Lange stand das Gebäude „Am Fruchtkasten 3“ leer. Nun verwandelt die Stuttgarter Zeitung das Haus für die Lange Nacht der Museen am 25. März in eine Pop-up-Galerie. Den Immobilienbesitzer freut die Nutzung: Er hat früher die legendäre Bar Pauls Boutique am Kleinen Schlossplatz betrieben.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Der Legende nach hat jeder zweite Stuttgarter Pauls Boutique betrieben, mindestens. Die Bar am Kleinen Schlossplatz war so wichtig für die popkulturelle Entwicklung der Stadt, dass jeder, der dort einmal Gläser gespült hat, heute behauptet, er sei für das Pauls verantwortlich gewesen. Tatsächlich wurde die Gastronomie, die für eine knappe Dekade gemeinsam mit dem Switzerland und der klitzekleinen Bar 551 stilbildend für das Ausgehen Marke Kleiner Schlossplatz in Stuttgart war, von Klaus Morlock, seinem Bruder Kaj und Andreas „Toshi“ Schmid verantwortet – und zwar von Juli 1995 bis Februar 2002.

 

Was kaum einer weiß: Klaus Morlock zeichnete gemeinsam mit seinen zwei Mitstreitern damals zwar gefühlt für die größte Caipirinha-Produktion außerhalb Lateinamerikas verantwortlich. Eigentlich war er aber in der Immobilienbranche tätig. In dieser Funktion kehrt Morlock, der seit dem Pauls-Ende in der Schweiz lebt und arbeitet, nach Stuttgart zurück. Für die Hess Investment Gruppe ist er verantwortlich für den Immobilienbestand der Firma.

Bald eine hippe Gastronomie im Fruchtkasten?

Hess gehören vier Immobilien in Stuttgart, darunter Bürogebäude in Vaihingen und Möhringen, und das geschichtsträchtige Haus mit der Adresse „Am Fruchtkasten 3“: wenn man auf den Eingang der Stiftskirche schaut, liegt es links neben dem Sakralbau, hinter dem Instrumentenmuseum. Geschichtsträchtig deshalb, weil das Haus 1973 mit dem deutschen Architekturpreis ausgezeichnet wurde und seit 2013 unter Denkmalschutz steht. Geplant wurde das Gebäude von den Architekten Kammerer und Belz, die auch für den Kleinen Schloßplatz verantwortlich zeichneten.

Die Commerzbank nutzte das Haus von 1972 an als Bürogebäude mit Kantine und Garage für Dienstfahrzeuge. Zeitweise war im Erdgeschoss eine Salamander-Filiale untergebracht, später nutzte die Bank das Haus für interne Zwecke, sodass das Gebäude mit dem kleinen Vorplatz samt Brunnen vom Radar verschwand, obwohl an zentraler Stelle in Stuttgart gelegen. Im vergangenen Jahr geriet das Gebäude wieder ins Bewusstsein der Bevölkerung, als die Landesstiftung das Haus an Hess verkaufte.

Zur Museumsnacht verwandelt die StZ die Fläche in Galerie

Klaus Morlock wünscht sich für den „Kammerer-Bau“ am liebsten eine Bar oder einen qualitativ hochwertigen Einzelhandel – oder beides. In den oberen Stockwerken will Morlock Büroflächen anbieten. „Wir haben viele spannende Anfragen, darunter auch Mischkonzepte aus Handel und Gastronomie. Hans Kammerer hatte sich ursprünglich auch eine gastronomische Nutzung des Hauses gewünscht“, so Morlock. „Mit dem Platz und dem Brunnen vor dem Haus könnte man da schöne gastronomische Ideen verwirklichen“, sagt der gebürtige Bad Cannstatter. Ihm schwebt etwas Cooles vor – die Pauls-Vergangenheit verpflichtet eben, Anfragen für Systemgastronomiebetriebe oder ähnliches hat er bisher abgelehnt.

Der 53-Jährige lässt das Haus ab Sommer vom Stuttgarter Architekten Robi Wache umbauen. Wache hatte zuletzt unter anderen die Konzertlocation Wizemann architektonisch gestaltet. Die ersten Mieter sollen im Fruchtkasten 3 im zweiten Quartal 2018 einziehen.

Bis es soweit ist, wird die Stuttgarter Zeitung das Erdgeschoss samt angrenzender Garage bei der Langen Nacht der Museen bespielen. Die Fläche verwandelt sich am 25. März in eine Pop-up-Galerie, in der Bilder des Stuttgarter Fotografen Marc Schäfer gezeigt werden. Schäfer hat unter dem Titel „24hstgt“ 24 Berufe fotografiert, die selten im Fokus stehen, aber spannende Geschichten zu erzählen haben. So ist ein Panoptikum der verschiedensten Berufe entstanden, das ein faszinierendes gesamtgesellschaftliches Bild von Stuttgart zeichnet.

Die Stuttgarter Zeitung zeigt Bilder von Marc Schäfer

Klaus Morlock freut sich auf die temporäre Bespielung seiner Fläche. „Durch die nicht kundengebundene Nutzung der Commerzbank kennt das Gebäude leider keiner mehr, dabei ist das ein Schmuckstück an zentraler Stelle.“ Für Pauls-Boutique-Nostalgiker hat Klaus Morlock zum Abschied noch ein hübsches Detail übrig: „Die Türe mit dem Zwischenbalken und dem Bügel ist dieselbe, die wir auch im Pauls hatten.“ Wenn das kein Zeichen ist, das an dieser Stelle wieder eine stilbildene Bar einziehen sollte.