Der aus Renningen stammende Künstler Clemens Schneider hat sich in einer Garage seine Wohnung und sein Atelier auf einer Fläche von 55 Quadratmetern eingerichtet. In konventionellem Wohnraum fühlt er sich nicht wohl.

Stuttgart - Es gibt Immobilienmakler, die bezeichnen jeden Raum, der größer als 40 Quadratmeter ist, als Loft. Wenn dann noch ein wenig Sichtbeton oder Stahlträger Industriecharme versprühen, steigt gleich noch mal der Preis. Alle diese Pseudo-Lofts können einpacken im Vergleich zu Clemens Schneiders Bleibe. Seit fünf Jahren wohnt der Stuttgarter Künstler in einer Garage in der Nähe der Paulinenbrücke.

 

Überall tönt Baustellenlärm, aber wenn man durch die Gittertür in den Hinterhof kommt, ist es bereits deutlich ruhiger, fast schon idyllisch. Häuserfassaden von Altbauten, Kopfsteinpflaster und große Bogenfenster im Erdgeschoss. Das alles erinnert ein bisschen an die Werkstatt von Meister Eder aus Pumuckl. Auch die selbst gezimmerte Tür mit Glasfenstern zur Garage. „Am Anfang war hier nur das Rolltor“, sagt Clemens Schneider. „Da war es entweder dunkel in der Garage oder alles stand komplett offen und es war windig.“ Die Tür, die er nach dem ersten Winter eingebaut hat, erfüllt noch eine andere wichtige Funktion: Auf den Rahmen schreibt Clemens Schneider wichtige Telefonnummern und Verabredungen: „Mein unverlierbarer Terminkalender.“

Die 55 Quadratmeter sind Wohnung und Atelier in einem

Und schon steht man mittendrin in den 55 Quadratmetern, die Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Atelier und Werkstatt in einem sind. Zu den sanitären Anlagen geht es ein Mal über den Hof, diese teilt sich Schneider mit einem Architekten, der hier sein Büro hat.

Es ist immerhin eine große Garage, in der vier kleine Autos Platz hätten. Zu dem Hochbett gelangt man über eine selbst gebaute Treppe. Die Stufen kann man aufklappen und zur Kleideraufbewahrung nutzen. In der Ecke ist ein Waschbecken, ein Kühlschrank, ein kleines Regal mit Lebensmitteln und ein Einplattenherd. „Ganz wichtig ist diese kleine Espresso-Kochplatte“, sagt Clemens Schneider und lacht.

Alte Türrahmen und verschnörkelte Gitter

Das hohe Regal, auf dem er schläft, zieren alte Türrahmen, die er aus Altbauten kurz vor dem Abriss gerettet hat. An der Seite, wo neuerdings eine Holzplatte als Schreibtisch dient, sind oben an der Wand drei geschmiedete, verschnörkelte Gitter an Holzbalken befestigt. In ihrem letzten Leben haben diese den Schacht in einen Kohlekeller verschlossen.

Clemens Schneider ist ein Sammler und Bastler, sein neuestes Möbel ist der Turm für die Stereoanlage. „Manche leben mit Eiche rustikal, ich lebe mit Pressspan rustikal“, sagt Clemens Schneider.

Die Garage ist mit Waschbecken und Heizung ausgestattet

Der 38-Jährige hat Glück, dass es Stuttgarter gibt, denen ihr Auto sehr viel bedeutet: Schon bevor Clemens Schneider in die Garage eingezogen ist, gab es dort ein Waschbecken und eine Heizung. „Typisch Schwaben“, sagt er und lacht.

Nach einer Geschichte über ihn im Stuttgartmagazin „Lift“ hat ihn der Radiosender SWR 2 zu einer 40minütigen Sendung nach Baden-Baden eingeladen. „Es ist aber gar nicht so einfach, in einer Livesendung meine Wohnung zu beschreiben“, sagt Clemens Schneider, dessen Vermieterin nicht sehr begeistert ist von solchen Auftritten. Es ist nicht sicher, ob die Garage als Wohnung ganz legal ist.

Schneider hält es in konventionellen Wohnungen nicht lange aus

Dass er es aber nicht lange in konventionellen Wohnungen aushält, haben schon seine Eltern in Renningen zu spüren bekommen. Immer zog es ihn raus. Noch heute zieren im Elternhaus große Löcher die Wände, die Clemens Schneider gebohrt hat, in diesem Sommer kommt endlich der Gipser. Im Vergleich zu anderen Behausungen, in denen Schneider schon gewohnt hat, können die Eltern mit der Garage ganz gut leben. Da war die große Künstler-WG am Nordbahnhof, mit eingebrochenen Scheiben und bröckelndem Putz in der Kaffeetasse. „Bei einem Wettbewerb wurde das Haus mal zum hässlichsten Gebäude der Stadt bestimmt“, sagt Clemens Schneider. Eine Zeit lange hat er auf dem Gelände der Wagenhallen gelebt. Vor dem Umzug in die Garage hat er in seinem 170 Quadratmeter großen Atelier in Kaltental gewohnt. „Das war unglaublich kalt, aber trotzdem schade, dass es verkauft worden ist.“

Im Sommer kann der Künstler auch den Hof mitbenutzen

Am Anfang hat er nur in der Garage gewohnt, jetzt nutzt es diese auch als Atelier. „Zum Glück kann ich im Sommer den Hof mitnutzen“, sagt Schneider, der gerade Bilder für eine Ausstellung in Köln malt. Denn Platz braucht er reichlich: die überdimensional großen Papiere, die er bemalt, stellt er aus alten Stofflumpen in einem ganz alten Verfahren selbst her.

Die Nachbarn haben sich an den Künstler aus der Garage und seine Arbeiten im Hof gewöhnt. Was Clemens Schneider wiederum komisch findet: Manche Mieter im Haus beschweren sich über kleine Makel im Laminatboden. Darüber kann der Garagen-Künstler nur milde lächeln.