Die Erwartungen der Teilnehmer am Bündnis für Wohnen gehen vor der ersten Sitzung am Montag weit auseinander. Bis zu unterschriftsreifen Entscheidungen scheint es ein weiter Weg zu sein.

Stuttgart - Mein Amtszimmer im Rathaus ist ein permanentes Bündnis für Wohnen.“ So lautete die Antwort von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) Ende April auf die Frage nach einem Schulterschluss mit der Immobilienwirtschaft. Nun will sich Kuhn am Montag doch mit Vertretern der Baubranche, der Eigentümerlobby Haus und Grund, dem Mieterverein sowie etlichen weiteren Akteuren auf dem Stuttgarter Wohnungsmarkt zusammensetzen. Das Ziel ist offenbar, ein Bündnis für Wohnen nach dem Vorbild Hamburgs zu knüpfen und den Wohnungsbau in der Landeshauptstadt anzukurbeln. Vor dem ersten Treffen der potenziellen Bündnispartner liegen die Erwartungen jedoch weit auseinander.

 

„Es ist an der Zeit, dass wir endlich erfolgreiche Modelle aus anderen Städte kopieren“, erklärt der Vorsitzende des Mietervereins, Rolf Gaßmann. In Hamburg wurde im Jahr 2011 das sogenannte „Bündnis für das Wohnen“ geschlossen. „Vor vier Jahren wurden dort noch 2000 Wohnungen pro Jahr gebaut“, so Gaßmann, „inzwischen sind es 6000.“ Davon seien rund ein Drittel öffentlich gefördert, fügt er hinzu.

Die Abläufe bei den Ämtern beschleunigen

Die Ziele, die OB Kuhn bereits vor rund einem Jahr für Stuttgart formuliert hat – 1800 neue Wohneinheiten jährlich, davon 600 im geförderten Wohnungsbau – dürften nicht nach unten korrigiert werden, erklärt der Vorsitzende. „Diese Vorgaben sind ohnehin wenig ambitioniert und werden zudem wohl verfehlt“, so Gaßmann. Wichtig sei, von Seiten der Stadt die Abläufe zwischen Ämtern und Bauträgern zu beschleunigen und zu vereinfachen.

Thomas Wolf ist der Vorstand des Bau- und Wohnungsvereins und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der ehemals gemeinnützigen Wohnungsunternehmen. „Unser Problem sind die massiv steigenden Baukosten“, sagt er. Seiner Aussage zufolge liegen diese in Stuttgart pro Quadratmeter derzeit zwischen 2600 und 2900 Euro. „Wenn ich das entsprechende Grundstück schon besitze, muss ich daher trotzdem mindestens elf Euro pro Quadratmeter Kaltmiete verlangen“, erklärt er. Muss der Baugrund erst noch erworben werden, steigt die Miete auf mindestens 13 Euro. Ansonsten müssten die Bauträger draufzahlen und könnten keine Rendite mehr erwirtschaften. Zwar gelten Bauvorschriften, Energieverordnungen und DIN-Normen überall, trotzdem sagt Wolf: „Ich baue inzwischen lieber außerhalb Stuttgarts. Da bekomme ich meine Genehmigungen schneller und einfacher.“

20 Prozent geförderter Wohnungsbau

Außerdem schreibt die Landeshauptstadt auch privaten Unternehmern bei neuem Baurecht mit dem Innenentwicklungsmodell SIM vor, mindestens 20 Prozent aller Wohnungen im geförderten Wohnungsbau zu erstellen. „Das sind sehr hohe Anforderungen“, so Wolf. Damit sich der Bau, besonders von günstigen Wohnungen in Stuttgart überhaupt lohnt, müsse die Stadt mehr Geld in Form von Fördermitteln in die Hand nehmen, sagt Wolf.

Haus und Grund sitzt beim Bündnis für Wohnen ebenfalls mit am Tisch. Der Eigentümerverein hat sich bisher allerdings als einer der schärfsten Kritiker von OB Kuhn in Sachen Wohnungspolitik profiliert. „Wir werden unsere Strategie vor den Verhandlungen nicht öffentlich machen“, erklärt der Geschäftsführer, Ulrich Wecker. Man wolle sich jedoch konstruktiv einbringen. „Wir werden uns als private Vermieter nicht in eine Ecke stellen lassen“, fügt Wecker an. Aus Sicht der privaten Bauwirtschaft wäre ein städtischer Moderator sinnvoll. „Uns geht es darum, die Prozesse bei den Ämtern zu vereinfachen“, sagt der Vorsitzende des Verbands der Immobilienwirtschaft (IWS), Peter Brenner. Oft bekomme man von verschiedenen Ämtern unterschiedliche Antworten auf dieselbe Frage, so Brenner. Auch der IWS beklagt die steigenden Baukosten: „Wenn das Bauen so teuer ist, ist es uns nicht möglich, für 7,50 Euro zu vermieten“, so der Vorsitzende. Stadt, Land und Bund müssten Förderprogramme aufstocken, damit der Bau von Sozialwohnungen möglich und lukrativ werde. „In erster Linie sehe ich da jedoch Land und Bund in der Pflicht, da die für die teuren Bauauflagen verantwortlich sind“, so Brenner.

Ein Moderator aufseiten der Stadt

Die Stadt will sich vor der ersten Sitzung der potenziellen Bündnispartner nicht äußern. Nur so viel wird bekannt: Das erste Treffen diene vor allem dem Austausch. Eine Fortsetzung im kommenden Jahr sei aber definitiv geplant. Bis ein Stuttgarter Bündnis für Wohnen dann allerdings unterschriftsreif wird, scheint es noch ein weiter Weg zu sein.