieht auch wirklich nicht so aus, als würde ihn schnell etwas aus der Ruhe bringen. Aber diese Bilder, das Töten direkt vor seinen Augen, lassen ihn nicht los. Die Familie ist seit Sonntag wieder zu Hause in Hofen, aber der Schrecken von ihrem tunesischen Traumstrand, der ist immer noch da. „Das ist wie Kopfkino“, sagt Vater Ziegler. Nach den ersten Schüssen ging alles sehr schnell. „Mein Mann hat nur noch geschrien: ,Lauft, lauft.‘ Und wir sind losgerannt“, erzählt Bettina Ziegler. Für Pascal eine Tortur, nach einer Kreuzbandverletzung geht er eigentlich noch an Krücken. Aber er lässt sie stehen, nur weg hier. Die Zieglers rennen um ihr Leben, Hotelangestellte dirigieren die Leute zu ihren Zimmern. „Ich denke, so fühlt sich wohl Krieg an“, sagt Bettina Ziegler. Die Familie verschanzt sich, aber immer noch hallen Schüsse. „Das hat gefühlt Stunden gedauert, dann war es plötzlich totenstill“, erinnert sich Pascal Ziegler. 35 Minuten nach dem ersten Schuss ist auch der Attentäter tot, erschossen von Sicherheitsleuten. „Er war schon in unserem Hotel, wollte weiter töten, aber dann ging ihm die Munition aus“, sagt Hans-Peter Ziegler. Und das ziemlich genau an dem Ort, an dem die Familie kurz zuvor noch in der Sonne gelegen hatte.

Ziegler: wir wollten nur noch weg

Die traurige Bilanz: mittlerweile 38 Tote, Dutzende Verletzte und traumatisierte Augenzeugen. Für die Zieglers gab es nach dem Attentat nur noch ein Ziel. Auf dem schnellsten Weg nach Hause. „Wir waren schon siebenmal in diesem Hotel, wir lieben Tunesien und schätzen die freundlichen Menschen dort, aber danach wollten wir nur noch weg“, sagt Hans-Peter Ziegler.

Aber dann begann für die Familie der gefühlte zweite Teil des Dramas. Fassungslos registrierte die Familie, dass sich einige Hotelgäste schon zwei Stunden nach dem Attentat wieder am Strand sonnten – ein paar Meter neben mit Badetüchern zugedeckten Opfern. Enttäuscht waren sie auch von ihrem Reiseveranstalter Tui. „Es hieß, die Tui hätte Psychologen geschickt, wir haben keine gesehen“, klagt er. Auch der Rückflug wurde zum Ärgernis, da die Tui die Familie auf einen Nachtflug ließ, obwohl auch auf einer deutlich früheren Maschine Plätze frei waren, die ihnen zunächst angeboten worden waren. „Belgien hat Sondermaschinen geschickt, um seine Landsleute nach Hause zu holen, und uns hat man wahrscheinlich wegen ein paar Umbuchungsgebühren seelisch gequält“, klagt Ziegler. Und der Schock wirkt nach, am Dienstag ging die Familie geschlossen zum Psychologen. „Alleine“, sagt Bettina Ziegler, „werden wir damit nicht fertig.“