Bei der Messe „Stuttgarts beste Weine“ gibt es Aufsteiger, alte Hasen und andere Perlen zu entdecken. Am Trollinger-Tisch wird der Heimat gehuldigt, die Wengerter aus Mühlhausen präsentieren ihre Steillagen.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Immer wenn man denkt, man kennt in Stuttgart jede Ecke, wird man eines Besseren belehrt. Treffpunkt Kafkaweg in Stuttgart-Mühlhausen. Am Kafka-Hochhaus steht keine Verwandlung an und auch kein Prozess, stattdessen führt der Weg in die spektakuläre Steillage der Weinbauern aus Mühlhausen. Andreas Guigas, der Vorstand der Wengerter, bittet in seinem Wengerterhäusle zum Gespräch. Der Grund: Die rührigen Weinproduzenten präsentieren sich erstmals auf der Messe „Stuttgarts beste Weine“, die am Sonntag im Römerkastell stattfindet.

 

Guigas ist der Prototyp eines so genannten Originals. Sein Bartwuchs ist so wild wie die Landschaft zwischen Münster und Mühlhausen, seine Hose aus Leder und die Kippen dreht er selbstverständlich selbst. Gemeinsam mit seinem Kollegen Fritz Raith und dem jungen, wilden Winzer Christoph Ruck erklärt Guigas, was an der Bewirtschaftung der Steillagen so schwierig ist. „In einer Direktzugangslage rechnet man mit 500 Arbeitsstunden pro Hektar. Wir in der Steillage benötigen rund 1500 Stunden“, so Guigas. Daher fordern die drei Wengerter aus Mühlhausen eine stärkere Unterstützung durch die Politik.

Antrag im Doppelhaushalt zum Erhalt der Steillagen

„Der Erhalt der Terrassen ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen“, sagt Christoph Ruck. „Deshalb haben wir einen runden Tisch ins Leben gerufen, an dem Winzer und Stadträte unter Vorsitz von Finanzbürgermeister Michael Föll zusammenkommen“, so Ruck weiter. Bisher sei eine Bestandsaufnahme erfolgt. „Es geht um 88 000 Quadratmeter Mauer, von denen im Jahr bis zu 1000 Quadratmeter renovierungsbedürftig sind“, sagt Fritz Raith. „Mit unserer Arbeit erhalten wir das Landschaftsbild, verdienen momentan aber kein Geld damit“, ergänzt Andreas Guigas. 1000 Quadratmeter Mauer seien in der jüngeren Vergangenheit aufgegeben worden. Als Folge drohten einige Hänge abzurutschen. Die Grünen haben daher im aktuellen Doppelhaushalt einen Antrag gestellt, „zum Erhalt des Weinbaus in den Steillagen der typischen Stuttgarter Kulturlandschaft“ künftig 600 000 Euro pro Jahr bereitzustellen. Außerdem denken die Winzer über ein gemeinsames Steillagensiegel nach, das künftig ihre Flaschen schmücken soll.

Bei „Stuttgarts beste Weine“ geht es aber nicht nur um die Belange der Wengerter aus Mühlhausen und deren geschmackliche Tiefe aus der Steillage. Im Fokus stehen ausgezeichnete Weine aus Stuttgart und Umgebung. In den vergangenen 15 Jahren habe es hier einen riesigen Qualitätssprung gegeben, sagt der hiesige Master Sommelier Frank Kämmer. „Gert Aldinger und Hans-Peter Wöhrwag haben sich vor 15 Jahren ein freundschaftliches Duell geliefert, von dem nach und nach die ganze Region profitiert hat“, sagt Kämmer. „Heute kann sich kein Winzer im Großraum Stuttgart mehr erlauben zu schlampern, das würde sofort auffallen.“ Auch die genossenschaftlichen Betriebe haben laut Kämmer ordentlich Gas gegeben. „Das Collegium Wirtemberg ist für mich der Geheimtipp des Jahres.“ Außerdem sei in den hiesigen Betrieben mittlerweile eine neue Generation am Ruder, die eine Schippe draufgelegt habe. „Markus Heid aus Fellbach oder Jens Zimmerle aus Korb zählen derzeit zu den spannendsten Winzern überhaupt“, sagt Frank Kämmer.

„Stuttgarts beste Weine“ findet erstmals im Römerkastell statt

Die Messe „Stuttgarts beste Weine“ findet 2013 erstmals im Römerkastell statt. Bisher war die Degustation im Haus der Wirtschaft veranstaltet worden. „Da die Messe aber von Jahr zu Jahr beliebter wird und die Veranstaltung 2012 daher eine sehr enge Kiste war, haben wir uns entschlossen, ins Römerkastell umzuziehen“, erklärt Andrea Gehrlach, Prokuristin der Stuttgart-Marketing GmbH, die als Veranstalter der Messe verantwortlich zeichnet. „Das Römerkastell ist für eine Degustation natürlich prädestiniert, liegt es doch direkt an den Cannstatter Weinbergen“, urteilt Gehrlach.

Stuttgart-Marketing hat auch das Format überarbeitet. „Wir wollten keine zusätzlichen Events in den Event hineinpacken, es sollen einfach die 118 präsentierten Weine im Fokus stehen“, sagt Gehrlach. Allein für das Heimatgefühl gebe es einen extra Trollinger-Tisch (siehe auch nebenstehender Kasten), dazu präsentieren sich eben die Wengerter aus Mühlhausen.

Durch Rebstockpatenschaften im Wengert helfen

Deren Arbeit einmal näher zu betrachten, lohnt sich übrigens auch außerhalb von „Stuttgarts beste Weine“. Stuttgart-Marketing hat ganz neu eine Weinwanderung durch Stuttgarter Steillagen im Programm. Außerdem kann man eine Patenschaft für einen Rebstock in Mühlhausen übernehmen. „Mit einer Rebstockpatenschaft trägt man dazu bei, ein Stück uralter Kulturlandschaft in seiner Ursprünglichkeit zu erhalten“, sagt Andreas Guigas. Die Rebstockpaten treffen sich regelmäßig im Wengert und arbeiten zwischen den Trockenmauern mit. Unschlagbarer Vorteil dabei: man lernt Ecken von Stuttgart kennen, die man bisher völlig zu Unrecht links liegen gelassen hatte.

Stuttgarts beste Weine – die Veranstaltung im Überblick

Tradition Stuttgart wird oft nur als Industriestandort wahrgenommen, dabei hat die Stadt eine uralte Weinbautradition. Neben der autochthonen Rebsorte Trollinger und den regionalen Klassikern Lemberger oder Riesling bauen die Wengerter längst auch internationale Gewächse an.

Highlights Wer sich nicht an einen Chardonnay von hier traut, wird vielleicht an dem auf der Messe erstmals veranstalteten Trollinger-Tisch fündig. Dort stellen hiesige Winzer ausgezeichnete Trollinger vor. Dabei sei etwa der Trollinger „Alte Reben“ vom Weingut Schnaitmann erwähnt.

Fakten 35 Weinmacher präsentieren jeweils bis zu vier Weine aus eigener Erzeugung bei der Degustation 2013. „Stuttgarts beste Weine“ findet statt am Sonntag, 24. November von 11 bis 19 Uhr im Römerkastell in Bad Cannstatt. Karten kosten 18 Euro, www.stuttgart-tourist.de.