Im Säugetiergutachten der Bundesregierung steht Punkt für Punkt, wie viel Platz ein Tier im Zoo benötigt und wie seine Anlage beschaffen sein muss. In der Wilhelma erfüllen längst nicht alle Gehege diese Mindestanforderungen.

Stuttgart - Was die Schneeleoparden, die mit den Stachelschweinen verwandten Greifstachler und die Kängurus in der Wilhelma gemeinsam haben? Sie leben in zu kleinen Anlagen. Zumindest dann, wenn man jenen Festlegungen folgt, die das aktuelle Säugetiergutachten der Bundesregierung formuliert. Darin wird auf knapp 300 Seiten quadratmetergenau festgehalten, welches Tier wie viel Raum benötigt, dass Meerkatzen erhöhte Aussichtsplattformen benötigen und die Temperatur im Gehege von Koalas keinesfalls dauerhaft unter 20 Grad fallen dürfe.

 

Für die Wilhelma bietet das Säugetiergutachten (mehr dazu im Infokasten) eine Richtschnur für entscheidende Zukunftsfragen. Derzeit arbeitet der Zoochef Thomas Kölpin mit einem Team an den letzten Feinheiten jenes Masterplans, der aufzeigen soll, wie sich die Wilhelma in Zukunft weiterentwickelt. Dabei geht es unter anderem um den Neubau einer Elefantenanlage und um eine neue Anlage für Flusspferde am Neckarufer (die StZ berichtete). Das Säugetiergutachten der Bundesregierung bringt die Wilhelma zusätzlich in Zugzwang: Bei welchen bestehenden Anlagen sieht der Zoo Handlungsbedarf für Nachbesserungen? Wie schnell sollen und können bauliche Veränderungen umgesetzt werden? Und zuletzt: Was wird das kosten?

Die Raubtieranlagen sollen erneuert werden

Thomas Kölpin will pragmatisch auf die neuen Anforderungen reagieren. Bei den Greifstachlern sieht er beispielsweise keine Notwendigkeit, rasch zu handeln: „Die Tiere leben seit Ewigkeiten in der Anlage und vermehren sich dort auch.“ Bei den Raubtieren erfülle die Wilhelma die Mindestanforderungen – abgesehen von der Anlage für die Schneeleoparden. Dennoch sieht Kölpin – unabhängig vom Säugetiergutachten – Handlungsbedarf bei allen Raubtiergehegen. Auch wenn er sich noch nicht konkret über die Inhalte des Masterplans äußern will: die Anlagen für die Raubtiere stehen weit oben auf jener Liste mit Vorschlägen für Veränderungen im Zoo.

Genau wie die Anlage für Flusspferde. Hier klafft eine große Lücke zwischen dem Soll-Zustand, den das Gutachten formuliert, und dem Ist-Zustand für die Tiere im Stuttgarter Zoo. „Wir sind weit entfernt von den Anforderungen“, räumt Thomas Kölpin ein, „aber ich sage auch deutlich, dass deshalb noch lange kein Fall von Tierquälerei vorliegt.“ Die Anlage in der Wilhelma bietet den Tieren zwar eine räumlich beschränkte Fläche, auch bei den Badestellen, doch laut Kölpin würden die Tiere auch in freier Wildbahn lange Zeit im Wasser stehen, ohne größere Distanzen zurückzulegen. Dennoch: sollte die Erweiterungsanlage für Flusspferde am Neckar nicht realisiert werden, will der Zoochef die Haltung der Flusspferde aufgeben.