Bei der Stuttgartnacht am Samstag versuchen Politiker, Mehrheiten für die Tanzfläche zu gewinnen. Im Rathaus feiern Isabel Fezer, Peter Pätzold und Werner Wölfle ihr Debüt als DJs. Den Feinschliff für diese Aufgabe erhielten sie im Trainingslager in der Schräglage.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Der DJ nickt an diesem Donnerstag im Stuttgarter Hip-Hop-Club Schräglage selbstbewusst zum Beat. Die DJ-Kollegin hält den Kopfhörer liberal-lässig nur an ein Ohr. Der dritte Plattenleger im Bunde starrt konzentriert auf den Rechner und überlegt, welchen Song er als Nächstes selektieren kann, um die Menge zum Ausrasten zu bringen.

 

Leider befinden sich zu diesem Zeitpunkt mehr Menschen hinter dem DJ-Pult als auf der Tanzfläche, was der Tatsache geschuldet ist, dass es sich bei dem Auftritt des hoffnungsvollen DJ-Trios nicht um einen öffentlichen Gig handelt, sondern um eine Art Geheimtraining. Bei diesem Zirkeltraining für die hohe Kunst der tiefen Bässe erteilt DJ Ram alias Martin Elbert der Bürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) und ihren Kollegen Peter Pätzold und Werner Wölfle (beide Grüne) Nachhilfe in DJing.

Diese ungewöhnliche Weiterbildung ist nicht dem Umstand geschuldet, dass Fezer, Pätzold und Wölfle umschulen, um endlich „etwas Anständiges“ zu arbeiten. Die drei legen vielmehr bei der Stuttgartnacht am Samstag im Rathaus auf. Zu diesem Zwecke erklärt der Profi Elbert den Bürgermeistern, wie man Beats einzelner Stücke angleicht, damit die Sets der Politiker aus einem Guss wirken wie eine Rede von Manfred Rommel.

Peter Pätzold hat als DJ laut Experte großes Potenzial

Werner Wölfle ist von der ungewöhnliche Nachhilfestunde begeistert. „Ich habe schon richtig was gelernt. Das ist sicherlich mein bisher bester Termin in dieser Woche. Da kehrt man anschließend motiviert ins Rathaus zurück“, sagt der Verwaltungsbürgermeister. Das größte Potenzial sieht Martin Elbert in Baubürgermeister Pätzold. „Der hat die meisten Hits in seiner Playlist, wird konsequent Songs aus den 80ern spielen und hat dabei auch Stücke von Front 242 oder Bronski Beat dabei, die im Club richtig gut kommen“, so Elbert.

Werner Wölfle will sich dagegen nicht auf einen Stil verlassen. „Ich habe ganz unterschiedliche Songs mitgebracht von LaBrassBanda über Peter Fox bis Stefan Hiss“, erklärt Wölfe und schränkt seine stilistische Offenheit im nächsten Moment wieder ein: „Wenn einer Xavier Naidoo dabeigehabt hätte, hätten wir die Veranstaltung absagen müssen“, sagt Wölfle und erntet lachende Zustimmung von Pätzold.

Wie in der Politik geht es beim Auflegen um Mehrheiten

Das magische Dreieck Fezer-Pätzold-Wölfle beschallt das Rathaus bei der Stuttgartnacht am Samstag von 22.30 Uhr an unter dem Motto „My mayor is a DJ“. Ob die Politdisco Folgen für die Karriere der drei haben wird, bleibt abzuwarten. „Das entscheiden wir nach unserem ersten Auftritt“, so Wölfle. Wolfgang Spohn, inhaltlich für den Club Schräglage verantwortlich, verfolgte das DJ-Training jedenfalls mit Interesse. Ob die drei Bürgermeister-DJs auch für die Schräglage in Frage kommen? „Ich muss mal die Gagen abfragen, wir wären aber interessiert“, sagt Spohn.

In einem Punkt waren die Politiker indes nicht mit der richtigen Ernsthaftigkeit an ihre postpolitische Laufbahn herangegangen. Einen DJ-Namen hatte sich keiner der drei vorab ausgedacht. Dabei entscheidet der passende Name mit über die Clubs, in die man gebucht wird. Mit dem Künstlernamen Pierre Duval aus Schwäbisch Hall wird man es etwa nie aus der Dorfdisco herausschaffen. Der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin schränkt sich als DJ Dosenpfand in der Zielgruppe ebenfalls unnötig ein. „Ich sollte dann eher nicht mit meiner Zuständigkeit für das Klinikum spielen und mich zum Beispiel nicht DJ Herzinfarkt nennen“, schlussfolgerte Werner Wölfle absolut zutreffend.

Wölfle hatte zum Schluss des DJ-Trainings denn auch einen elementaren Punkt beim Auflegen verstanden. „Das unterscheidet sich nicht groß von der Politik: Wie bei den Wahlen müssen wir Mehrheiten beschaffen. In dem Fall jetzt eben für die Tanzfläche“, so der Bürgermeister.